Das Weinen Gottes

Franziskus-Perle des Tages

Die Gnade, zu Gott aus ganzem Herzen ‘Vater!‘ sagen zu können. Gott verleugnet seine Kinder nie. Der Vater kann sich selbst nicht ohne den Sohn verstehen. Von Armin Schwibach

Rom, kath.net/as, 4. Februar 2014

Zwei Vätergestalten standen im Mittelpunkt der Betrachtungen von Papst Franziskus in seiner Predigt am Dienstag der vierten Woche im Jahreskreis im vatikanischen Gästehaus “Domus Sanctae Marthae“: der König David, der den Tod seines Sohnes Abschalom beweint (2 Sam 18,6.9-10.14b.24-25a.30 – 19, 3) und der Synagogenvorsteher Jaïrus, der Jesus um die Heilung seiner Tochter bittet (Mk 5,21-43).

Der Papst erklärte die Tränen Davids, nachdem er vom Tod seines rebellischen Sohnes erfahren hatte, obwohl dieser gegen ihn gekämpft hatte, um an dessen Stelle als König zu treten. Trotz des Siegs des Heeres Davids habe dieser kein Interesse daran, da er den Sohn erwartet habe: “Ihn interessierte nur der Sohn! Er war König, er war das Oberhaupt des Landes, doch er war Vater! Als ihn nun die Nachricht vom Ende seines Sohnes erreichte, zuckte er zusammen: er stieg in den oberen Raum des Tores hinauf… und weinte“ (vgl. 2 Sam 19,1):

“Während er hinaufging, rief er: ‘Mein Sohn Abschalom, mein Sohn, mein Sohn Abschalom! Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben, Abschalom, mein Sohn, mein Sohn!‘ Das ist das Herz eines Vaters, der nie seinen Sohn verleugnet. ‘Er ist ein Räuber. Er ist ein Feind. Doch er ist mein Sohn!‘ Und er verleugnet die Vaterschaft nicht: er weinte… Zweimal weinte David eines Sohnes wegen: hier und das andere Mal, als der aus dem Ehebruch geborene Sohn im Sterben lag. Auch damals hat er gefastet und Busse getan, um das Leben des Sohnes zu retten. Er war Vater!“.

Der andere Vater sei der Synagogenvorsteher, eine wichtige Person, die sich jedoch angesichts der Krankheit der Tochter nicht schämt, sich Jesus zu Füssen zu werfen und ihn um Hilfe anzuflehen: “Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt“ (Mk 5,23). Er schäme sich nicht, er denke nicht daran, was die anderen sagen könnten, denn: “Er ist Vater!“. David und Jaïrus “sind zwei Väter“.

“Für sie“, so Franziskus, “ist das Wichtigste der Sohn, die Tochter! Da gibt es nichts anderes. Einzig das ist wichtig! Dies lässt uns an das Erste denken, was wir zu Gott im Glaubensbekenntnis sagen: ‘Ich glaube an Gott, den Vater…‘. Es lässt uns an die Vaterschaft Gottes denken. Doch Gott ist so. Gott ist so mit uns! ‘Aber Pater, Gott weint doch nicht!‘ Aber ja! Erinnern wir uns an Jesus, als er beim Blick auf Jerusalem weinte. ‘Jerusalem, Jerusalem… wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt‘ (Mt 23,37). Gott weint! Jesus hat um uns geweint! Und jenes Weinen Jesu ist die Gestalt des Weinens des Vaters, der uns alle bei sich will“.

In den schwierigen Augenblicken “antwortet der Vater. Erinnern wir uns an Isaak, als er mit Abraham geht, um das Opfer zu bereiten: Isaak war nicht dumm, er hatte es gemerkt, dass sie das Holz, das Feuer mit sich brachten, nicht jedoch das Opferlamm. Er hatte grosse Angst im Herzen! Und was sagt er? ‘Vater!‘ Und Abraham antwortete sogleich: ‘Ja, mein Sohn!‘ (vgl. Gen 22,7). Der Vater antwortete“. So sage auch Jesus im Garten Gethsemane mit jener Angst im Herzen: “Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Und es erschienen die Engel und gaben ihm neue Kraft (vgl. Lk 22,42-43)“.

“So ist unser Gott“, betonte der Papst: “er ist Vater! Er ist so ein Vater!“. Ein Vater wie jener, der den verlorenen Sohn erwarte, der mit dem ganzen Geld, mit dem ganzen Erbe fortgegangen sei. Doch der Vater habe ihn alle Tage erwartet und ihn aus der Ferne gesehen: “Das ist unser Gott, und unsere Vaterschaft — die der Familienväter wie jene geistliche Vaterschaft der Bischöfe und Priester — muss wie diese sein. Der Vater besitzt gleichsam eine Salbung, die ihm vom Sohn her zukommt: er kann sich selbst nicht ohne den Sohn verstehen! Und deswegen braucht er den Sohn: er erwartet ihn, er liebt ihn, er sucht ihn, er vergibt ihm, er will ihn nahe bei sich, so nahe, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel“.

“Heute wollen wir mit diesen beiden Bildern nachhause gehen“, so Franziskus abschliessend: “David, der weint, und der andere, der Synagogenvorsteher, der sich Jesus zu Füssen wirft, ohne Angst davor zu haben, zur Schande und von den anderen verlacht zu werden. Auf dem Spiel standen ihre Kinder: der Sohn und die Tochter. Und mit diesen beiden Bildern vor Augen sagen wir: ‘Ich glaube an Gott, den Vater…‘ Und wir wollen den Heiligen Geist bitten — denn er allein, der Heilige Geist vermag dies —, dass er uns lehre zu sagen: ‘Abba, Vater!‘ Das ist eine Gnade! Zu Gott aus ganzem Herzen ‘Vater‘ sagen zu können — das ist eine Gnade des Heiligen Geistes. Bitten wir ihn um sie!“.

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