Noch ein Krieg ohne Kriegsziel?

Obama wollte viel, nur das nicht: Er wollte Amerika nicht noch einmal in einen Krieg ohne Ziel führen

Die Tagespost, 12. September 2014, Von Stephan Baier

Obama wollte viel, nur das nicht: Er wollte Amerika nicht noch einmal in einen Krieg ohne Ziel führen. Doch der Irak lässt den US-Präsidenten nicht los. Längst kann auch der naivste Amerikaner nicht mehr glauben, dass ein militärisches Engagement Frieden und Demokratie in Nahost bringen wird, wie uns das hohle Pathos der Bush-Jahre glauben machen wollte. Längst kann auch der naivste Europäer nicht mehr hoffen, dass ein “arabischer Frühling” demokratische Rechtsstaaten im Orient etablieren wird. Heute geht es nur mehr um Notwehr und Nothilfe: Wie lässt sich der Völkermord stoppen, von dem die christlichen Patriarchen des Orients Obama berichteten? Wie lässt sich ein Ausgang aus der “Horrorwelt” (wie der chaldäische Patriarch Sako die Lage beschreibt) finden?

Selten rufen Kirchenfürsten nach dem Militär, doch angesichts des Genocids, der im Irak stattfindet, appellierte Sako “an den UN-Sicherheitsrat, eine Friedenstruppe zu entsenden, die mit den irakischen Sicherheitskräften und den kurdischen Peschmerga das urchristliche Ninive-Tal befreit”. Doch der Sicherheitsrat funktioniert derzeit nicht, die Vereinten Nationen sind wieder einmal gelähmt. Also bleibt nur eine “Koalition der Willigen”, um den Völkermord zu beenden. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung, Unterlassungssünde.

Die Risiken und Nebenwirkungen solcher Allianzen sind gross: Wieder einmal könnten Kräfte gestärkt werden, die dann eine ganz andere Agenda verfolgen. Die kurdische PKK, Al-Nusra und die “syrischen Oppositionellen” sind vielleicht dann das Hauptproblem, wenn IS gemeinsam niedergerungen ist. Sie alle tragen dazu bei, ein fragiles Staatengeflecht in Nahost weiter zu destabilisieren. Zweitens droht eine amerikanisch-arabische Allianz gegen IS, wie sie Obama und Kerry basteln, dem Fundamentalismus die Massen in die Armee zu treiben: Amerika ist in der islamischen Welt spätestens seit 2003 verhasst. Arabische Staaten, die sich mit Washington einlassen, geraten auch bei den eigenen Bürgern in Misskredit. Drittens werden jene Länder in Zugzwang gebracht, die bereits wegen der massenhaften Aufnahme syrischer Flüchtlinge in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Turbulenzen sind. Die Türkei, Jordanien und der kleine Libanon haben grosszügiger mehr als wir Europäer syrische Flüchtlinge aufgenommen – ohne dabei auf die Religionszugehörigkeit zu achten. Diese drei Staaten zu stärken und mit ihnen die Lasten des Syrien-Dramas zu teilen, wäre die wichtigste Anti-Terrormassnahme.

Viertens müsste jedes Vorgehen gegen IS der arabischen Welt plausibel machen, dass es hierbei nicht um die egoistischen Interessen des Westens geht. Darin liegt das grösste Versagen des US-Präsidenten: Obama hat den Kampf gegen die IS-Terroristen im Irak wie in Syrien damit begründet, dass jene, die Amerika bedrohen, “keinen sicheren Hafen finden” dürften. Damit mag Obama die US-Bürger erreichen, doch in der arabischen Welt sind solche Begründungen kontraproduktiv. Genau deshalb haben islamische Terrorgruppen ja Zulauf: Weil arabische Muslime nicht grundlos glauben, vom Westen verachtet, ausgebeutet, dominiert und missbraucht zu werden. Solange es dem Westen nur um Öl, Macht und Einfluss geht, wird der Terror nie enden. Nur wer den Arabern Gerechtigkeit zuteil werden lässt, legt die Hand an die Wurzel des Terrorismus.

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