Reist Franziskus nach Jerusalem und Istanbul?

Bartholomaios lud den Papst zu ökumenischen Pilgerfahrten in die Heimat Jesu und der Apostel ein

Papst Paul VI. xpRom, DT, 22. März 2013, von Stephan Baier

Zu zwei Reisen hat der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., den Papst in einer Unterredung am Mittwochnachmittag eingeladen – und Franziskus soll spontan eingewilligt haben: nach Jerusalem und nach Istanbul. Das berichtete die vatikannahe Nachrichtenagentur “Asia News” am Donnerstag.

“Die beiden werden ins Heilige Land reisen, um an den 50. Jahrestagen der Umarmung zwischen Athenagoras und Papst Paul VI. zu erinnern”, schreibt auf “Asia News” ein christlicher Journalist aus Istanbul unter dem Pseudonym “Nat de Polis”.

Patriarch Bartholomaios, der als Nachfolger des Apostels Andreas als das Ehrenoberhaupt der weltweiten Orthodoxie gilt, wolle mit dieser gemeinsamen Reise der Begegnung der beiden Pioniere des orthodox-katholischen Dialoges gedenken. Vatikansprecher Federico Lombardi bestätigt gegenüber der “Tagespost”, dass Papst und Patriarch darüber gesprochen haben, meint aber, es sei zu früh, bereits über internationale Reisen des Papstes zu sprechen. Er könne darum weder eine Bestätigung für die Reisen geben noch Details nennen.

Tatsächlich war Paul VI. der erste Petrus-Nachfolger, der als amtierender Papst das Heilige Land bereiste. Im griechisch-orthodoxen Patriarchat von Jerusalem traf er am 5. Januar 1964 mit dem Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras I., zusammen und überreichte ihm dabei Reliquien des Apostels Andreas, die über Jahrhunderte im Petersdom aufbewahrt worden waren. Am 25. Juli 1967 schliesslich besuchte Paul VI. den Ökumenischen Patriarchen in seinem Amts- und Wohnsitz im Phanar in Istanbul. Auch wenn bei päpstlichen Auslandsreisen zwischen einer Willensäusserung des Papstes und einer offiziellen Bestätigung des Vatikan üblicherweise Monate ins Land gehen: Sollte Papst Franziskus beiden Ideen von Bartholomaios folgen und tatsächlich Anfang 2014 nach Jerusalem sowie zum Andreas-Fest am 30. November nach Istanbul reisen, so würde er damit in der Kontinuität Papst Pauls VI. stehen. Ebenso aber auch in jener seiner beiden Vorgänger, des seligen Johannes Paul II. und Benedikt XVI.

Johannes Paul II. begann im März 2000 seine Heilig-Land-Reise allerdings nicht in Jerusalem, sondern – ebenso wie neun Jahre später Benedikt XVI. – in Jordanien. Beide Papstbesuche waren nämlich einerseits Pilgerfahrten zu den Stätten der Geburt, des Wirkens, des Leidens und Auferstehens Jesu, doch zugleich auch grosse ökumenische und interreligiöse Begegnungen – und angesichts der stets explosiven Stimmungslage in der Region auch politische Drahtseilakte. So sprach Papst Johannes Paul II. bereits in Amman von der Hoffnung, “dass mein Besuch den schon jetzt fruchtbaren christlich-muslimischen Dialog weiter festigt”. Und Benedikt XVI. hielt hier sogar einen Vortrag in der Staatsmoschee Jordaniens. Beide Päpste intonierten im Heiligen Land die Themen des Friedens, der Gerechtigkeit und der Menschenwürde. Beide wandten sich zugleich dem Judentum und dem Islam, wie den in viele Konfessionen und Ritengemeinschaften zerklüfteten Christentum im Heiligen Land zu. Für einen Papstbesuch in Jerusalem Anfang kommenden Jahres spricht aber nicht nur der 50. Jahrestag der historischen Begegnung von Paul VI. mit Athenagoras. Mit einer solchen Reise könnte der Papst aus dem fernen Argentinien zeigen, dass ihm die Länder der Bibel, der Frieden in der Heimat der Apostel und das Schicksal der bedrängten Christen in dieser Region nicht weniger wichtig sind als dem aus Bayern stammenden Benedikt XVI. und dem aus Polen kommenden Johannes Paul II. Beide konnten mit ihren zahlreichen Appellen gegen Hass und Gewalt wie mit ihrer Heilig-Land-Reise die politischen Prozesse in Nahost nicht umkehren, doch gaben sie dem Christentum gegenüber den politischen Mächten wie gegenüber dem zunehmend politisierten Islam eine eigene Stimme und ein Gesicht. Daran rasch anzuknüpfen könnte für Papst Franziskus sinnvoll, für die bedrängten Christen im Heiligen Land aber notwendig sein. Dazu kommt, dass Benedikt XVI. durch die Nahost-Synode und durch eine Reihe kluger Personalentscheidungen den kirchlichen Boden im Orient gut bestellt hat.

Bei beiden von Bartholomaios vorgeschlagenen Reisen würde Papst Franziskus erstmals nicht einfach einzelnen Muslimen, sondern der Welt des Islam begegnen. Das wäre für ihn Neuland, doch gerade angesichts der Meilensteine, die seine beiden Vorgänger im christlich-islamischen Dialog gesetzt haben, wäre es eine Herausforderung mit hoher Messlatte. Das gilt für die Begegnung mit dem arabischen Islam im Heiligen Land, verschärft durch die ungelöste Problematik der Palästinenser, aber auch für den ganz anders gelagerten türkischen Islam in einer verfassungsrechtlich säkularen, aber im politischen Wandel befindlichen Türkei.

Nicht wiederholen sollte der Vatikan einen diplomatischen Fehler von 2005. Damals nahm Rom die herzliche Einladung des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel in den Istanbuler Phanar schnell und euphorisch an, ohne auf eine offizielle Einladung des türkischen Staates zu warten. Dieser diplomatische Fauxpas kostete ein ganzes Jahr, sodass Benedikt XVI. erst zum Andreas-Fest im November 2006 nach Ankara und Istanbul reisen konnte. Dann aber wurde seine Türkei-Reise – trotz seiner vorausgegangenen, fahrlässig missinterpretierten Regensburger Rede – zum Triumph. Am Ende jubelten die kemalistischen ebenso wie die islamischen Kreise in der Türkei, und Benedikt XVI. hatte mit Bartholomaios einen Freund und Partner gewonnen.

An diesen Erfolg kann Franziskus in der Türkei anschliessen, wenn er nicht nur die Türkei-Reisen seiner Vorgänger Benedikt (2006), Johannes Paul (1979) und Paul VI. (1967) studiert, sondern auch die Biografie Johannes’ XXIII. Angelo Guiseppe Roncalli vertrat nämlich einst als Apostolischer Delegat den Heiligen Stuhl in der türkischen Republik, und hat dabei einen so tiefen Eindruck hinterlassen, dass “Papa Roncalli” bis heute unter den Türken populär ist.

Pilgerfahrt ins Heilige Land:  Papst Paul VI. 1964
Apostolische Reise nach Istanbul: Papst Paul VI. Juli 1967
Päpstliche Reise in die Türkei: Papst Johannes Paul II. 1979
Jubiläumspilgerfahrt ins Heilige Land; Papst Johannes Paul II. 2000
Jubiläumspilgerfahrt zum Berg Sinai: Papst Johannes Paul II. 2000
Apostolische Reise in die Türkei: Papst Benedikt XVI. 2006
Apostolische Reise ins Heilige Land. Papst Benedikt XVI. 2009

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