Vom Tun des göttlichen Willens
Matthäus 7,12-23 UPDATE: Offener Brief
Über 90 Seelsorgende unterstützen Pfarrei-Initiative Schweiz
Dramatische Ignoranz des katholischen Glaubens (Redaktion)
Zürich, 17.9.12 (Kipa) Priester, Diakone, Gemeindeleiterinnen, Pastoralassistenten, Jugendseelsorger, Spitalseelsorger, Ordenspriester: Über 90 katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger der Schweiz haben sich zur “Pfarrei-Initiative” zusammengetan. Sie alle nehmen in Kauf, dass man ihnen Ungehorsam vorwirft, weil sie zum Beispiel wiederverheiratete Paare zur Kommunion zulassen. Am Montag ist die Pfarrei-Initiative Schweiz erstmals an die Öffentlichkeit gelangt.
Derzeit 92 katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger aus der Schweiz haben öffentlich gemacht, was in ihren Pfarreien “selbstverständlich” und “bewährte Praxis” ist, aber zum Ungehorsam führt, heisst es in einer Medienmitteilung. So können in ihren Pfarreien alle Getauften an der Eucharistie teilnehmen, auch solche anderer Konfessionen, wird wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion ausgeteilt oder können theologisch gebildete Laien auch in der Eucharistiefeier predigen.
“Nach reiflicher Gewissensprüfung”
Frau und Mann müssten “Gott mehr gehorchen als den Menschen”, schreiben die Unterzeichner der Pfarrei-Initiative unter Bezugnahme auf die Bibel. Und deshalb nähmen sie in Kauf, dass man ihnen Ungehorsam vorwerfe, “weil sie jene Reformen umsetzen, die dem biblischen Auftrag entsprechen, auch wenn die Kirchenleitung diese konziliaren Erneuerungen verweigert”. Sie seien nämlich “nach reiflicher Prüfung des Gewissens” zur Überzeugung gelangt, dass Jesus “solidarisch und ohne Grenzen jedem Menschen das Heil aufzeigt”.
In der Schweiz stehe die Seelsorgepraxis bereits seit einiger Zeit “an einem anderen Ort, als die offiziellen Richtlinien es vorsehen”, schreibt die Pfarrei-Initiative. Diese Wirklichkeit auch tatsächlich als solche zu benennen, werde von immer mehr Seelsorgenden als “Gebot der Wahrhaftigkeit” und als “Zeichen gegen die Angst” empfunden.
Die derzeitigen Strukturveränderungen zu grösseren Pastoralräumen und Seelsorgeeinheiten in der katholischen Kirche der Schweiz, bedingt durch den Priestermangel, sind nach Überzeugung der Pfarrei-Initiative eine ungute Entwicklung: “Es kann nicht sein, dass ein einziger Priester sich um sieben Pfarreien kümmern muss und dadurch völlig überfordert wird.”
“Dann müssen wir aufschreien”
Überpfarreiliche Strukturen könnten immer nur “subsidiär” sein, müssten also die Pfarreien unterstützen. Das solidarische Christus-Zeugnis brauche die unmittelbare Begegnung, und das sei nur in überschaubaren Pfarreien möglich. Markus Heil, Diakon und Gemeindeleiter in Sursee LU und Mitglied der Kerngruppe der Pfarrei-Initiative, sagt es so: “Mir ist Nähe in der Pastoral wichtig, und wenn diese in immer grösseren Räumen immer seltener wird, dann müssen wir aufschreien. Denn Menschen, die sich nicht mehr kennen und keine Zeit füreinander nehmen, lassen sich immer seltener berühren, und Jesu Geheimnis war es doch, dass er Menschen berührt hat.”
Inspiriert wurde die Pfarrei-Initiative Schweiz von der Pfarrerinitiative im Nachbarland Österreich (“Aufruf zum Ungehorsam”). Diese ist seit über einem Jahr Teil der öffentlichen kirchlichen Diskussion; mittlerweile wurde die Initiative in Österreich von über 400 Pfarrern unterzeichnet. Die Initiative fordert die Zulassung von Frauen zur Priesterweihe und die Aufhebung des Pflichtzölibats. Weiter setzt sich die Initiative für die Kommunionspendung an wiederverheiratete Geschiedene, Mitglieder anderer Kirchen und Ausgetretene sowie für kirchliche Leitungsämter von Laien ein. Die Anliegen der österreichischen Pfarrerinitiative sind in mehreren anderen Ländern aufgenommen worden, unter anderem in Deutschland, Frankreich, Belgien oder Irland.
Die Pfarrerinitiative versteht sich als weltweite Bewegung für lebendige Pfarreien. Sie will eine offene Diskussion “über die Fragen und Probleme der römisch-katholischen Kirche” in Gang bringen.
Man wisse sich in Gemeinschaft mit der österreichischen Initiative und ähnlichen Aufbrüchen “in der weltumspannenden” katholischen Kirche, schreiben die Schweizer Initianten. Die Unterzeichner der Pfarrei-Initiative wollen jedenfalls mit ihrer gemäss kirchlicher Lehre unerlaubten Praxis weiterfahren und darum beten, “dass die Erneuerung der Kirche weitergeht”. Denn Gebet und glaubwürdiges Handeln seien für eine gelingende Erneuerung unumgänglich.
Gracia warnt und Hofer unterschreibt
Der Churer Bistumssprecher Giuseppe Gracia hat gegenüber der Neuen Luzerner Zeitung (17. September) angesichts der Pfarrei-Initiative vor einer Kirchenspaltung gewarnt. Man könne auch in der Schweiz die Lehre der katholischen Lehre “nicht einfach abändern”, ohne damit “eine Abspaltung zu provozieren”, lässt er sich in der Zeitung zitieren.
Zu den Unterzeichnern der Pfarrei-Initiative gehören mehrere Chorherren des Stiftes St. Leodegar in Luzern, darunter Max Hofer, einst Mitglied der Leitung des Bistums Basel und zuletzt Luzerner Regionaldekan.
Separat:
Die Selbstverständlichkeiten
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Pfarrei-Initiative benennen, was ihnen “selbstverständlich” ist und was zum kirchlichen Ungehorsam führt. Die Erklärung im Wortlaut:
1. Wir glauben, dass Gott selbst in der Kirche und in den Sakramenten heilend wirkt. Wir müssen nicht über “würdig” und “unwürdig” entscheiden. Wir teilen selbstverständlich mit allen Getauften, die sich vom Auferstandenen zum Mahl eingeladen fühlen und daher zur Kommunion kommen, das “Brot des Lebens” (Joh 6,48).
2. Wir teilen selbstverständlich mit den Schwestern und Brüdern anderer christlicher Kirchen das Mahl, das Jesus uns aufgetragen hat, feiern dieses mit ihnen und nehmen auch an der Mahlfeier in ihren Traditionen teil.
3. Wir bitten selbstverständlich mit wiederverheirateten Paaren um einen Segen für ihre Beziehung und thematisieren umsichtig die Frage von Schuld, Versöhnung und Neuanfang. Wir teilen mit ihnen das Brot des Lebens.
4. Wir betrachten die Menschen mit ihren verschiedenen sexuellen Orientierungen selbstverständlich als unsere Schwestern und Brüder und setzen uns dafür ein, dass sie mit allen Rechten und Pflichten zu unserer Kirche gehören.
5. In der Eucharistie- und in der Wortgottesfeier wird das Wort Gottes in der Predigt (Homilie) selbstverständlich von theologisch ausgebildeten, getauften und gefirmten Frauen und Männern ausgelegt.
6. Kranken Menschen sprechen wir selbstverständlich Ermutigung zu und feiern mit ihnen und ihren Angehörigen, wenn sie dies wünschen, eine stärkende Salbung.
7. Auf verschiedenen Wegen bieten wir Menschen selbstverständlich Schritte in ein versöhntes Leben an. Wir sind überzeugt davon, dass das Wesentliche von Vergebung im Versöhnungsgespräch, in der persönlichen Umkehr und in der Bereitschaft zur Versöhnung geschieht.
8. Die verantwortlichen Seelsorgenden und Diakone tragen im gegenseitigen Einverständnis mit dem Priester fürbittende Teile des Eucharistischen Hochgebets vor und bringen so selbstverständliche die Vernetzung der Dienste in ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Kirche zum Ausdruck.
9. Weil in der Regel das solidarische Christus-Zeugnis unmittelbare Begegnung braucht, setzen wir uns selbstverständlich dafür ein, dass unsere Pfarreien überschaubar bleiben. Ein Pastoralraum, ein Seelsorgeraum bzw. eine Seelsorgeeinheit arbeiten daher subsidiär.
10. Jede Pfarrei feiert selbstverständlich jeden Sonntag den “Tag des Herrn” mit den Menschen und den Seelsorgenden vor Ort. Jede Pfarrei hat weiterhin eine eigene Bezugsperson im Sinne einer Gemeindeleitung.
Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass befähigte Frauen und Männer ohne Rücksicht auf den Lebensstand zu verantwortlichen Diensten in der Kirche geweiht werden.
Anmerkung Redaktion: Ist es nun öffentliche Tatsache, dass in der katholischen Landeskirche Schweiz Jedermann den Glauben nach persönlichem Gutdünken auslegen soll? Was ist das Seelenheil der Gläubigen noch wert, resp. glaubt und denkt man noch daran?
Quelle
SF: 10.25
Unterschriftenliste
ZweiSeelen, ach, in meiner Brust
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