Standhafte Laien
Hundert Jahre lang mussten Katholiken in Korea für ihren Glauben sterben
Vatikan: Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse
Die benediktinische Koreamission
Vor dem Papstbesuch: Korea ist voller Erwartung und Vorfreude
Hundert Jahre lang mussten Katholiken in Korea für ihren Glauben sterben – 124 von ihnen spricht Franziskus jetzt selig.
Rom, Die Tagespost, 11. August 2014, Von Guido Horst
Bereits 1984, bei seinem ersten Besuch in Südkorea, hatte Johannes Paul II. den Andreas Kim und 102 Märtyrer-Gefährten – drei Bischöfe, sieben weitere Priester und 92 Laien – seliggesprochen. Diese hatten in den Jahren zwischen 1838 und 1867 für ihren Glauben den Tod erlitten. Die 124 Blutzeugen, die jetzt Franziskus zur Ehre der Altäre erhebt, starben zwischen 1791 und 1884.
Der bekannteste von ihnen, der Laie Paul Yun Ji-Chung, der der Gruppe seinen Namen gibt, entstammte einer angesehenen Familie und wurde 1759 in Jinsan geboren. Bevor er den Taufnamen Paul annahm, hiess er Uyong. Sein jüngerer Bruder Franziskus sollte während der Verfolgung von Shinyu des Jahres 1801 das Martyrium erleiden.
Paul wollte ein Gelehrter werden und legte 1783 die ersten staatlichen Examina ab. In dieser Zeit erfuhr er durch einen Vetter vom katholischen Glauben und beschloss, einige Bücher zu lesen, die die christliche Religion behandelten. Was er las, überzeugte ihn, und nach dreijähriger Vorbereitung wurde er 1787 getauft. Sogleich begann er, seiner Mutter, seinem Bruder Franziskus und einem Cousin Katechismusunterricht zu erteilen. Paul fasste den Entschluss, zusammen mit einem angeheirateten Verwandten namens Augustinus Yu Hang-geom den Glauben zu verkünden. Das ging gut bis 1790, als der Bischof von Peking per Dekret den katholischen Gläubigen die Ahnenkulte verbat. Beim Tod seiner Mutter entschied Paul, ein katholisches Begräbnis anstelle der konfuzianischen Riten feiern zu lassen – was sich schnell herumsprach, schliesslich den Gerichtshof der Stadt beschäftigte und sogar den Zorn des Königs erregte. Es erging Haftbefehl, Paul floh, doch als man an seiner Stelle den Onkel verhaftete, stellte er sich den Behörden. Das war Mitte Oktober 1791. Mittlerweile hatte die Provinzregierung ein Dekret erlassen, das die christliche Religion als einen “bösartigen Kult” verurteilte und ihre Ausrottung anordnete. Paul wurde aufgefordert, die Namen der anderen Katholiken der Stadt Jinsan zu nennen. Er verweigerte das und legte stattdessen die Sinnlosigkeit der konfuzianischen Riten im Vergleich zur katholischen Lehre dar. Der Gouverneur der Provinz geriet in Wut, doch Paul, zusammen mit einem Mithäftling, gab zu Protokoll: “Wir dienen Gott, unserem Vater, und können seinen Geboten gegenüber nicht ungehorsam sein.” Der Fall ging ans Gericht – und schliesslich ordnete der König selbst die Hinrichtung an. Paul, inzwischen 32 Jahre alt, sowie sein Mithäftling und Freund wurden am 8. Dezember 1791 enthauptet.
Die Familie musste neun Tage warten, bis sie die beiden Hingerichteten beerdigen konnte. Erstaunt stellten die Verwandten fest, dass die beiden Märtyrer so aussahen, als seien sie gerade erst verstorben, und dass ihr Blut noch frisch und glänzend war. Man nahm das Blut mit Tüchern auf. Einige dieser Stoffteile schickte man dem Bischof von Peking. Verschiedene Kranke, die in Lebensgefahr schwebten, fühlten sich besser, nachdem sie diese Tücher berührt hatten.
Die – vergleichsweise kurze – Vita des Märtyrers Paul Yun Ji-Chung ist typisch für die koreanischen Glaubenszeugen, auch die, die Franziskus jetzt seligsprechen wird. Es waren in der Regel Laien, für die Glaubensweitergabe hatten die Familien beziehungsweise Verwandten eine grosse Bedeutung und es waren kaum Ausländer, etwa Missionare aus Europa, die auf den Märtyrer-Listen standen. Zu den 124 neuen Seligen gehört nur ein Priester, Pater Thomas Choe Yang, den man den “Märtyrer des Schweisses” nannte, weil er fast dreitausend Kilometer zu Fuss in den abgelegensten Gegenden Koreas unterwegs gewesen war, um den Menschen den Glauben zu verkünden.
Eine Hofdame verhalf verfolgten Christen zur Flucht
Jeong Yak-jong, auch bekannt als Augustinus Chong, steht ebenfalls auf der Liste der neuen Seligen. Er starb im Alter von 41 Jahren bei einer Verfolgungswelle im Jahr 1801. Seinerseits von einem chinesischen Priester zum Glauben geführt, hatte er den ersten katholischen Katechismus in koreanischer Schrift verfasst. Als man 1984, es war das Jahr des Korea-Besuchs von Johannes Paul II. und der Seligsprechung der 103 Märtyrer, des zweihundertsten “Geburtstags” der koreanischen Ortskirche gedachte, stand die Erinnerung daran im Vordergrund, dass es Laien waren, die Ende des achtzehnten Jahrhunderts mit der Evangelisierung in Korea begonnen hatten. Der erste koreanische Katholik war Lee Seung-Hun, ein gebildeter Diplomat, der während einer Mission in Peking das Evangelium studiert hatte und sich mit dem Namen Petrus 1784 taufen liess. Dass die Kirche in Korea kraft der Laien lebt, wiederholt sich heute im kommunistisch regierten Nordteil des Landes. Vorsichtigen Schätzungen zufolge soll es dort – neben einer, wie in Rotchina, regimetreuen “offiziellen” Kirche – zwischen drei- und achttausend romtreue Katholiken geben. Sie sind ganz auf sich alleine gestellt.
Franziskus wird jetzt auch Frauen in das Buch der seligen Märtyrer einschreiben. Eine von ihnen ist Susan Kang Gyeong-bok, eine unverheiratete Hofdame, die 1801 im Alter von 39 Jahren für ihren Glauben starb. Aus einer noblen Familie stammend lebte sie an einem Ort, wo Mitglieder der königlichen Familie residierten und hatte dort Kontakt mit Mary Song und deren Schwiegertochter Mary Sin, die über einen Priester und einen Katechisten zum Glauben gefunden hatten. Um das Jahr 1798 liess sich Susan taufen.
Im Februar 1801 brach eine weitere Christenverfolgung aus, Susan verhalf noch dem Priester zur Flucht, wurde aber selber verhaftet und in die Zentrale der Gendarmerie von Seoul gebracht. Es begannen Verhöre und Folterungen, die junge Frau blieb standhaft und wurde an das oberste Gericht überwiesen, wo die Verhöre und Folterungen weitergingen. Vor allem wollten die Behörden wissen, wo sich der geflohene Priester befindet, aber auch Susan selbst zum Glaubensabfall drängen. Doch die Frau bekannte immer wieder ihren Glauben und wurde schliesslich am 2. Juli 1801 mit acht weiteren Katholiken hingerichtet.
Der Prozess zur Seligsprechung dieser Glaubenszeugen wurde am 6. Juli 2004 beim Sitz der Koreanischen Bischofskonferenz eröffnet, nachdem zunächst 2002 die vatikanische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen und dann Papst Johannes Paul II. im Jahr 2003 ihr Einverständnis gegeben hatten. Im Juni 2009 gingen die Akten mit den Ergebnissen der Untersuchungen dann von der Ortskirche an den Vatikan. Um die zweitausend Petitionen mit der Bitte um die Seligsprechung dieser Märtyrer waren bis dahin im Vatikan eingetroffen. Postulator des Prozesses bei der Heiligsprechungskongregation wurde der koreanische Priester John Kim Jong-su, den die Bischofskonferenz des Landes vorgeschlagen hatte. Am 7. Februar dieses Jahres hat schliesslich Papst Franziskus auf Vorschlag der Kongregation das Martyrium dieser Frauen und Männer anerkannt.
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