Begegnung mit den Jugendlichen
Apostolische Reise von Papst Franziskus nach Sri Lanka und auf die Philippinen
(12.-19. Januar 2015)
Quelle
Begegnung mit Jugendlichen
Begegnung mit den Jugendlichen
Ansprache des Heiligen Vaters
Sportplatz der Santo-Tomas-Universität, Manila
Sonntag, 18. Januar 2015
Liebe junge Freunde,
ich freue mich, heute Morgen bei euch zu sein. Ich begrüsse jeden von euch aus ganzem Herzen und danke allen, die diese Begegnung ermöglicht haben.
Während meines Besuches auf den Philippinen wollte ich mich besonders mit jungen Menschen treffen, euch zuhören und mit euch sprechen. Ich möchte die Liebe der Kirche zu euch und die Hoffnung, die sie auf euch setzt, zum Ausdruck bringen. Und ich möchte euch als christliche Bürger dieses Landes ermutigen, euch selbst leidenschaftlich und ehrlich in das grosse Werk der Erneuerung eurer Gesellschaft und der Hilfe beim Aufbau einer besseren Welt einzubringen.
In besonderer Weise danke ich den jungen Freunden, die mich willkommen geheissen haben. Wortgewandt haben sie in eurem Namen eure Anliegen und Sorgen, euren Glauben und eure Hoffnungen zum Ausdruck gebracht. Sie haben von den Schwierigkeiten und den Erwartungen der Jugendlichen gesprochen. Obwohl ich nicht auf jede dieser Fragen ausführlich eingehen kann, weiss ich, dass ihr sie gemeinsam mit euren Seelsorgern wie auch untereinander betend bedenken und konkrete Handlungsvorschläge für euer Leben machen werdet.
Heute möchte ich euch auf drei Hauptbereiche hinweisen, in denen ihr einen bedeutenden Beitrag zum Leben eures Landes zu leisten habt.
Der erste von ihnen ist die Herausforderung der Rechtschaffenheit. Das Wort “Herausforderung” kann auf zwei Weisen verstanden werden. Zuerst kann es negativ verstanden werden als eine Versuchung, gegen eure moralischen Überzeugungen, gegen das, was ihr als wahr, gut und recht erkennt, zu handeln. Unsere Rechtschaffenheit kann durch egoistische Interessen, Gier, Unehrlichkeit oder den Willen, sich anderer zu bedienen, herausgefordert werden.
Doch das Wort “Herausforderung“ kann auch positiv verstanden werden. Es kann als Einladung zum Mut gesehen werden, als Aufforderung, ein prophetisches Zeugnis für das zu geben, was ihr glaubt und heilig haltet. In diesem Sinn ist die Herausforderung der Rechtschaffenheit etwas, dem ihr euch jetzt, in dieser Zeit eures Lebens stellen müsst. Es ist nicht etwas, das ihr aufschieben könnt, bis ihr älter seid und grössere Verantwortungen tragt. Gerade jetzt seid ihr herausgefordert, in euren Beziehungen zu anderen – Jungen wie Alten – mit Ehrlichkeit und Fairness zu handeln. Weicht der Herausforderung nicht aus! Eine der bedeutendsten Herausforderungen, die junge Menschen angehen müssen, ist die, lieben zu lernen. Liebe bedeutet, ein Risiko einzugehen: das Risiko der Zurückweisung, das Risiko, ausgenutzt zu werden oder – noch schlimmer – einen anderen auszunutzen. Habt keine Angst zu lieben! Aber bewahrt auch in der Liebe eure Rechtschaffenheit! Seid auch hier ehrlich und fair!
In der Lesung, die wir gerade gehört haben, sagt Paulus zu Timotheus: “Niemand soll dich wegen deiner Jugend gering schätzen. Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten, in deinem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit” ( Tim 4,12). Ihr seid also berufen, ein gutes Beispiel zu geben, ein Beispiel der Rechtschaffenheit. Wenn ihr das tut, werdet ihr natürlich auf Opposition stossen, Negativem, Entmutigung und sogar Spott ausgesetzt sein. Doch ihr habt ein Geschenk erhalten, das euch befähigt, euch über diese Schwierigkeiten zu erheben. Es ist das Geschenk des Heiligen Geistes. Wenn ihr dieses Geschenk durch tägliches Gebet nährt und aus der Teilnahme an der Eucharistie Kraft schöpft, werdet ihr imstande sein, die moralische Grösse zu erlangen, zu der Jesus euch ruft. Ihr werdet auch eine Orientierungshilfe für die unter euren Freunden sein, die mit sich ringen. Ich denke besonders an die jungen Menschen, die versucht sind, die Hoffnung zu verlieren, ihre hohen Ideale aufzugeben, die Schule zu verlassen oder von Tag zu Tag auf der Strasse zu leben.
So ist es wesentlich, eure Rechtschaffenheit nicht zu verlieren! Eure Ideale nicht zu gefährden! Versuchungen gegen Güte, Heiligkeit, Mut und Lauterkeit nicht nachzugeben! Stellt euch der Herausforderung! Mit Christus werdet ihr die Erbauer einer erneuerten und gerechteren philippinischen Kultur sein – in der Tat seid ihr es schon!
Der zweite Hauptbereich, in dem ihr berufen seid, einen Beitrag zu leisten, ist die Sorge für die Umwelt, die ihr zeigen sollt. Und das nicht nur, weil euer Land mehr als viele andere wahrscheinlich ernstlich vom Klimawechsel bedroht ist. Nicht nur als verantwortliche Bürger seid ihr berufen, die Schöpfung zu pflegen, sondern auch als Anhänger Christi! Achtung vor der Umwelt bedeutet mehr, als bloss reinere Produkte zu gebrauchen oder von uns gebrauchtes Material der Wiederaufbereitung zuzuführen. Dies sind wichtige Aspekte, aber sie genügen nicht. Wir müssen mit den Augen des Glaubens die Schönheit von Gottes Rettungsplan sehen, die Verbindung erkennen zwischen der natürlichen Umgebung und der Würde der menschlichen Person. Männer und Frauen sind als Gottes Abbild und ihm ähnlich erschaffen, und ihnen ist die Herrschaft über die Schöpfung übertragen (vgl. Gen 1,26-28). Als Verwalter von Gottes Schöpfung sind wir berufen, die Erde zu einem wunderschönen Garten für die Menschheitsfamilie zu machen. Wenn wir unsere Wälder zerstören, unseren Erdboden verwüsten und unsere Meere verseuchen, verraten wir diese edle Berufung.
Vor drei Monaten haben eure Bischöfe diese Themen in einem prophetischen Hirtenbrief angesprochen. Sie forderten alle auf, über die moralische Dimension unseres Handelns und unserer Lebensstile, unseres Konsums und unseres Gebrauchs der Ressourcen der Erde nachzudenken. Heute bitte ich euch, das im Zusammenhang mit eurem Leben und eurem Engagement zum Aufbau von Christi Reich zu tun. Liebe junge Freunde, der rechte Gebrauch und die korrekte Verwaltung der Ressourcen der Erde ist eine dringende Aufgabe, und ihr habt einen wichtigen Beitrag dazu zu leisten. Ihr seid die Zukunft der Philippinen. Lasst euch berühren von dem, was mit eurem wunderschönen Land geschieht!
Ein letzter Bereich, in dem ihr einen Beitrag leisten könnt, ist einer, der uns allen lieb ist. Es ist die Sorge für die Armen. Wir sind Christen. Wir sind Glieder von Gottes Familie. Unabhängig davon, wie viel oder wie wenig wir persönlich besitzen, ist jeder von uns gerufen, selber die Hand auszustrecken und unseren notleidenden Brüdern und Schwestern zu dienen. Es gibt immer jemanden in unserer Nähe, der in Not ist, materiell, emotional oder spirituell. Das grösste Geschenk, das wir ihnen machen können, ist unsere Freundschaft, unser Interesse, unsere zärtliche Zuwendung, unsere Liebe zu Jesus. Ihn zu empfangen bedeutet, alles zu besitzen; ihn zu schenken bedeutet, das grösste aller Geschenke zu machen.
Viele von euch wissen, was es bedeutet, arm zu sein. Aber viele von euch haben auch etwas von der Seligkeit erfahren, die Jesus den “Armen im Geist“ (vgl. Mt 5,3) verheissen hat. Hier möchte ich ein Wort der Ermutigung und des Dankes an all die unter euch richten, die sich entschieden haben, unserem Herrn in seiner Armut zu folgen durch eine Berufung zum Priestertum und zum Ordensleben; indem ihr auf diese Armut Anspruch erhebt, werdet ihr viele bereichern. Doch euch alle, besonders die, welche mehr tun und mehr geben können, fordere ich auf: Bitte, tut mehr! Bitte, gebt mehr! Wenn ihr eure Zeit, eure Talente und eure Reichtümer vielen Menschen gebt, die zu kämpfen haben und die an den Peripherien leben, dann verändert ihr etwas. Es ist eine Veränderung, die so dringend notwendig ist und für die ihr vom Herrn reichlichen Lohn erhalten werdet. Denn, wie er selbst gesagt hat: “du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben” (Mk 10,21).
Vor zwanzig Jahren hat der heilige Johannes Paul II. an ebendiesem Ort gesagt, dass die Welt “eine neue Art von jungen Menschen” braucht – eine, die sich den höchsten Idealen verpflichtet und begierig ist, die Zivilisation der Liebe aufzubauen. Seid ihr diese jungen Menschen! Verliert niemals euren Idealismus! Seid frohe Zeugen von Gottes Liebe und dem wunderschönen Plan, den er für uns, für dieses Land und für die Welt hat, in der wir leben.
Bitte, betet für mich! Gott segne euch alle!
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