Wieder Bomben zum Fest
Es klingt brutal, ist aber traurige Realität
Die Tagespost, 27. Dezember 2013, von Markus Reder
Es klingt brutal, ist aber traurige Realität: Dass an Weihnachten das Blut von Christen fliesst, gehört inzwischen zu den schmerzlichen Begleiterscheinungen des Geburtsfestes Jesu. In bitterer Regelmässigkeit mischt sich in die Festtagsfreude die Nachricht von Anschlägen, die Christen das Leben gekostet haben. In diesem Jahr kamen die Meldungen aus dem Irak. Bei zwei Attentaten in einem von Christen bewohnten Viertel im Süden von Bagdad wurden am Weihnachtstag mindestens 38 Menschen getötet und rund 70 weitere verletzt. Durch eine Autobombe nahe einer katholischen Kirche starben 27 Personen, 56 erlitten Verwundungen. Zuvor detonierte auf einem Markt ein weiterer Sprengsatz. Dabei kamen elf Personen ums Leben, 14 wurden verletzt. Den Berichten zufolge explodierte die Bombe bei der Kirche in einem geparkten Wagen, als Gottesdienstbesucher die Weihnachtsmesse verliessen.
Es ist müssig darüber zu diskutieren, ob dieses Blutvergiessen tatsächlich gezielt antichristlichen Hintergrund hatte. Bagdads Weihbischofs Shlemon Warduni meint, das sei nicht unbedingt der Fall. “Ich sage nicht, dass der Anschlag gegen Christen oder gegen Weihnachten gerichtet war. Er geschah am Weihnachtstag, aber nicht, weil gerade Weihnachten ist”, sagte der chaldäische Weihbischof in Bagdad gegenüber Radio Vatikan. Warduni verwahrte sich dagegen, einen solchen Zusammenhang zu konstruieren. Man dürfe die Dinge nicht vermischen; im Irak gebe es immer wieder Bombenanschläge, und sie hätten unterschiedliche Motive. Die Christen erführen in diesen Tagen viel Anteilnahme, sagte Warduni. Die Situation der Christen unterscheide sich nicht von der anderer Bürger im Irak.
Wer im Laufe des Jahres Gelegenheit hatte, bei ausgeschaltetem Mikrofon mit Vertretern der christlichen Minderheit im Irak zu sprechen, tut sich nicht schwer damit, aus der betont differenzierten Stellungnahme des Weihbischofs das Bemühen um Deeskalation, die Sorge um den Schutz der Christen und um die Zukunft der Kirche im Land herauszuhören. Es trifft zu, dass auch viele Muslime aus Angst vor Terror und Morden den Irak verlassen. Erst kürzlich haben Anschläge auf Schiiten zahlreiche Todesopfer gefordert. Unbestreitbar ist aber der Exodus der Christen. Heute leben im Irak geschätzt nur noch rund 400 000 Christen neben einer rein muslimischen Bevölkerung. Rund zwei Drittel der Christen haben seit Beginn des Irak-Krieges das Land verlassen. Die Gründe dafür sind offensichtlich. Christen fliehen nicht nur wegen des Blutzolls nach Attentaten auf Kirchen. Sie verlassen das Land aufgrund von Repressalien, Schikanen, Entführungen und zunehmender Diskriminierung. Die Sorge, dass christliches Leben in diesem urbiblischen Land vollständig ausstirbt, ist an diesem Weihnachtsfest mit den neuerlichen Anschlägen noch grösser geworden.
Mit deutlichen Worten haben Papst Franziskus und zahlreiche Bischöfe während der Feiertage auf die Leiden der verfolgten und diskriminierten Christen in vielen Ländern der Welt hingewiesen. Mit Nachdruck haben sie ein Ende von Gewalt und Unterdrückung gefordert und zu Solidarität und Gebet aufgerufen. Der Terror im Irak wirkt da wie ein dramatisches Echo: Seht her, die Not ist gross! Krippenholz wird Kreuzesholz: Das war die Erfahrung der Christen von Anfang an. Das ist sie auch heute. Aber in diesem Kreuz liegt Hoffnung. Eine Hoffnung, die selbst Bomben und Tod überdauert. Weihnachten ist kein süssliches Fest. Nicht von ungefähr feiert die Kirche am zweiten Weihnachtstag das Fest des ersten Märtyrers Stephanus. Weihnachten ist der Ernstfall des Glaubens. Jeder neue Märtyrer erinnert uns daran.
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