Zar Putin und der Papst

Russlands Orthodoxie will von einem Besuch des Papstes weiter nichts wissen

Die Tagespost, 27, November 2013, von Stephan Baier

Das Verhältnis zwischen Moskau und dem Westen ist atmosphärisch heute so schlecht wie seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr. In Washington und Brüssel ist man über den politischen und ökonomischen Druck Russlands auf mehrere seiner Nachbarstaaten verstimmt, aber auch über die Konsequenz, mit der Putin dem Assad-Regime in Syrien die Treue hält. Angesichts des autokratischen Stils von Präsident Wladimir Putin im Umgang mit politischen Konkurrenten, oppositionellen Stimmen und der Wirtschaft des eigenen Landes würde kaum ein westlicher Politiker heute von Russlands Präsident als “lupenreinem Demokraten” sprechen, wie dies einst Kanzler Gerhard Schröder tat.

Einen Kontrast zu dieser west-östlichen Eiszeit bildet das russisch-vatikanische Verhältnis. Im Vatikan registriert man sensibel, dass die russische Regierung den Beitrag des christlichen Glaubens zur Genesung der Gesellschaft wertschätzt, dass Werbung für Abtreibungen verboten und Blasphemie unter Strafe gestellt wurde. Kein Wunder also, dass der Vatikan die Begegnung des russischen Präsidenten mit Papst Franziskus am Montag als “herzlich” beschrieb.

Wladimir Putin traf 2000 und 2003 mit Johannes Paul II., 2007 mit Benedikt XVI. zusammen. Dass er Franziskus nun eine Kopie der Ikone der Muttergottes von Wladimir aus dem 11. Jahrhundert mitbrachte, zeigt diplomatisches Geschick. Dass er sich in Anwesenheit des Papstes bekreuzigte und die Ikone küsste, unterstreicht das orthodoxe Selbstbild des getauften Christen und einstigen KGB-Offiziers. Interessanter ist, wo Putin und der Papst im halbstündigen Gespräch gemeinsame Interessen fanden: Beide werben für eine Friedensinitiative für Syrien unter Berücksichtigung der ethnischen und religiösen Minderheiten. Beiden ist der Schutz verfolgter Christen ein Anliegen. Moskau wolle mit dem Heiligen Stuhl bei der “Verteidigung traditioneller christlicher Werte” und für die “Steigerung der moralischen Komponente in den internationalen Beziehungen” enger zusammenarbeiten, sagte Putin am Dienstag.

Nicht verlautbart wurde, ob auch die Krankheitssymptome der russischen Gesellschaft Thema waren: die horrenden Abtreibungszahlen und hohen Scheidungsraten, der Massen-Alkoholismus als Volkskrankheit, die Korruption und das Versagen des Staates in den meisten sozialen Fragen.

Klargestellt wurde nach Putins Visite dagegen, dass der Präsident den Papst nicht zu einem Besuch nach Russland einlud. Das aber liegt nicht an mangelnder Wertschätzung der russischen Politik für die Person des Papstes oder für das Wirken des Heiligen Stuhls, sondern an der Gemengelage zwischen Kirche und Staat in Russland. Die russische Orthodoxie leistet noch immer Widerstand gegen einen Papstbesuch in dem Land, das sie für ihr “kanonisches Territorium” hält. Johannes Paul II. konnte die Versöhnung mit vielen orthodoxen Kirchen vorantreiben, doch in Moskau biss er auf Granit. Neben den Ressentiments, die in Russlands Orthodoxie gegen die katholischen Polen gepflegt werden, verzieh das Moskauer Patriarchat dem polnischen Papst nicht, dass er 2002 vier Diözesen in Russland errichtete. “Proselytismus”, lautete der Vorwurf. Bereits 1999 hatte Johannes Paul II. das politische wie das kirchliche Moskau verärgert, als er die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine vor dem Erlöschen rettete. Die “Unierten” jedoch waren der orthodoxen Hierarchie nicht minder verhasst als den Kommunisten.

Trotz aller Wertschätzung, die Benedikt XVI. in der orthodoxen Welt erfuhr, und trotz aller Kontakte des zuständigen Kurienkardinals Kurt Koch mit Aussenamtschef Hilarion hat sich die Position des Moskauer Patriarchats kaum verändert. So stellte ein Erzpriester des russisch-orthodoxen Aussenamtes nach Putins vatikanischer Visite umgehend klar, dass es für ein Treffen von Patriarch Kyrill mit Papst Franziskus bislang “keinerlei Voraussetzungen und Bedingungen” gebe. Und die “Probleme des orthodox-katholischen Dialogs” seien nicht Sache Putins, sondern “innere Angelegenheit der Kirchen”. Trotz der demonstrativen Symphonie zwischen Kirchen- und Staatsführung in Russland, trotz aller öffentlichen Segnungen und Lobreden des Patriarchen für den Präsidenten wird Putin sich damit abfinden müssen: Ob und wann ein Papst Russland besucht, bestimmt der Patriarch, nicht das Staatsoberhaupt.

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