Syrien: Kann Den Haag helfen?
Der Konflikt in Syrien zwischen der Armee und Oppositionsmilizen geht unverändert gewalttätig weiter
Auch wenn die Schlagzeilen der grossen Tagesmedien mittlerweile von anderen Themen bestimmt werden. Die Hauptstadt Damaskus rückt immer mehr ins Zentrum der Kampfhandlungen, erst an diesem Donnerstagvormittag wurde eine Explosion in einer Armeekaserne am Stadtrand registriert, während am Abend davor eine Serie von Explosionen verschiedene Zonen der Stadt erschüttert hat und der Kampf um die Besetzung des Flughafens kurz vor der finalen Schlacht zu stehen scheint. Das syrische Regime rüstet auf und geht mittlerweile mit Scudraketen gegen die Rebellen vor. Unterdessen haben Vertreter aus 130 Ländern bei einem Treffen in Marrakesch an diesem Mittwoch das syrische Oppositionsbündnis als legitime Vertretung des Landes anerkannt.
In ihrer Erklärung warnten sie Assad ausdrücklich davor, chemische Waffen einzusetzen. Doch von einem Einsatz, der über die formale Anerkennung hinausgeht, ist bislang noch keine Spur, und viele fragen sich, warum nicht zumindest der Internationale Strafgerichtshof die Urheber von über 40.000 Toten und Millionen von Vertriebenen zur Verantwortung ziehen kann. Der Vizepräsident des Gerichtshofes, Cuno Tarfusser, nimmt dazu im Radio Vatikan Interview Stellung:
“Die Situation Syriens ist eine dramatische, unter der ich natürlich, wie alle, als Mensch und Bürger leide. Als Richter des Gerichtshofes muss ich jedoch die Regeln respektieren und wir haben keine Rechtsbefugnisse in Staaten, die das Statut des Gerichtshofes nicht ratifiziert haben. Das ist in Syrien der Fall. Der einzige Weg, in Syrien Ermittlungen anzustellen, wäre eine Beauftragung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit einer Resolution. Diese Lösung wird jedoch von Beginn der Krise an durch Russland und China blockiert.”
Wie zur Bestätigung dieser Aussage findet sich an diesem Donnerstag ein kritischer Kommentar auf dem Twitteraccount des russischen Parlamentariers Alexej Puschkow, seines Zeichens Vorsitzender der Auslandskommission der Duma: die kürzlich erfolgte Anerkennung des syrischen Oppositionsbündnisses durch 130 Staaten mache “einen Krieg unvermeidlich”, so der Parlamentarier in seinem Tweet, denn offensichtlich gäben die Opposition und die internationale Staatengemeinschaft damit so gut wie jeden Versuch auf, “eine politische Lösung” zu finden.
Richter Tarfusser: “Deshalb kann ich als Richter nichts anderes tun als mit Bedauern diese politische Situation zur Kenntnis zu nehmen, die es uns nicht erlaubt, zu handeln. Als Bürger bin ich entsetzt über das, was geschieht.”
Sicherlich funktioniere der Gerichtshof noch nicht so, wie man es sich wünschen könnte. Ein Beispiel sei die Tatsache, dass Omar al-Bashir, das erste Staatsoberhaupt überhaupt, gegen das gerichtlich vorgegangen werden sollte, trotz eines Mandates immer noch auf freiem Fuss sei und den Sudan regiere. Doch die Entwicklung des Internationalen Strafgerichtshofes, so der Richter, geschehe in langsamen Schritten, so wie alle Vorhaben, die auf internationaler Ebene umgesetzt werden sollen. Dazu brauche es jedenfalls Konsens und den Verzicht auf gewisse Hoheitsrechte.
“Es braucht viele Dinge, die man offensichtlich nicht erlangen kann, indem man einfach einen Schalter umlegt. Schon die Tatsache, dass der Strafgerichtshof existiert, ist eine wunderbare Sache. Vor zehn Jahren hätte keiner darauf gewettet, dass er im Heute besteht und funktioniert, wenn auch noch nicht perfekt. Was al-Bashir betrifft: Solange er das Staatsoberhaupt ist, ist es schwierig, dass jemand ihn verhaftet. Doch ich vertraue darauf, dass es sich nur um eine Zeitfrage handelt. Auch von Charles Taylor hatte man gesagt, dass man ihn niemals fangen werde, und jetzt ist er hingegen verurteilt. Milosevic ist ein anderes Beispiel, niemand hätte gedacht, dass er einmal vor dem Tribunal für Ex-Jugoslawien landen würde, so wie Karadzic, Mladic und andere. Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen langsam, aber gründlich.”
Rom Radio Vatican/agi/ansa 13.12.2012 cs
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