Lebensatem der Liturgie nicht im Abluftkanal des Zeitgeistes suchen
“Wir erwarten spannende Diskussionen über die Frage der Authentizität der Liturgiereform”
Dies sagt Pfarrer Guido Rodheudt im kath.net-Interview über die bevorstehende 15. Kölner Liturgische Tagung. Von Petra Lorleberg
Köln, kath.net/pl, 14. November 2012
“Es gibt offenbar einen nicht länger zu marginalisierenden Bedarf an Information über die grossen liturgischen Traditionen der Kirche.” Dies sagte Dr. Guido Rodheudt, Pfarrer an St. Gertrud-Herzogenrath und Mitveranstalter der 15. Kölner Liturgischen Tagung im kath.net-Interview.
Er erwartet bei der Tagung, die vom 28. November bis 1. Dezember 2012 in Herzogenrath bei Aachen stattfinden wird, “eine spannende Diskussion über die Frage der Authentizität der Liturgiereform”, “zumal wir ja auch zu einem Diskussionsforum erklärte Befürworter und Kritiker der Liturgiereform eingeladen haben”.
kath.net: Hochwürden, möchten Sie uns das Thema der diesjährigen Liturgischen Tagung vorstellen?
Guido Rodheudt: Wir stehen im Jubiläumsjahr, das der Eröffnung des Zweiten Vatikanum vor 50 Jahren gedenkt. Vieles wird in diesen Monaten über das Konzil veranstaltet und geschrieben. Immer ist dabei die Frage obenauf, welches die Absichten der damaligen Bischofsversammlung waren und ob sich alles verwirklicht hat, was damals beabsichtigt wurde. Bezogen auf beide Fragen gibt es unterschiedlichste Antworten.
Da eine der eindrücklichsten und sichtbarsten Veränderungen im Zuge des Konzils die Änderung der Liturgie war, haben wir als liturgische Tagung die Zeitumstände als Steilvorlage genutzt und unsere Veranstaltung unter das Thema gestellt: “50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil und die Liturgiereform. Eine Erneuerung zwischen Anspruch und Wirklichkeit.”
kath.net: Die Einladung zur Tagung benennt die “Erneuerung zwischen Anspruch und Wirklichkeit”: Erwarten Sie eine fruchtbare Auseinandersetzung mit dem Anspruch der Konzilstexte? Muss sich auch die Liturgiereform, wie sie faktisch in der Nachkonzilszeit umgesetzt wurde, kritische Anfragen durch die Konzilstexte gefallen lassen?
Rodheudt: Es ist unsere erklärte Absicht, zu einem redlichen und unverstellten Umgang mit den Konzilstexten zu verhelfen.
Dazu ist es zunächst notwendig, sie in ihrem Wesen nach zu unterscheiden in programmatische von lehramtlichen Texte.
Hier beginnt bereits eine Differenzierung im Hinblick auf den Prüfstand, auf den man die Konzilstexte stellen muss. Umgekehrt ist es, da haben Sie ganz Recht, eine längst überfällige Frage, inwieweit sich die faktischen Veränderungen der Liturgie durch die Liturgiereform, die ja erst im Anschluss des Konzils die Arbeitsaufträge der Bischöfe umzusetzen versuchte, durch eben diese Arbeitsaufträge decken und begründen lassen.
Von daher werden wir in Herzogenrath sicher eine spannende Diskussion über die Frage der Authentizität der Liturgiereform führen, zumal wir ja auch zu einem Diskussionsforum erklärte Befürworter und Kritiker der Liturgiereform eingeladen haben. Auf der Basis der liturgischen Wirklichkeit in der Kirche der Gegenwart werden sie im Gegenüber die Frage erörtern, inwieweit die gegenwärtige Gestalt der Liturgie ein legitimes Kind der Liturgiereform ist oder ob wir dem Willen des Papstes entsprechend eine “Reform der Reform” brauchen, um das zu verwirklichen, was das Konzil beabsichtigte,
kath.net: Ein Vortrag hat zum Thema: “Die Liturgie am Vorabend des Zweiten Vatikanischen Konzils – eine Bestandsaufnahme”. Gab es am Vorabend des II. Vatikanischen Konzils Reformbedarf in der Liturgie?
Rodheudt: Wer das negiert, wäre mit (Betriebs-)Blindheit geschlagen.
Wobei – und hier beginnt bereits eine nötige Differenzierung – man fragen muss, ob die Liturgie als solche reformbedürftig war oder vielmehr in erster Linie ihre Ausführung durch die Liturgen und ihre Rezeption durch die Gläubigen. Es hat sich ja z.B. gezeigt, dass eine blosse Übersetzung der Liturgie in die Landessprache noch keineswegs zu deren tieferen Verständnis beiträgt. Ebensowenig hat der Volksaltar den Menschen einen angemesseneren Vollzug der Hl. Messe ermöglicht.
Die Frage der Reformbedürftigkeit ist deswegen weniger eine akademische Frage als vielmehr eine Frage nach dem Ist-Zustand der Liturgie in den Pfarreien am Vorabend des Konzils. Wäre hier alles gut gewesen, hätten sich sicherlich missbräuchliche Praktiken auch nicht so schnell durchgesetzt.
Insofern lässt sich die Qualität der Reform nicht zuletzt auch an dem messen, was sie für einen authentischen Mitvollzug der Liturgie durch die Gläubigen geleistet hat.
kath.net: Auf Ihrem Programm steht ein aussergewöhnlicher Punkt: Ein Pontifikalamt nach dem Book of Divine Worship mit dem Ordinarius des Ordinariats Our Lady of Walsingham. Was intendieren Sie damit?
Rodheudt: Wir sind eine liturgische Tagung, die nicht zuletzt auch von der in ihrem Rahmen gefeierten Liturgien lebt. Alles andere wäre sonst eher eine Veranstaltung im Trockendock.
Um die Herkunftssicherung liturgischer Formen sichtbar zu realisieren, legen wir grossen Wert auf feierliche Messfeiern im gregorianischen Ritus, dem usus antiquior. Dazu zählen natürlich auch Pontifikalämter, die einen besonderen Akzent bei unseren Veranstaltungen bilden. Nicht zuletzt ist dabei auch für uns eine gute Kirchenmusik unerlässlich. Mit Gregorianischem Choral und mehrstimmiger Chormusik werden die Feiern ja nicht nur dekoriert, sondern wird die Liturgie zum Klingen gebracht. In diesem Jahr freuen wir uns dabei auf altklassische Vokalpolyphonie von Palestrina und Victoria, ausgeführt vom Projektchor der gastgebenden Pfarrei St. Gertrud-Herzogenrath und von der Capella Aquensis, einem prominenten Aachener Konzertchor.
In diesem Zusammenhang war es uns ein Anliegen, einer englischen Liturgie Raum zu geben, die der Heilige Vater den zur katholischen Kirche übergetretenen Anglikanern als eigene Form genehmigt hat. In der Messe nach dem Book of Divine Worship verbinden sich anglikanische und vorreformatorische Formen, die im Zuge der katholisierenden Bewegung im Anglikanismus den Anglikanern Heimat wurden, weswegen der Papst ihnen diese Heimat nach ihrer Konversion auch gelassen hat, sofern in den liturgischen Formen kein reformatorisches Gedankengut vorhanden war.
Ein äusseres Kennzeichen der englischen Liturgie ist grosse Feierlichkeit und würdevolle Musik im Rückgriff auf die grossen liturgischen Traditionen vor der Kirchenspaltung. Damit entspricht die Liturgie, die der Ordinarius der konvertierten Anglikaner, Mgr. Keith Newton, bei uns in Herzogenrath zelebrieren wird, den Ansprüchen einer liturgischen Fortschreibung und gehört von daher unserer Meinung nach in den Rahmen unserer diesjährigen liturgischen Tagung.
kath.net: “Reform der Reform”: Sie schauen jetzt schon auf eine stattliche Reihe liturgischer Tagungen zurück. Welche Quintessenz ziehen Sie daraus, mit welchen Hoffnungen schauen Sie in die Zukunft?
Rodheudt: Die Liturgische Tagung hat sich besonders nach dem Motu Proprio “Summorum Pontificum” des Heiligen Vaters und nach der damit verbunden Entstigmatisierung der Traditionspflege im Raum der Kirche zu einer der namhaften Fachtagungen in Sachen Liturgie im deutschen Sprachraum entwickelt.
Und obwohl wir mit der Wertschätzung der “Alten Messe”, in deren Licht wir ja nach dem Willen des Papstes auch die “Neue Messe” feiern sollen, nicht gerade im Mainstream der deutschen theologischen Landschaft liegen, erfreut sich unsere Veranstaltung steigender Beliebtheit bei Priestern, Diakonen, Seminaristen und Laien.
Es ist jedesmal ein optimaler Querschnitt im Hinblick auf Alter, Stand und Bildungshintergrund, der den Teilnehmerbestand unserer Tagung auszeichnet. Dies freut uns um so mehr, als das Publikum bei liturgisch eher progressiven Veranstaltungen auch weitaus mehr ergraut ist. So nehmen an unserer nächsten dreitägigen Tagung allein 50 Priester teil, von denen lediglich erst fünf im Ruhestand sind.
Auch der Zuspruch namhafter Referenten und prominenter Vertreter des kulturellen Lebens gibt der Tagung ein erweitertes Spektrum, das den lange insgeheim gehegten Vorwurf, wir seien eine ghettoisierte Reservatsveranstaltung längst ad absurdum geführt hat.
Nicht zuletzt findet die Tagung bewusst in einer “normalen” Pfarrei statt, die auch Mitveranstalter ist. Es gibt offenbar einen nicht länger zu marginalisierenden Bedarf an Information über die grossen liturgischen Traditionen der Kirche und an Aufklärung über manches Plagiathafte, das man an ihre Stelle gerückt hat.
Insofern sind wir guter Hoffung, dass die Impulse, die von hier ausgehen, in vielfältiger Weise und durch die unterschiedlichsten Multiplikatoren Frucht tragen werden.
Diese Hoffnung bezieht sich besonders auf die Umsetzung des Wunsches unseres Heiligen Vaters nach einer liturgischen Erneuerung in der Kirche auf der Basis jener Herkunftsgewissheit, die wir Tradition nennen und die in der Liturgie ihre ganze Kraft entfalten kann.
Wer wie ich als Pfarrer in der Seelsorge steht, weiss, dass es hier einen steigenden Bedarf an heiligen Formen und Handlungen gibt, weil die jahrzehntelange Austrocknung der Pfarreien durch die Profanisierung der liturgischen Formen eine Wüste hinterlassen hat, die das wahre Bedürfnis der Menschen nach Gott nicht erfüllen kann.
Hier möchte die Liturgische Tagung eine Prophetin sein, die gegen den etablierten Mainstream davon spricht, dass wir gut beraten sind, wenn wir den Lebensatem der Liturgie nicht im Abluftkanal des Zeitgeistes suchen.
15. Kölner Liturgische Tage
Kath. Pfarrei St.Gertrud Herzogenrath
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