Wie sich der Papst die Amtsführung des Bischofs vorstellt

Mut, kein Treibenlassen, Standfestigkeit und Unerschrockenheit vor dem Diktat der Meinungen

… Welches Profil eines Hirten Benedikt XVI. in den letzten Jahren gezeichnet hat. Ein Kommentar von Michael Gurtner

Vatikan, kath.net, 11.04.2012

Vielfach sind Wünsche zu hören, wie der ideale Bischof sein sollte und welche Eigenschaften er aufweisen müsse. Zahlreiche dieser Vorstellungen spiegeln dabei die massive Identitätskrise des Priestertums und eine gegenwärtige Ekklesiologie wieder, der es an Irrtümern nicht fehlt.
Diese Stimmen, welche nach am Ort gewählten Bischöfen, einer breiteren Konsultation im Informationsprozess, “Männern der Mitte” und “breiter Akzeptanz”, welche “nirgends aneckt”, rufen, sind mitunter recht weit von der katholischen Amtstheologie, welche in der Heiligen Schrift selbst gründet, entfernt.

Die besten Bischöfe und sogar die Päpste, welche wir in den letzten Jahrzehnten hatten, wären wohl nicht durch dieses Sieb gekommen. Und einmal ehrlich: würde Jesus Christus heute nicht auch an so manchen scheinbaren Anforderungen scheitern?

Es mangelt im Allgemeinen in auffälliger Art und Weise an einem wirklich theologischen, das heisst an einem von Gott und seiner unverbrüchlichen Lehre her gedachten Verständnis der Dinge, was sich eben auch unter anderem in Forderungen nach einem neuen Amtsverständnis kundtut.
Und mitunter kann man sich kaum mehr des Eindruckes erwehren, dass man in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine regelrechte Taktik entwickelt hat, um besonders kirchen- und lehramtstreue Kandidaten von vorne herein auszuschalten oder, sollten sie es doch bis zur Bischofsweihe schaffen, systematisch zu bombardieren, indem man sich der tatsachenverzerrenden Macht der Medien bedient und künstlich Sympathien und Antipathien erzeugt.
Allerdings sind nicht nur Bischöfe davon betroffen, sondern mittlerweile auch die Priester.

Vergleicht man die allgemeinen Forderungen mit dem Amtsverständnis von Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI, so sieht man sehr schnell, dass das an der so genannten “Basis” vorgezeichnete Bild kaum bis gar nichts mit dem Amtsverständnis der Kirche, welches der Papst vertritt, gemein hat.

Der Papst verlangt Mut

Ein wesentliches Hauptkriterium, welches der Heilige Vater seinen Bischöfen abverlangt, ist der Mut. Dies bedeutet nicht, immer aus Prinzip dagegen sein zu müssen, sondern Mass an der Wahrheit zu nehmen. Und momentan leben wir eben in einer Zeit, wo die Massnahme an Wahrheit, Christus, der Heiligen Schrift, der Tradition oder dem universalen Lehramt mit scharfen Attacken sanktioniert wird – auch innerhalb der Kirche”

Dieses Thema kehrt bei Papst Benedikt gerade im Bezug auf die Bischöfe immer wieder. So sagte er beispielsweise in seinem Interviewbuch “Licht der Welt“ mit Peter Seewald über die Anforderungen an die Bischöfe:

Entscheidend ist, dass er die Qualitäten hat, dass er ein geistlicher Mensch, ein wirklich glaubender und vor allem ein mutiger Mensch ist. Ich denke, Mut ist eine der Hauptqualitäten, die ein Bischof und ein Kurienführer heute haben müssen. Dazu gehört, sich nicht vor dem Diktat der Meinungen zu beugen, sondern aus der inneren Erkenntnis heraus zu handeln, auch wenn sie Ärger bringt. Und es müssen natürlich Menschen sein, die intellektuelle, professionelle und menschliche Qualitäten haben, so dass sie auch führen und andere mit in eine familiäre Gemeinschaft einspannen können.

Aber auch bei anderen Gelegenheiten kommt der Pontifex immer wieder auf den nötigen Mut eines Bischofs zu sprechen, so etwa anlässlich der letzten beiden Bischofsweihen, welche er spendete.

Am Hochfest der Heiligen drei Könige 2012 verglich der Heilige Vater die Bischöfe mit den drei Weisen, den Sterndeutern denen es nicht um die Meinung der Masse geht, sondern deren Demut gerade im Mut manifest wird (eine Verbindung, welche Papst Benedikt bereits mehrfach gezogen hat). So führt der Pontifex aus:
Sie gingen der Verheissung nach. Sie waren Menschen des unruhigen Herzens, die sich nicht mit dem Vordergründigen und Gewöhnlichen begnügten. Sie waren Menschen auf der Suche nach der Verheissung, auf der Suche nach Gott. Und sie waren wache Menschen, die die Zeichen Gottes, seine leise und eindringliche Sprache wahrzunehmen vermochten.
Aber sie waren auch mutige und zugleich demütige Menschen: Wir können uns vorstellen, dass sie manchen Spott ertragen mussten, weil sie sich auf den Weg zum König der Juden machten und dafür viel Mühsal auf sich nahmen. Für sie war nicht entscheidend, was dieser oder jener, was auch einflussreiche und gescheite Leute von ihnen dachten und sagten.
Ihnen ging es um die Wahrheit selbst, nicht um die Meinung der Menschen. Dafür nahmen sie die Verzichte und Mühen eines langen und ungewissen Weges auf sich. Ihr demütiger Mut war es, der ihnen schenkte, sich beugen zu können vor dem Kind armer Leute und in ihm den verheissenen König zu erkennen, den zu suchen und den zu kennen das Ziel ihres äusseren und inneren Weges gewesen war.

Liebe Freunde, wie sollten wir in alledem nicht wesentliche Züge des Bischofsamtes erkennen? Auch der Bischof muss ein Mensch des unruhigen Herzens sein, der sich nicht mit den gewohnten Dingen dieser Welt begnügt, sondern der Unruhe des Herzens nachgeht, die ihn treibt, inwendig immer näher auf Gott zuzugehen, sein Angesicht zu suchen, ihn mehr und mehr zu erkennen, um ihn mehr und mehr lieben zu können.
Auch der Bischof muss ein Mann des wachen Herzens sein, der die leise Sprache Gottes wahrnimmt und das Wahre vom Schein zu unterscheiden versteht. Auch der Bischof muss von dem Mut der Demut erfüllt sein, die nicht fragt, was die herrschende Meinung über ihn sagt, sondern seinen Massstab von der Wahrheit Gottes hernimmt und für sie einsteht – “opportune – importune”.

Er muss vorangehen und den Weg zeigen können. Er muss vorangehen und dabei dem folgen, der uns allen vorausging, weil er der wahre Hirte ist, der wahre Stern der Verheissung: Jesus Christus. Und er muss die Demut haben, sich vor dem Gott zu beugen, der so konkret und so einfach geworden ist, dass er unserem törichten Stolz widerspricht, der Gott nicht so nah und so klein sehen will. Er muss die Anbetung des menschgewordenen Gottessohnes leben, die ihm immer neu den Weg zeigt.
Die wahre Demut besteht darin, sich unter die Wahrheit Gottes zu beugen und diese mutig zu vertreten, auch wenn die allgemeine Meinung der Menschen etwas anderes hören möchte.

Am 5. Februar 2011 sagte der Papst, ebenfalls anlässlich einer heiligen Bischofsweihe:

“Aber ich möchte doch auch etwas dazu sagen, wie dieser grosse Auftrag praktisch einzulösen ist – was er konkret von uns verlangt. Für die Gebetswoche um die Einheit der Christen hatten dieses Jahr die christlichen Gemeinden von Jerusalem die Worte aus der Apostelgeschichte gewählt, in denen der heilige Lukas normativ darstellen will, was die Grundelemente der christlichen Existenz in der Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi sind.
Er sagt so: “Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brotbrechen und an den Gebeten” (Apg 2,42). In diesen vier tragenden Elementen des Kirche-Seins wird zugleich auch der wesentliche Auftrag ihrer Hirten beschrieben.
Alle vier Elemente sind zusammengehalten durch das Wort “festhalten” – “erant perseverantes”, übersetzt die lateinische Bibel den griechischen Ausdruck προσκαρτερέω: die Beständigkeit, die Beharrlichkeit gehört zum Wesen des Christseins, und sie ist grundlegend für den Auftrag der Hirten, der Arbeiter im Erntefeld des Herrn.
Der Hirte darf kein Schilfrohr sein, das sich mit dem Winde dreht, kein Diener des Zeitgeistes. Die Unerschrockenheit, der Mut zum Widerspruch gegen die Strömungen des Augenblicks gehört wesentlich zum Auftrag des Hirten. Nicht Schilfrohr darf er sein, sondern – nach dem Bild des ersten Psalms – wie ein Baum, der tiefe Wurzeln hat und darauf festgegründet steht.
Das hat nichts mit Starrheit oder Unbeweglichkeit zu tun. Nur wo Beständigkeit ist, ist auch Wachstum. Kardinal Newman, zu dessen Weg drei Bekehrungen gehören, spricht davon, dass Leben Sich-Wandeln ist. Aber seine drei Bekehrungen und die darin geschehenen Wandlungen sind doch ein einziger, zusammenhängender Weg: der Weg des Gehorsams gegen die Wahrheit, gegen Gott; der Weg der wahren Beständigkeit, der gerade so vorwärts führt.”

Angepasstheit hätte die Kirche bereits einmal beinahe zugrunde gerichtet

Peter Seewald stellte Kardinal Ratzinger in seinem Buch “Gott und die Welt” in bezug auf den Mut der Bischöfe, dem Zeitgeist zu widersprechen, die Frage:
Es ist nicht immer leicht, diesen Mut zum Widerspruch in der Kirche aufzufinden. Viele christliche Gemeinden wirken müde. Es fehlt oft an Esprit, an dem Mut, jenseits der üblichen Meinungen und Modernismen das Ungewöhnliche zu denken, die Grundfeste des Glaubens überhaupt noch verteidigen zu wollen.
Viele der Zeitgeistchristen möchten bestenfalls ein Serviceunternehmen sein, das per Meinungsumfrage die Bedürfnisse ihrer Mitglieder einholt. Selbst Bischöfe vermitteln das Gefühl, der Heilige Geist habe sie längst schon verlassen. Könnte es nicht auch sein, dass man einmal wird sagen müssen: Ja, die Zeit der Kirche ist nun wirklich abgelaufen? Und wer weiss, warum sollte es nicht möglich sein, dass Gott seine Kirche verlässt, ihrer überdrüssig wird und sich zurückzieht, zumindest zeitweise?

Der Kardinal antwortete darauf:

Es gibt Ermüdungen der Kirche, und es gibt sicher den Vorgang, dass der “Leuchter von einer Stelle weggerückt” wird, wie es in der Apokalypse heisst. Denken wir nur an das 16. Jahrhundert. Die Monographien, die es darüber gibt, zeigen, wie anpasserisch die etablierte Kirche war, wie schwach der Glaube der Bischöfe. Sie waren eben Teil des Systems geworden, jedenfalls waren sie nicht so beschaffen, lebendige Zeugen des Glaubens zu sein, apostolisch und martyriumsfähig. Sie haben geschaut, wie man sich am besten durchschlägt und wollten günstigstenfalls versuchen, Schlimmeres zu verhindern. Und dabei ist die Kirche fast eingeschlafen, fast zugrundegegangen.

Treibenlassen ist die schlechteste Amtsführung, welche sich der Heilige Vater denken kann

Diesen Anforderungen, welche der Heilige Vater immer wieder so eindringlich von seinen Bischöfen fordert, nicht nachzukommen, ist für ihn eine schlechte Amtsführung, so sagte er in einem Interview mit Peter Seewald, als dieser ihn im Interviewbuch “Salz der Erde” an dessen Worte bei seinem Abschied aus München erinnerte: “Nicht alle Nachrichten, die aus Rom kommen, werden angenehm sein”, so hatten Sie bei Ihrem Abschied bereits geahnt.

Diesbezüglich meinte der Kardinal:

“Mir klingen immer die Worte der Bibel wie der Kirchenväter im Ohr, die die Hirten mit grosser Schärfe verurteilen, die wie stumme Hunde sind und, um Konflikte zu vermeiden, das Gift sich ausbreiten lassen. Ruhe ist nicht die erste Bürgerpflicht, und ein Bischof, dem es nur darauf ankäme, keinen Ärger zu haben und möglichst alle Konflikte zu übertünchen, ist für mich eine abschreckende Vision…
Ich bin auch heute noch froh, dass ich in München den Konflikten nicht aus dem Weg gegangen bin, denn das Treibenlassen ist – ich sagte es schon – die schlechteste Amtsführung, die ich mir denken kann. Dass ich in meinem römischen Amt viele unangenehme Aufträge würde wahrnehmen müssen, war von Anfang an klar”.

Der Bischof muss wie ein Engel sein, der uns Gott bringt

2007 sagte der Heilige Vater anlässlich einer Bischofsweihe: Wir feiern diese Bischofsweihe am Fest der drei Erzengel, die in der Schrift mit Namen erwähnt werden: Michael, Gabriel und Rafael. Dies ruft uns in Erinnerung, dass in der alten Kirche – bereits in der Geheimen Offenbarung – die Bischöfe als “Engel” ihrer Kirche bezeichnet wurden, womit eine tiefe Übereinstimmung zwischen dem Dienst des Bischofs und der Aufgabe des Engels zum Ausdruck gebracht wird.

Von der Aufgabe des Engels her lässt sich der Dienst des Bischofs verstehen. Aber was ist ein Engel? Die Heilige Schrift und die Tradition der Kirche lassen uns zwei Aspekte erkennen. Der Engel ist einerseits ein Geschöpf, das vor Gott steht und mit seinem ganzen Sein auf Gott ausgerichtet ist. Alle drei Namen der Erzengel enden mit dem Wort “El”, was “Gott” bedeutet. Gott ist in ihre Namen, in ihr Wesen eingeschrieben. Ihr wahres Wesen ist das Dasein vor Ihm und für Ihn.
Genau daraus erklärt sich auch der zweite Aspekt, der die Engel kennzeichnet: Sie sind Boten Gottes. Sie bringen Gott zu den Menschen, sie öffnen den Himmel und öffnen so die Erde. Gerade weil sie bei Gott sind, können sie auch dem Menschen sehr nahe sein.

Beten wir um viele solche mutigen, engelsgleichen Bischöfe, welche sich um unseres Seelenheiles willen mutig dem Zeitgeist entgegenstellen wo es nötig ist, um uns Gott zu bringen.

Michael Gurtner ist Theologe aus der Erzdiözese Salzburg.

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