“Hinaus auf die hohe See”
In Rom hat die Bischofssynode zur Neu-Evangelisierung begonnen
Es jähren sich aber auch mit einer runden Zahl der Beginn des Zweiten Vatikanums, die Veröffentlichung des “Katechismus der Katholischen Kirche” und mit der Schlacht an der Milvischen Brücke die Geburtsstunde des christlichen Europas. Von Guido Horst
Grüne Messgewänder, ein roter Aufbau hinter dem päpstlichen Thron. Über zweihundert Bischöfe, darunter fast fünfzig Kardinäle und zahlreiche Patriarchen, insgesamt über vierhundert Konzelebranten, dazu die eingerüsteten Teile der Kolonnaden des Petersplatzes, die ein wenig daran erinnern mögen, dass die Kirche auch immer eine Baustelle ist. Mit einem feierlichen Gottesdienst hat Benedikt XVI. am Sonntag unter einem bedeckten Himmel die römische Bischofssynode eröffnet, die dem Thema der Neuevangelisierung gewidmet ist.
Zu Beginn ein besonderer liturgischer Akt: Der Papst erhebt die deutsche Nonne und Mystikerin Hildegard von Bingen und den spanischen Priester Johannes von Avila zu “Ecclesiae Universalis doctores”, zu Lehrern der universalen Kirche.
Die beiden, so verliest es der Präfekt der Heiligenkongregation, Kardinal Angelo Amato, hätten vor allem “auf Gott gehört”. Und: “Sie haben Gottes Wirken in der Geschichte der Welt in seiner Tiefe wahrgenommen und mit Leidenschaft und Intelligenz neue Horizonte der ewigen, geoffenbarten Schönheit erkundet.” Zwei Frauen verlesen die Biografien der neuen Kirchenlehrer. Die Äbtissin der Benediktinerinnenabtei Sankt Hildegard in Eibingen, Clementia Killewald, stellt die heilige Deutsche vor, die eben dieses Kloster 1165 gegründet hat. Dann erheben sich alle, und Benedikt XVI. spricht – als einziger sitzend – die lateinische Formel zur Proklamation der Kirchenlehrer. Damit ist die Autorin des Visionsbuches “Scivias”, die im zwölften Jahrhundert Kaisern und Klerikern die Stirn bot, die erste Kirchenlehrerin aus Deutschland. Der einzige weitere deutsche Kirchenlehrer ist Albertus Magnus. Die Bischofskonferenzen Deutschlands und Spaniens sind mit 75 Oberhirten vertreten, aus beiden Ländern sind zudem viele Pilger angereist.
Mit diesem feierlichen Gottesdienst auf dem Petersplatz hat am Sonntag die dreizehnte ordentliche Versammlung der römischen Bischofssynode begonnen. Von der Zahl der Teilnehmer her die grösste ihrer Art. Bis zum 28. Oktober beraten um die vierhundert Synodalen, 262 Kardinäle, Patriarchen und Bischöfe sowie 140 Experten, Beobachter und Gäste, was die katholische Kirche heute über “Die Neu-Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens” sagen kann. Erzbischof Nikola Eteroviæ, der Generalsekretär der Bischofssynode, hatte in der vergangenen Woche die Einzelheiten der Grossveranstaltung vorgestellt. Von den teilnehmenden Bischöfen kommen 103 aus Europa, aus Amerika 63, aus Afrika 50, aus Asien 39 und aus Ozeanien sieben. Nicht alle Teilnehmer der Synode sind katholisch. “An den Arbeiten”, so erklärte der Generalsekretär der Versammlung, “werden auch brüderliche Delegierte teilnehmen, die fünfzehn Kirchen und kirchliche Gemeinschaften vertreten, welche noch nicht in voller Einheit mit der katholischen Kirche stehen. In dieser Hinsicht ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass auch der anglikanische Primas, Erzbischof Rowan Williams von Canterbury, im Laufe der Synode das Wort ergreifen wird. Ausserdem hat der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., seine Teilnahme an der feierlichen Eucharistie vom 11. Oktober zugesagt. Diese beiden Personen leisten einen beachtlichen Beitrag zum ökumenischen Inhalt der Synode.” Bartholomaios I. hatte bereits vor vier Jahren bei der vatikanischen Bischofssynode über die Heilige Schrift auf Einladung Papst Benedikts als erster griechisch-orthodoxer Patriarch einen Vortrag gehalten. Unter den weiteren Sonder-Gästen sind auch zwei, die aus dem deutschen Sprachraum stammen: “Als gesondert Eingeladene”, so Eteroviæ, “nehmen Bruder Alois teil, der Prior der Ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, sodann Lamar Vest, der Leiter der amerikanischen Bibelgesellschaft, und schliesslich Werner Arber, Professor für Mikrobiologie in Basel und Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.” Arber ist ein reformierter Christ und wird am Freitag einen Vortrag über das Verhältnis von Wissenschaft und Glauben halten.
Die Synode gliedert sich in 23 sogenannte Generalkongregationen – also die Arbeitsrunden im Plenarsaal in der Synodenaula des Vatikans – und acht Sitzungsrunden in insgesamt zwölf kleineren Zirkeln, die nach Sprachen aufgeteilt sind. An den Synoden der vergangenen Jahre hat Papst Benedikt stets selber teilgenommen, jedoch nicht häufig das Wort ergriffen. Zu Beginn der Arbeiten wählen die Synodenväter acht Personen, die die Schlussbotschaft der Synode erstellen sollen. Die Aussprache ist im Vergleich zu früheren Synoden unverändert: Jeder Synodenvater hat fünf Minuten Zeit, um auf den Generalkongregationen zu sprechen. Und während der freien Diskussion am späten Nachmittag nach den Arbeitstagen im Plenarsaal dürfen die Synodalen nicht länger als drei Minuten reden.
Gleich zu Beginn seiner Predigt am Sonntag auf dem Petersplatz hat Papst Benedikt die Synode zur Neu-Evangelisierung mit dem Beginn des Glaubensjahrs am kommenden Donnerstag, zu dem er erneut einer feierlichen Messe in dem Kolonnadenrund vorstehen wird, und mit der Erinnerung an den Konzilsbeginn vor fünfzig Jahren verknüpft. Es ist eine Zeit der Jubiläen. Nicht nur, dass sich am kommenden Donnerstag der Jahrestag der Erstveröffentlichung des “Katechismus der Katholischen Kirche” zum zwanzigsten Mal jährt. Am 28. Oktober steht der europäischen Christenheit noch ein ganz anderes Datum ins Haus: Vor genau siebzehn Jahrhunderten war es das Licht des Christusmonogramms, das Kaiser Konstantin “in der symbolischen Nacht seines Unglaubens” aufleuchten sah, wie Papst Benedikt im libanesischen Harissa bei der Unterzeichnung des synodalen Schreibens zum Nahen Osten sagte. Und dass dieses Licht auch wieder in den alten Kernländern der Christenheit zum Leuchten kommt, ist Inhalt und Ziel des Glaubensjahrs wie auch der römischen Bischofssynode. Dieses Licht und dieses Monogramm aus “Chi” und “Rho”, den ersten beiden Buchstaben der griechischen Schreibweise des Namens Christus, liessen Konstantin an der Milvischen Brücke siegen und machten das Kreuz zum Markenzeichen des christlichen Abendlands.
Dass das Ostergeheimnis, das die “Identität der Getauften und der Kirche” ausmacht (Benedikt XVI.), so wie vor siebzehnhundert Jahren aufleuchtet, auch in den Kernländern des katholischen Glaubens, hat schon ein anderer Papst eindrücklich angemahnt.
Januar 2001: Das grosse Jubiläum des Heiligen Jahrs 2000 war soeben zu Ende gegangen und mit dem Apostolischen Schreiben “Novo millennio ineunte” (Zu Beginn des neuen Jahrtausends) machte ein inzwischen gebeugter und kranker Johannes Paul II. seiner Kirche Mut und sprach ihr Kraft zu, erneut zum Fischfang aufzubrechen. “Duc in altum” – Hinaus auf die hohe See! – war das Motto dieses Schreibens, in dem der greise Papst “aus dem Osten” einen sehr einfachen Rat gab, um das Heilige Jahr 2000 für das anbrechende Jahrtausend fruchtbar zu machen: “Wir wollen Jesus sehen (Joh 12,21). Diese Bitte”, heisst es in dem Schreiben, “wurde von einigen Griechen, die als Pilger zum Paschafest nach Jerusalem gekommen waren, an den Apostel Philippus gerichtet. In diesem Jubiläumsjahr ist sie auch uns geistig in den Ohren geklungen. Wie jene Pilger vor zweitausend Jahren, so bitten die Menschen unserer Zeit, wenn auch nicht immer bewusst, die heutigen Gläubigen, nicht nur von Christus zu ,reden‘, sondern ihnen Christus zu zeigen, ihn gleichsam ,sehen‘ zu lassen. Ist es etwa nicht Aufgabe der Kirche, das Licht Christi in jeder Epoche der Geschichte widerzuspiegeln, sein Antlitz auch vor den Generationen des neuen Jahrtausends erstrahlen zu lassen?”
Genau das aber ist die zentrale Frage, um die sich bei der Synode alles drehen wird.
Scivias: Wisse die Wege
NovoMillenioIneunte: Apostolisches Schreiben
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