Es bedarf eines klareren Bekenntnisses zum Zölibat

“Es mangelt uns heute an klaren Aussagen”

Hl. Pfarrer von ArsQuelle

Auch in der Kirche muss man sich an den Gedanken gewöhnen, dass die Gesellschaft im Allgemeinen in ihrem Selbstverständnis und ihren Paradigmen immer weniger kompatibel mit der Kirche ist. Ein Gastkommentar von Michael Gurtner

Salzburg, kath.net, 10. Februar 2014

Wird ein neuer Bischof ernannt oder erlangt sonst ein Geistlicher ein Amt, anlässlich dessen er von den Medien zum Interview gebeten wird, so wird man ihm mit Sicherheit einige Standardfragen stellen, welche seit mindestens dreissig Jahren unverändert dieselben (und dementsprechend langweilig) geblieben sind. Eine davon ist jene um den Zölibat.

Dabei ist auffällig, dass die Antworten der Interviewten tendenziell immer verhaltener und distanzierter werden und beinahe jedes Mal einem ganz bestimmten Standardschema folgen. Dieses lautet: für mich ist es persönlich in Ordnung, es ist schön, wenn es ihn irgendwo gibt und mag seinen Wert haben, aber eigentlich “muss man ihn diskutieren” (als ob man das nicht seit mehr als 50 Jahren ununterbrochen täte), da der Zölibat nicht wirklich sein muss und theologisch nicht zwingend ist.

Dies ist das standardisierte Grundschema beinahe einer jeden Antwort der befragten Geistlichen, wenn man von einigen löblichen Ausnahmen absieht. Ein freudevermittelndes Bekenntnis zur eigenen Lebensweise hat Seltenheitswert erlangt. Zwischen den Zeilen kann man oftmals leicht die Leidensmine erkennen und den Seufzer hören – doch nicht so sehr wegen des Zölibates selbst, sondern vielfach ob des Druckes von aussen, welcher auf dem Befragten lastet weil er genau weiss was ihm blüht, wenn er eine Antwort gibt, welche ihm das unauslöschliche Prägemal eines “Konservativen” aufdrückt. Wenn er sich die Gunst der Medien verspielt, hat er ein Schicksal zu befürchten wie es viele Bischöfe der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart ereilte.

Es mangelt uns heute an klaren Aussagen, an einem eindeutigen Bekenntnis zum “heiligen Zölibat”, wie er mitunter auch zurecht genannt wird, weil es an der Bereitschaft mangelt, sich der Kritik auszusetzen. Das führt zu ausweichenden, schwammigen Aussagen, welche im Zölibat eine “Schuld” sehen, die man dann als solche gerne der “Bremse Rom” zuschiebt: “wir würden ja gerne, aber Sie wissen ja, Rom…”. Viele verstecken sich hinter dem Heiligen Stuhl, anstatt ihn zu verteidigen.

Das Problem dabei ist, dass diese Aussagen, besonders wenn sie gehäuft auftreten, sich auch auf den Diözesanklerus auswirken. In dem, was die Bischöfe und sonstigen Oberen den Medien gegenüber sagen, erkennen die Kleriker mit gewisser Berechtigung auch eine Erwartungshaltung ihnen gegenüber.

Denn einem Bischof wird man unterstellen dürfen, dass er sich erhofft, in seinen Aussagen und Amtshandlungen durch seinen Klerus unterstützt zu werden. Wird aber der Zölibat in dessen Bedeutung seitens der Bischöfe und Ordensoberen relativiert (und sei es nur aus Medienfurcht anstatt aus Überzeugung), so wird dies unweigerlich dazu führen, dass auch die einzelnen Geistlichen immer weniger klare und verteidigende Worte für den Zölibat finden werden. Sie trauen sich immer weniger. Das führt über längere Zeit unweigerlich zur Aufweichung, denn wer den Zölibat noch mit einem klaren und deutlichen “Ja” verteidigt, wird, sobald einmal die Mehrheit des Klerus die laue Haltung angenommen hat, entweder als “päpstlicher als der Papst” abgetan, als Karrierist oder als einer, der dem eigenen Bischof ein wenig in den Rücken fällt.

Verstärkt wird dieser Effekt, wenn mittlerweile auch von hohen Kurienprälaten nur halbherzige Aussagen zum Zölibat zu vernehmen sind.

Es ist beispielsweise nicht einzusehen, weshalb der Zölibat angeblich “diskutiert werden müsse”. Dies hat man jahrzehntelang getan, und die Entscheidung ist getroffen – und sie ist gut getroffen.

Hinter dieser Forderung steht letztlich die Ansicht, dass man solange darüber “reden” und “diskutieren” muss, bis das erwünschte Ergebnis – dessen Aufhebung – erreicht ist. Durch das beständige Wiederholen des oben genannten Schemas durch hohe Amtsträger wird letztlich vermittelt, dass es salonfähig, wenn nicht gar insgeheim gefordert sei, eine halbherzige Einstellung zum Zölibat einzunehmen, und ihn nur ja nicht zu hoch zu bewerten. Dabei macht es letztlich keinen Unterschied, ob es einer aus Überzeugung sagt (auch davon gibt es viele), oder weil er den Druck und die Kritik von Medien und Kollegen fürchtet. Was zählt ist die Aussage, nicht deren innerer Beweggrund.

Es besteht der Eindruck, als solle durch ein kontinuierliches Wiederholen desselben Antwortschemas, das versucht, nicht allzu direkt gegen den Zölibat zu stossen, aber ihn doch letztlich mit sanft anmutenden Worten in den Bereich des Überholten zieht, durch Desensibilisation die mittelfristige Abschaffung vorbereitet werden. Man will, so scheint es, langsam an diesen Gedanken gewöhnen und den Nachwuchs des Klerus bereits von Anfang an in dieses Klima hineinwachsen lassen.

Wo noch vereinzelte Bischöfe ein klares, eindeutiges Bekenntnis zum Zölibat abgeben, werden sie sofort massiv attackiert und werden auf teils subtile Weise zumindest indirekt mit Pädophilie, Homosexualität oder sexueller Triebunterdrückung in Zusammenhang gebracht, was den oben erwähnten Druck von aussen erzeugen soll. Der Zölibat sei ja an allem Schuld.

Es ist ein grober Fehler, wenn man die theologische Dimension des Zölibates regelmässig verschweigt, sondern ihn auf seine praktische und spirituelle Seite reduziert, welche er freilich auch hat. Es wäre wünschenswert (und beinahe schon eine Neuheit), dass ein Bischof auf die Frage eines Journalisten einmal die theologische Verknüpfung von Weihe und Zölibat darlegen würde.

Man hört oft die Aussage: “mir persönlich gelingt der Zölibat, aber ich kann mir auch vorstellen, ihn abzuschaffen”. Diese Haltung ist schlimmer als das Gegenteil, denn hier wird am Zölibat selbst gerüttelt. Wenn die Aussage fällt, selbst mit dem Zölibat keine Probleme zu haben, ihn aber in seiner Verbindlichkeit abschaffen zu wollen, dann ist dazu zu sagen, dass der Angriff auf den Zölibat in seinem Bestand ist in letzter Konsequenz schwerwiegender ist, als in diesem selbst zu fallen. Denn ein Fallen in selbigem ist eine persönliche Sünde, welche durch die Mittel, welche Christus in seiner Kirche dem Sünder zur Verfügung gestellt hat, wieder bereinigt werden kann – die Abkehr von der Sünde vorausgesetzt. Doch wer selbst die Sünde zwar nicht begeht, das hohe Gut des Zölibates, welches er für die Kirche darstellt, jedoch abzuschaffen strebt, sündigt schwerer als derjenige, der persönlich zwar fällt, aber am Ideal festhält, es für die Kirche erhalten und sich selbst wieder in die Reihe der Zölibatären eingliedern möchte.

Selbst jene Päpste, welche in der Tugend der Jungfräulichkeit nicht sehr weit fortgeschritten waren haben diesen doch nie in Frage gestellt oder gar abgeschafft, da sie um dessen Bedeutung und Wert wussten, den er trotz deren eigenen Verfehlungen hat. Doch auch wenn die selbst in sexto gefallen waren – sei es vor oder nach deren Erhebung zum Papstamt – so war es doch gut, dass sie ihr eigenes Fehlen nicht zum Anlass nahmen, die Zölibatsforderung zu erleichtern. Sie taten dies nicht einmal in Zeiten, als in manchen Gebieten beinahe der gesamte Klerus im Konkubinat lebte. Auf Zeiten sittlicher Verrohung folgten immer wieder Zeiten, in denen die Tugend einen hohen Stellenwert hatte.

Als Geistlicher hat man die Pflicht, sich auch zu unbequemen Themen klar zu äussern und wenn nötig auch jene Haltung einzunehmen, welche nicht den grossen Applaus ernten lässt. Ist diese Bereitschaft sichtlich nicht vorhanden, so stellt dies auch in anderen Belangen dessen Aussagen und Stellungnahmen in Frage, denn es bleibt stets der Zweifel, ob er etwas sagt weil es der Wahrheit entspricht, oder weil es von ihm erwartet wird. In diesem Fall verliert er aber auch seine Autorität, und letztlich wird durch ihn auch die Kirche selbst als unglaubwürdig wahrgenommen, weil sie sich von den medialen Erwartungen konditionieren lässt und nicht von der Wahrheit des Glaubens.

Auf die immer gleichen Fragen der Journalisten zu antworten hat letztlich nur dann Sinn, wenn man diese Gelegenheit nutzt, um die immer wieder kolportierten Fehler und Vorurteile zu widerlegen. Noch immer wiederholt man stereotyp den Irrtum, der Zölibat sei im Mittelalter eingeführt worden, um die kirchlichen Pfründe nicht durch Erbschaften und Nachlässe zu verlieren. Doch schon lange liegen solide Forschungsergebnisse vor, welche die Anfänge des Zölibates in die früheste Zeit der Kirche zurückdatieren. Die Gelegenheit eines Interviews könnte man nutzen, um den Erkenntnissen zu einem weiteren Bekanntheitsgrad zu verhelfen, anstatt nur an der Oberfläche der Frage zu bleiben.

Ähnliches gilt für die verschiedentlichen Unterstellungen, die den zölibatär lebenden Priestern und Ordensgeistlichen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit sexueller Anomalien wie Homosexualität oder Pädophilie unterstellen. Auch hier müsste sich die Kirche viel stärker als bisher gegen die medialen Kolportierungen zu Wehr setzen um nicht vollkommen zum Freiwild zu werden. Vermittelt man ständig den Eindruck, dass man selbst nicht ganz überzeugt von der eigenen Lebensweise ist, so stellt man indirekt – zumindest nach aussen hin – noch viel mehr in Frage, und lässt letztlich auch die generelle Sinnfrage offen. Denn wenn plötzlich Christus nicht mehr als Sinn für ein eheloses Leben ausreicht, dann muss die Kirche selbst in eine Glaubenskrise getreten sein. Die eigene Existenz als Geistlicher wird letztlich in Frage gestellt, zumindest wird dies indirekt signalisiert. Doch eine Kirche, welche selbst nicht mehr glaubt was sie theoretisch noch verkündet, wird die Menschen von ihr verständlicherweise wegtreiben. Man breitet so ein weites Segel aus, das eine grosse Angriffsfläche bietet. Die Kirche gleicht dadurch immer mehr einem Reich das in sich selbst gespalten ist, weil die Zentrifugalkräfte sie in alle Richtungen zerren.

Dies trifft auch viele Priester in direkter Weise: man möchte ihnen oft vermitteln, dass sie für eine Institution arbeiten, welche selbst nicht mehr glaubt was sie sagt. Deren Zentrum, Christus, scheint nicht mehr Kraft genug zu haben, die zu einem ehelosen Leben motiviert. Ein Leben ganz für Christus und seine Kirche scheint von der Kirche selbst ins Absurde abgedrängt, ohne es vielleicht noch zugeben zu wollen, wenn es an eindeutigen Bekenntnissen zu dem, was auch “typisch Kirche” ist, fehlt. „

“…Denn wenn sogar schon eure Oberen zaudern…”. Dass Priester daraufhin lau werden und Priesternachwuchs auf sich warten lässt ist eine bedauerliche, aber logische und daher absehbare Konsequenz, die vielleicht nicht beabsichtigt ist, aber durch die vermittelte Unsicherheit und Unentschlossenheit von selbst eintritt.

Auch in der Kirche muss man sich an den Gedanken gewöhnen, dass die Gesellschaft im Allgemeinen in ihrem Selbstverständnis und ihren Paradigmen immer weniger kompatibel mit der Kirche ist. Das Denken “der Welt” und jenes der Kirche weisen immer weniger Berührungspunkte auf, ja sie sind einander immer weiter entgegengesetzt.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Kirche ihr Denken und ihre Lebensvollzüge aufgeben oder ändern darf oder soll, sondern sie muss sich viel mehr auf diese Situation einstellen und sich nach innen hin stärken, denn ihr Denken wird mehr und mehr zum Stein des Anstosses werden. Dadurch wird sie dort, wo sie nicht denkt und ist wie die Welt, zunehmlich angegriffen werden. Doch diesen Angriffen darf sie nicht zu entrinnen suchen, indem sie ihr Denken an säkular-heidnisches Denken anpasst, sondern sie muss diesen Herausforderungen durch ein starkes, selbstbewusstes Auftreten und logisch stringente Argumentation begegnen. Sonst wird sie in weiten Teilen untergehen weil sie von Kirche zur Nicht-Kirche werden, weil sie nicht mehr in der absoluten Verbindung mit Gott stehen. Wir sind mitten in diesem Schrumpfungsprozess, der durch ein ständiges Nachgeben und Anpassen des Denkens der Geistlichen an den Geist der Welt angetrieben wird.

Es ist ein gewaltiger Irrtum zu meinen, das eigene Überleben und die eigene Akzeptanz stärken zu können, indem man nach und nach dort nachgibt und es schliesslich aufgibt, was aufzugeben und zu ändern gefordert wird. Dies führt nur zu einer Selbstzersetzung, denn die Welt ist der Kirche in weiten Teilen feindlich gesinnt und wird erst dann zufrieden sein, wenn die Kirche völlig zur Welt geworden ist. Die Welt ist dabei nicht etwas in sich Schlechtes, aber sie ist etwas anderes als der sakrale Bereich der Kirche. Diesen verweltlichen zu wollen würde letztlich bedeuten, das Sakrale auszurotten: es darf Gott nicht mehr geben, schon gar nicht darf er in seiner Schöpfung präsent sein. Aus diesem Grund ist vielen auch eine sakral geprägte Liturgie ein Dorn im Auge, eine vom Wahren und Heiligen geprägte Kirchenkultur, und eine vollkommene Ausrichtung und Ganzhingabe an Christus und seine Kirche, wie sie im heiligen Zölibat seinen besonderen Ausdruck findet, der im Diesseits auf den jenseitigen Zustand aller verweist, in welchem es keine Ehe mehr geben wird.

Bei der Antwort auf die ewige Zölibatsfrage geht es um weitaus mehr als nur um einen “lifestyle” – hier entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit der Kirche, weil diese an einem klaren Bekenntnis ihrer Gläubigen hängt!

Mag. theol. Michael Gurtner ist katholischer Theologe aus der Erzdiözese Salzburg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel