Klugheit und Moral

“Verhältnismässigkeit der Mittel”

Die Tagespost, 22. August 2014, Von Stefan Rehder

Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob es politisch klug ist, dass sich in dieser Woche nun auch die Bundesregierung bereit erklärt hat, Waffen aus Beständen der Bundeswehr in den Irak zu liefern. Denn die Gefahr, dass diese am Ende dem “Islamischen Staat” (IS) in die Hände fallen, dessen (völker-)mörderisches Treiben sie Einhalt gebieten sollen, ist durchaus real. Bei der Eroberung Mossuls erbeuteten IS-Kämpfer auch militärisches Gerät, das von Washington – gedacht zur Niederschlagung islamistischer Aufstände – in den Irak geliefert worden waren. Auch der Gedanke, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in den Augen der Terrormiliz mit ihren Waffenlieferungen zum Ziel von Anschlägen erklärt, ist keinesfalls weit hergeholt. Der vom IS enthauptete US-amerikanische Kriegsberichterstatter James Foley soll in dem von IS-Kämpfern verbreiteten Hinrichtungsvideo orangefarbene Häftlingskleidung getragen haben – ähnlich wie die Gefangenen von Abu Ghraib. Die barbarische Maxime “Auge um Auge, Zahn um Zahn” gehört zu den Botschaften, die die Terrormiliz damit wohl verbreiten wollten.

Worüber sich indes nicht streiten lässt, ist, ob es moralisch erlaubt ist, Bevölkerungsgruppen, die sich einem gnadenlosen Aggressor gegenübersehen, der sie zu vernichten sucht, und selbst vor neutralen Unbeteiligten keinen Halt macht, mit Waffen auszustatten, solange dabei der Grundsatz der “Verhältnismässigkeit der Mittel” gewahrt wird. Dass die Bundesregierung den um Waffen ersuchenden im Irak lebenden Kurden keinen Blankoscheck ausgestellt hat, sondern nun prüft, in wieweit sie den Wünschen der Peschmerga nachkommen kann, deutet darauf hin, dass sie diesen Grundsatz auch weiterhin wahren will. Die kommende Woche wird zeigen, ob dies dann auch tatsächlich gelingt.

Bis dahin tun Teile der Opposition schlecht daran, die Entscheidung der Bundesregierung wie ein x-beliebiges Rüstungsgeschäft darzustellen, welches den Krieg in einer instabilen Region nur weiter anheize und aus ihm auch noch wirtschaftlichen Gewinn zu ziehen suche. Was auch immer am Ende aus den Beständen der Bundeswehr zur Unterstützung der Peschmerga in den Irak verschickt wird, erfüllt nicht die Kriterien üblicher Rüstungsgeschäfte. Nachdem sich die irakische Armee als unfähig erwiesen hat, sind die Peschmerga (dt.: die dem Tod ins Auge sehenden) die einzigen, die – nach menschlichem Ermessen – Jesiden und Christen im Irak vor ihrer Vernichtung bewahren können.

Der Versuch der Opposition, die Bundesregierung ins Zwielicht zu rücken, bietet aber auch noch eine weitere Gefahr. Denn er erschwert oder verhindert womöglich gar eine Debatte darüber, ob Deutschland schon genug an humanitärer Hilfe leistet. Wer nicht bloss Verstand, sondern auch ein Herz hat, den muss es mit Scham erfüllen, dass die Frage, ob die Bundesregierung Waffen an die Streitkräfte der autonomen Region Kurdistan liefern sollte, hierzulande derzeit weitaus leidenschaftlicher diskutiert wird, als die, ob ein derart reiches Land wie Deutschland nicht mehr Menschen aufnehmen kann, die einzig und allein deshalb aus ihrer Heimat fliehen, weil sie ihre nackte Haut zu retten suchen.

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