‘Es war die beste Zeit, es war die schlimmste Zeit’

Weihnachtsbotschaft des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Fouad Twal

Quelle

Jerusalem, 18. Dezember 2014, Lateinisches Patriarchat/Redaktion

Wir übernehmen im Folgenden die Weihnachtsbotschaft des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Fouad Twal, die am heutigen Donnerstag, dem 18. Dezember, während einer Pressekonferenz in der Terra-Santa-Schule durch seinen Vikar in Jerusalem und Palästina, Weihbischof William Shomali, vorgestellt wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das neue Christian Media Center (CMC) eingeweiht.

Liebe Freunde, liebe Bewohner des Heiligen Landes

Ich wünsche Ihnen und allen Ihren Lieben ein gesegnetes Weihnachten!

Sehr geehrte Journalisten,

mit meinem morgendlichen Gruss möchte ich Ihnen für Ihre Arbeit danken. Meine Hoffnung ist, dass Sie diese Arbeit stets mit Weisheit und Wahrheit ausführen werden. Noch einmal möchte ich meine Bewunderung und meinen tiefen Respekt für all diejenigen aussprechen, die grosses Interesse und Mut bei der Berichterstattung über den Besuch des Heiligen Vaters, Papst Franziskus, im Heiligen Land und die traurigen Ereignisse in Jerusalem und im Heiligen Land in den letzten Wochen gezeigt haben.

Wenn ich am Ende des Jahres 2014 über diese Ereignisse nachdenke, kommen mir in mancher Hinsicht die Worte von Charles Dickens in den Sinn: “Es war die beste Zeit, es war die schlimmste Zeit; es war das Zeitalter der Weisheit, es war das Zeitalter der Torheit; es war die Epoche des Glaubens, es war die Epoche des Unglaubens; es war die Zeit des Lichtes, es war die Zeit der Finsternis; es war der Frühling der Hoffnung, es war der Winter der Verzweiflung.”

A. “Es war die beste Zeit”

(I) Eine der “besten Zeiten” in diesem Jahr war die Pilgerreise des Papstes ins Heilige Land. Es war ein Erfolg auf pastoraler und ökumenischer Ebene. Dieser Besuch hat zu dem wunderbaren Gebetstreffen in den Vatikanischen Gärten mit Präsident Abbas, dem ehemaligen Präsidenten Peres und dem Patriarchen Bartholomäus geführt. Obwohl wir die konkreten Früchte nicht sehen konnten, so ist doch jedes Gebet wichtig und die Früchte können später noch kommen, so wie bei dem Olivenbaum, der bei dieser Gelegenheit gepflanzt wurde und in der Zukunft viele Früchte bringen wird.

(II) Es ist immer eine grosse Freude und ein Privileg für mich, Männer zu Priestern zu weihen. In diesem Jahr wurden neun Priester geweiht. Zwei von ihnen schickten wir zu unserem Volk in der Diaspora: in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Kalifornien.

(III) Die Familiensynode, die im Oktober in Rom stattfand, gab uns die Möglichkeit, die vielen Herausforderungen, mit denen sich die Familien konfrontiert sehen, zu erkennen. Es war der Moment, an die Weisheit und wahre Hoffnung zu appellieren. Die Synode bekräftigt die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe.

Im Heiligen Land ist unser Hauptanliegen ein anderes Thema. Viele Familien leiden unter dem Mangel an rechtsgültigen Dokumenten, die es den Paaren erlauben, miteinander zu leben, wenn die Ehe zwischen einem Palästinenser und einem nicht-Palästinenser geschlossen wurde. Daher ist es schwierig, ein Visum oder eine Aufenthaltsgenehmigung für den nicht-palästinensischen Ehepartner zu erhalten. Dies bezüglich bitten wir die israelische Regierung, die derzeitig geltenden Beschränkungen für die Familienzusammenführung zu lockern. Wir haben gehört, dass letzte Woche mehr als 593 Fälle von Familienzusammenführung anerkannt worden sind. Dies ist ein positiver Schritt, den wir begrüssen, aber das ist bei weitem noch nicht ausreichend angesichts der grossen Anzahl von Fällen.

(IV) Grosse Freude erfüllte uns in diesen Tagen, als der Heilige Vater ein Dekret für die Heiligsprechung der beiden seligen Palästinenserinnen unterzeichnet hat. Sie werden offiziell nächsten Sommer in Rom heiliggesprochen werden. Viele Gläubige werden zu diesem Anlass nach Rom reisen. Die Heiligsprechung ist die höchste Auszeichnung, die ein Gläubiger, der treu nach seinem Glauben gelebt hat, erhalten kann. Sie ist ausserdem ein Modell für die anderen Gläubigen, die von seiner Fürbitte profitieren können. Die erste ist Mariam Bawardi, aus Ibillin in Galiläa und Gründerin des Karmeliterklosters in Bethlehem. Die zweite ist die selige Marie Alphonsine Ghattas, aus der Altstadt von Jerusalem und Mitbegründer der Kongregation der Schwestern des Rosenkranzes. Diese beiden Heiligen sind eine Quelle der Hoffnung für die Zukunft. Wir zählen auf ihre Fürbitte für den Frieden im Heiligen Land.

B. “Es war die schlimmste Zeit”

(I) Es war die schlimmste Zeit. Dieses Jahr haben wir eine Eskalation der Gewalt und feindselige Reaktionen mit Vergeltung gesehen. Dieser verheerende Krieg, mit einem Blutbad in Gaza, war schrecklich und hat uns schockiert.

Im letzten Jahrzehnt hat Gaza drei Kriege durchgemacht, Tausende von Menschen wurden getötet und Hunderttausende als Folge der Zerstörung und Verzweiflung verletzt… Gross ist die Verantwortung der politischen Führer – Israelis und Palästinenser – bei der Suche und dem Vorantreiben einer Lösung. Gross ist auch die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft, um die beiden Parteien dabei zu unterstützen, sich selbst zu helfen…

Wir verurteilen den Krieg in Gaza und beklagen seine tragischen Folgen: Tod und Zerstörung; und gleichzeitig verurteilen wir jede Form der Gewalt oder Rache an unschuldigen Menschen, wie die Tötung von Menschen, die in einer Synagoge beten, und die Angriffe auf Moscheen. Noch in derselben Woche haben die christlichen Oberhäupter des Heiligen Landes die Synagoge Har Nof besucht, um die unmenschliche Tat, die an diesem Ort begangen wurde, zu verurteilen. Asserdem besuchten sie die Al-Aqsa-Moschee, um die Achtung des alten Status Quo zu verlangen. Leider befindet sich unsere geliebte Heilige Stadt Jerusalem in Blut und Tränen. Wir wollen keinen religiösen Antagonismus in dieser Heiligen Stadt, deren Aufgabe es ist, die Stadt des Friedens und des interreligiösen Zusammenlebens zu sein.

(II) Während der Pastoralbesuche in unseren Gemeinden, konnten wir die Tragödie der viele Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak erleben: Familien, die ihre Häuser, ihre Arbeit, ihre Familien und ihre Eltern verloren haben. Es berührt einen, die Kinder durch den Staub der Flüchtlingslager laufen zu sehen, ohne Ziel und Richtung in ihrem Leben. Neben der unmenschlichen Tragödie, die sich im Nahen Osten im Blut entfaltet, und diese Region zum Weinen bringt, sind wir alle von der Tatsache überrascht, dass diese jungen Menschen radikalen Ideologien nachlaufen, um in Syrien und dem Irak zu kämpfen. Auf der anderen Seite sehen wir eine klare Verurteilung seitens der arabischen und muslimischen Führer dieser radikalen religiösen Ideologien.

(III) In der vergangenen Woche gab die Versammlung der Katholischen Ordinarien des Heiligen Landes eine Erklärung bezüglich des Cremisan Tals ab. Wir hoffen, dass der israelische Oberste Gerichtshof die 300 Hektar des Cremisan Tals und die beiden Salesianerklöster auf der palästinensischen Seite belässt. Heute sind wir besorgt, da die neuesten Entwicklungen der jüngsten Anhörung für eine andere Entscheidung sprechen. Wir befürchten, dass das Gericht entscheidet, dass die Ländereien der 58 palästinensischen christlichen Familien von Beit Jala abgeschnitten werden. Eine solche Entscheidung wäre schädlich für unsere Gemeinschaft und wir hoffen, dass die Richter von ethischen Prinzipien inspiriert werden und nicht von politischem Druck.

Abschluss

Die Geburt Jesu ist ein Versprechen der Barmherzigkeit, der Liebe und des Friedens für unzählige Menschen, die leiden, und für diejenigen, die ihr Leben zerbrochen und ihre Bemühungen durch die Kämpfe und den Hass in diesen turbulenten Tagen des Sturms behindert sehen.

Unsere Gläubigen im Heiligen Land, unseren Freunden auf der ganzen Welt und unseren geschätzten Pilgern wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest und ein neues Jahr voller Frieden und Gesundheit.

(Quelle: Lateinisches Patriarchat von Jerusalem, 18.12.2014)

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