“Aufschrei der Menschlichkeit”

Scharfe Kritik aus Politik und Kirche

Scharfe Kritik aus Politik und Kirche an der Entscheidung des belgischen Parlaments, aktive Sterbehilfe auf Kinder auszuweiten.

Berlin/Bonn, DT/kks/KNA, 14. Februar 2014

Vertreter von Politik und Kirche haben die Entscheidung des belgischen Parlaments für eine Ausweitung der aktiven Sterbehilfe auf Kinder scharf kritisiert. Eine gesellschaftliche “Bankrotterklärung” nannte der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand, der in der Unionsfraktion die Diskussion über ein Sterbehilfe-Verbot koordiniert, die Entscheidung gegenüber der “Welt” (Freitag).“Eine Gesellschaft, die im Ergebnis das Töten sogar der eigenen Kinder legalisiert, hätte Bankrott erklärt und wäre auf der kippenden Bahn.” Der Wert des Lebens werde heruntergeschraubt, und an die Stelle von Ausdauer, Mitleiden und Hilfe träte die Kapitulation. Wenn Menschen die Lösung zunehmend in der Kapitulation sähen und statt menschlicher Hilfe die technische Assistenz zum Suizid setzten, dann gehe es “an den Kern der Menschlichkeit an sich”, so Brand. Die Debatte “um die Abwertung des Lebens und die Aufwertung von Tötung” lasse ihn “grausen in Erwartung der nächsten Schritte, die da kommen für Ältere, zur Last fallende und schwer depressive Menschen”. Er hoffe daher, so der Abgeordnete, dass es nach der belgischen Entscheidung “einen Aufschrei der Menschlichkeit und keine kalte Kenntnisnahme dieser belgischen Besonderheiten” gebe. Deutschland habe “eine ganz sicher besondere Verantwortung, solch unverantwortlichen Entscheidungen entgegenzutreten.”

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sprach von einem “verantwortungslosen Tabu-Bruch”. In Deutschland dürfe es eine solche Entwicklung nicht geben. Huml plädierte für eine klare Absage an eine aktive Sterbehilfe auch bei Erwachsenen. Stattdessen müssten Hospizversorgung und Palliativmedizin ausgebaut werden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe sagte, das Beispiel Belgiens zeige, “wie eine vermeintlich eng begrenzte Legalisierung aktiver Sterbehilfe innerhalb weniger Jahre auf eine schiefe Ebene immer weitergehender Patiententötungen führt”. Entgegen den Beteuerungen der Befürworter, Sterbehilfe nur für tödlich erkrankte, unerträglich leidende Erwachsene zuzulassen, sei es in Belgien Schritt für Schritt zu Ausweitungen gekommen, kritisierte Hüppe. Dies müsse in Deutschland auch in der Debatte um organisierte Beihilfe zur Selbsttötung beachtet werden.

Belgiens Abgeordnetenkammer hatte am Donnerstag dem umstrittenen Gesetz zur Sterbehilfe für Minderjährige zugestimmt. Damit sollen auch unheilbar kranke Kinder aktive Sterbehilfe bekommen können, wenn sie das ausdrücklich verlangen und zu einer Einschätzung in der Lage sind. Zudem muss der Wunsch des Kindes durch mehrere Experten bestätigt werden; auch die Eltern müssen der Entscheidung zustimmen.

Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, Mitglied im Deutschen Ethikrat, sprach am Freitag von einem “ungeheuren Einbruch in die Kultur des Lebens mitten auf europäischem Boden”. Die christliche Aufgabe müsse darin bestehen, nicht Hilfe beim Sterben, sondern Hilfe zum Leben bereitzustellen. “Es geht um die letzte, vielleicht wichtigste Lebensphase, die ein Mensch in freiheitlicher und liebevoll begleiteter Umgebung verbringen können soll”, betonte der Weihbischof.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte einen massiven Ausbau der Palliativmedizin. “Die Palliativmedizin in Verbindung mit der Hospizbegleitung muss von der heutigen Randexistenz in das Zentrum der Gesundheitspolitik kommen”, sagte ZdK-Präsident Alois Glück in Bonn. Glück appellierte an die Bundestagsparteien, nicht nur fraktionsübergreifend die notwendigen gesetzlichen Regelungen für ein Verbot der organisierten Sterbehilfe zu beschliessen, sondern ebenso den Ausbau der Palliativmedizin. Nur so könne auf die in Umfragen hohe Zustimmung zur aktiven Sterbehilfe reagiert werden.

Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) verurteilte das neue belgische Gesetz als “skandalös” und als “Entscheidung gegen die Schwächsten in der Gesellschaft”. Sie widerspreche “jeglicher Vorstellung von Mitmenschlichkeit”, sagte DHPV-Geschäftsführer Benno Bolze in Berlin: “Gerade Kinder brauchen einen besonderen Schutz, wenn sie krank sind. Die Tötung eines Kindes kann hier niemals die Lösung sein.” Der Deutsche Kinderhospiz-Verein erklärte, gerade die Hospizarbeit für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zeige, wie lebensverkürzend erkrankte Menschen solidarisch und in mitmenschlicher Weise begleitet werden könnten. Und die Erfolge der Palliativmedizin belegten, wie man dieses Leben schmerzfrei gestalten könne.

Die katholischen Bischöfe Belgiens reagierten besorgt und enttäuscht auf das Abstimmungsergebnis des Parlaments. Das Gesetz stelle die Basis des menschlichen Zusammenlebens infrage. In einer am Freitag verbreiteten Erklärung äussern die Bischöfe die Befürchtung, “dass dieses neue Gesetz einer baldigen Ausweitung auf Behinderte, Demenzkranke, psychisch Kranke, ja sogar auf Lebensmüde Tür und Tor öffnet.”

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