Die Spirale der Gewalt stoppen

Israel trauert

Die Tagespost, 02. Juli 2014, von Oliver Maksan

Israel trauert. Die Ermordung der drei entführten Jugendlichen hat eine Nation über alle Grenzen hinweg zusammengeführt und an den empfindlichsten Nerv der Juden gerührt: das Trauma, Opfer zu sein und es immer wieder werden zu können. Viele Israelis glauben, dass die Welt nach der Entführung nur unzureichend Mitgefühl gezeigt hat. Tatsächlich hat die Tatsache, dass die jungen Männer ideologisch motivierten Siedlerfamilien entstammen, wohl dafür gesorgt, dass sich die internationale Anteilnahme in Grenzen hielt. Das mag jetzt nach ihrem Tod anders geworden sein.

Doch das verbreitete Gefühl, allein zu stehen, und der Zorn über das Verbrechen an sich lassen in Israel jetzt den Ruf nach schneller Vergeltung laut werden. Doch so verständlich die Wut und so berechtigt es ist, die Täter zu bestrafen: Israel darf keine Spirale der Gewalt in Gang setzen. Dafür ist die Situation in den besetzten Gebieten zu angespannt, nachdem sich die Palästinenser durch die Umstände der Suchaktion kollektiv bestraft sahen. Auch das regionale Panorama mit seinen an allen Ecken Feuer legenden Islamisten rät zur Zurückhaltung. Vergeltungsaktionen müssen verhältnismässig sein und die möglichen Folge bedenken.

Man darf Israels Premier Netanjahu dabei die Empörung und Trauer über das Verbrechen abnehmen. Offensichtlich ist aber, dass ihm Entführung und Ermordung politisch genutzt haben und er gewillt ist, weiter Kapital daraus zu schlagen. Aber reine Vergeltungslogik greift zu kurz. Sicher, Terroristen und ihre Infrastruktur muss man unschädlich machen. Aber das ist nur der kurzfristige Teil der Strategie. Langfristig ist der Sicherheit Israels am besten gedient, wenn es seinerseits – Stichwort Siedlungsbau – alles unterlässt, was es politisch und moralisch angreifbar macht. Vor allem aber muss es den moderaten palästinensischen Kräften helfen, glaubwürdig die bessere Alternative zum Terror zu sein. Man würde den Mördern der Jugendlichen einen zu grossen Sieg gönnen, würde ihre Tat die verständigungswilligen Kräfte auf allen Seiten isolieren.

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