Zwei Seelen, ach, in meiner Brust

Seit den Zeiten Julius Cäsars hat das Land nördlich der Alpen zwei Seelen

Die Tagespost, 12.08.2011, von Guido Horst

Heute “informieren” der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und die sogenannte “Steuerungsgruppe”, Kardinal Reinhard Marx sowie die Bischöfe Franz-Josef Bode und Franz-Josef Overbeck, den Papst in Castel Gandolfo über den Dialogprozess innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Ein solches Treffen hatte Erzbischof Robert Zollitsch bereits vor der Mannheimer Auftaktveranstaltung angekündigt – der Papst soll wissen, was in seiner Heimat vor sich geht, zumal er selber in knapp sechs Wochen dorthin aufbrechen wird. Die Bischöfe wollen den Eindruck vermeiden, unter der nach den Missbrauchsskandalen und jetzt immer noch brodelnden Oberfläche des deutschen Gremienkatholizismus bereite sich so etwas wie die Geburt einer von Rom unabhängigen Nationalkirche vor. Doch wenn es um die typisch deutsch-katholische Denkungsart geht, um Äusserungen von Theologen und Funktionären des Laienkatholizismus, um Memoranden und Mentalitäten, so ist diese Nationalkirche schon längst entstanden. Und in der Kirche geht es in dieser Hinsicht ähnlich zu wie bei staatlichen Gebilden. Wer zahlt, schafft an. Wer die Kasse führt, wer die Finanzhoheit hat, kann gestalten. Solange in Deutschland die Kirchensteuer fliesst – Rom und die Weltkirche bekommen natürlich einen guten Batzen ab –, kann diese Nationalkirche die vielen Funktionäre nähren, die sie zur Festigung ihrer Strukturen braucht.

Das alles weiss der Papst. Er kennt auch die – nicht zu erfüllenden – Erwartungen, die eine Vielzahl der sich als “Reformer” verstehenden Gremienkatholiken mit dem Dialogprozess verbindet. Aber er weiss auch, dass der Deutsche zerrissen ist. Seit den Zeiten Julius Cäsars hat das Land nördlich der Alpen zwei Seelen, die römische, die die Idee vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation belebte, und die germanische, die barbarische, die sich Rom nie unterwerfen wollte. Die deutschen Bischöfe, allesamt in Rom ernannt und nicht in Deutschland “gemacht”, leben in einem Dauerspagat. Dem Papst und der Weltkirche verpflichtet, müssen sie zu Hause mit einem protestantisch-ökumenisch angehauchten Gremienkatholizismus und einer Theologenschaft leben, die zu einem guten Teil das “Los von Rom” zur geistigen Kompassnadel ihrer Reformvorhaben gemacht zu haben scheint. Ein Besuch in Rom ist daher immer auch eine Atempause und ein Blick auf das, was jenseits des deutschen Tellerrandes liegt. Der Papst wird versuchen, seine Brüder im Glauben und in der Zuversicht zu stärken. Ihnen die Aufgabe abnehmen, den Dialogprozess bis 2015 jetzt auch irgendwie durchzustehen, das kann er nicht.

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