Die “Theologie” der “Pfarrer-Initiative”
Die heutige sooft beklagte Glaubenskrise ist im Grunde eine Krise der Glaubwürdigkeit der Kirche
“Wie diese Herren sich im Hochgebet der hl. Messe zur Einheit mit dem Papst ehrlich bekennen können, ist kaum begreiflich.” – Ein Gastkommentar von Dariusz J. Olewinski, Priester der Erzdiözese Wien
Wien, kath.net, 24.02.2012
Neuerdings hat sich der Verein mit der Bezeichnung “Pfarrer-Initiative” mit einem “Protest für eine glaubwürdige Kirche” (datiert mit Januar 2012) wieder einmal zu Wort gemeldet. Darin werden grossteils bekannte Forderungen und Anliegen wiederholt, wenngleich mit einer gewissen Akzentverschiebung. Das fünffache “Nein” richtet sich direkt gegen die Pläne der Erzdiözese Wien und vieler anderen Diözesen, pfarrliche Strukturen infolge des Gläubigen- und Priestermangels neu zu ordnen.
Erneut wird die Ablehnung der kirchenrechtlichen Normen bezüglich der klassischen Themen der Rebellen – geschiedene Wiederverheiratete, gleichgeschlechtliche “Liebe” und Partnerschaften, Zölibat usw. – in unveränderter Schärfe artikuliert. Die Forderung des Weihesakraments für Frauen wird diesmal – der taktischen Empfehlung des emeritierten Wiener Weihbischofs H. Krätzl in einem Interview für Kurier (vom 28. Oktober 2011) gemäss – nicht geäussert. Es wäre jedoch unzutreffend, darin ein Zurückfahren oder eine Mässigung der Vorgehensweise dieser Herren zu sehen. Vielmehr handelt es sich um eine leichte Modifizierung der Taktik. Sowohl inhaltlich als auch dem Stil nach hält die PI an ihrer Linie fest.
Bereits im letzten Sommer erklärte der Chef der PI H. Schüller (in “Der Standard” vom 3. Juli 2011) die Absichten: “In dem Augenblick, in dem immer deutlicher wird, was die der Kirche verbundenen Menschen wollen, könnte es noch viel schneller gehen. Noch dazu, wenn sich Bischöfe, die in eine ähnliche Richtung denken, vernetzen würden. (…) Wir haben mit den Bischöfen, die mit uns sprechen wollten, Gespräche geführt. Sie haben Verständnis gezeigt für unsere Fragen. Manchmal habe ich mir gedacht, sie denken mehr als sie positiv dazu sagen wollen. Die Bischöfe sammeln diese Frage und sagen uns nicht, was sie selbst davon halten. Da haben wir an der Basis noch keine Klarheit. Die Bischöfe haben sich noch nicht deklariert. Sehr häufig bekommen wir die Antwort: ‘Das will Rom nicht.‘ Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir auch einmal wissen, was die Bischöfe nicht wollen.” Gegenüber “Profil” (vom 27. August 2011) beschreibt Herr Schüller das Vorgehen folgendermassen: “Wir haben nur den letzten Hebel betätigt, um einmal Bewegung zu erzeugen. Das erregt Aufmerksamkeit, weil unser Aufruf voll in die Wahrheit hineinzielt, was man in der Kirche überhaupt nicht gewohnt ist. Die Bischöfe hatten mit dem stillen Ungehorsam kein Problem, aber jetzt wird mit Spaltung und gefährdeter Einheit moralisiert.”
Inzwischen wurde seitens der Bischöfe Gesprächsbereitschaft bekundet, ohne dass konkrete Angebote bekannt wären. Seitens der PI wurde ein Kompromiss mehrfach klar abgelehnt. In einer Äusserung gegenüber dem Wochenmagazin “Profil” (Ausgabe vom 27. August 2011) betonte Herr Schüller: “Wir gehen nicht mit Einzelforderungen in einen Bazar, und wir vertrauen auch irgendwelchen Gesprächszusagen nicht mehr. Das hatten wir jahrzehntelang. Wir haben gar nicht das Recht, das Paket aufzuschnüren, denn es sind Anliegen des Kirchenvolks. Und nicht mit uns muss geredet werden, sondern mit dem Kirchenvolk.” An seinen Positionen lässt er nicht rütteln: “Egal, welche Sanktionen ergriffen werden, ich würde mich immer innerhalb der Kirche fühlen und andere Wege finden, meine Aktivitäten fortzusetzen.” Selbst eine mögliche Exkommunikation scheint ihn nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen zu können: “Solche Gedanken habe ich nur insgeheim. Und die sind noch nicht kommunizierbar.” (ebenda) Ähnlich bekannte ein andere Führungspersönlichkeit der PI Pfarrer G. Gump gegenüber “Niederösterreichische Nachrichten” vom 24. August 2011, keine Furcht vor Konsequenzen zu haben – “dazu sehe ich derzeit keinen Anlass – wir sind ja Gott sei Dank nicht in einer wirtschaftlichen Grossfirma, wo Widerspruch mit sofortiger Kündigung bestraft wird, sondern ich erlebe in der Kirche viel mehr offene Diskussion, als oft vermutet wird.” Ein unlängst statt gefundenes Gespräch mit Kardinal Schönborn sei “offen und wertschätzend” gewesen, ohne dass von Rauswurf-Drohungen die Rede gewesen sei.
In seinen neueren Äusserungen gegenüber dem linksextremen “Falter” (vom 21. Dezember 2011) wertet Schüller als die grössten Erfolge, dass die PI einen grossen Zulauf verzeichnen konnte dass die angekündigten Suspendierungen ausblieben. Er nennt auch die nächsten Ziele: “Jetzt wollen wir darauf hinarbeiten, dass sich erste Bischöfe zu Reformen bekennen”. Er fügt hinzu: “Auch wenn sie sich noch bedeckt halten, wissen wir, dass nicht alle gegen uns sind.” Er empfiehlt dringend, dass sich zwei oder drei Bischöfe zusammentun und der PI anschliessen: “Wenn das einer allein macht, ist er weg vom Fenster.” Nach dem “Kirchenvolksbegehren” und der “Pfarrer-Initiative” seien nun die Oberhirten an der Reihe: “Wenn jetzt auch noch ein paar Bischöfe aufstehen, schaut die Geschichte noch einmal ganz anders aus.” Ausserdem will er seine Organisation weltweit ausbreiten: “Wir schauen, ob wir uns nicht auf internationaler Ebene zusammentun können” (so in “Die Presse” vom 22. Januar 2012).
Es fehlt diesem Kreis keineswegs an Selbst- oder gar Sendungsbewusstsein. Herr Schüller meinte gegenüber “Der Standard” (vom 3. Juli 2011): “Wir selbst sagen, das sind verantwortbare Schritte, die wohl im Gegensatz zu herrschenden Regelungen stehen. Diese werden aber vermutlich, wenn es einmal zu Reformen kommt, als selbstverständlich betrachtet werden. Wenn man die Kirchengeschichte anschaut, dann war es häufig so, dass etwas angefangen hat, das zuerst verpönt und Jahre und Jahrzehnte später allgemeine Lehre war.” Man kann kaum widersprechen, wenn Herr Schüller (für “Puls4”-Studio vom 23. August 2011) meint: “Dass Messen heute auf Deutsch, nicht auf Latein, gelesen werden, wurde nur gegen den Befehl der Kirchenobrigkeit geschafft.” In einer Diskussionssendung des ORF am 14. September 211 wollte er nicht gelten lassen, dass es in der Kirche Beständiges und Unveränderliches gebe und geben müsse, und behauptete – konkret auf den Zölibat und das Weihesakrament für Frauen bezogen – vehement, dass es “gar nichts” gäbe, was immer so war.
Es wäre verfehlt, aus dem rabiaten Stil darauf zu schliessen, dass es sich um eine spontane Rebellion handeln würde. Die Aktion scheint wohl überlegt und länger vorbereitet zu sein. Bereits im Februar 2009 forderte Pfarrer Gump – Mitbegründer, Schriftführer und wohl das jüngste Mitglied im Vorstand der PI – in dem Pfarrbrief von Schwechat und anschliessend in einem Interview, Papst Benedikt XVI. solle wie US-Präsident Obama klar sagen, einen Fehler gemacht zu haben, und diesen auch wieder zurück nehmen, wobei damit die Bestellung des verhinderten Weihbischofs Gerhard Maria Wagner in Linz und die Rehabilitierung von Gaskammern-Leugner Bischof Richard Williamson gemeint waren. Zugleich nimmt Herr Gump dem Papst übel, dass er zur Piusbruderschaft die Hand ausstreckt. Ähnlich äusserte sich Herr Schüller gegenüber “Falter” vom 21. Dez. 2011: “Die Signale der Weltkirchenspitze deuten rückwärts”, und fügte hinzu: “Man will eine Richtungsentscheidung ohne das Kirchenvolk.” Vor diesem Hintergrund kann es wohl kein Zufall sein, dass der Aufstand der PI zeitlich in die letzte Phase der theologischen Gespräche zwischen dem Vatikan und der Piusbruderschaft fiel.
Die Postulate der PI lassen sich eigentlich ohne besondere theologische Raffinesse beantworten und widerlegen. Es ist charakteristisch, dass der Verein den Stil von Manifesten und Protesten pflegt und durchaus programmatisch eine sorgfältige theologische Debatte meidet. Dies widerspricht übrigens offensichtlich dem in den Statuten (§ 2) festgelegten Zweck: “Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt die Förderung einer offenen Diskussion über die Fragen und Probleme der römisch-katholischen Kirche.” Herr Schüller hat für jede gegenteilige Meinung stets die Bezeichnung “totaler Blödsinn” parat, wie etwa in seiner Reaktion im “Kurier” vom 9. Januar 2012 bezüglich der Aussage, dass der Zölibat apostolischen Ursprungs sei. Die Argumente der Klassiker der katholischen Theologie als auch der neueren Werke zu dem Thema (wie etwa von Kardinal A. Stickler oder Professor S. Heid) sind Herrn Schüller entweder unbekannt oder werden von ihm schlicht ignoriert. Für ihn gibt es nach wie vor keine theologischen Gründe gegen das Weihesakrament für Frauen (so in der Diskussionsrunde beim ORF am 14. September 211).
Mittlerweile wurde ein Buch des Wiener Dogmatikprofessors J.H. Tück in der Sache angekündigt, ein Sammelband als Diskussionsforum. Der Zweck dieser Veröffentlichung soll eine “Versachlichung” der Debatte sein. Man darf gespannt sein, obwohl die bislang bekannt gewordene Zusammensetzung des Autorenkreises eher darauf hindeutet, dass darin die direkten Kontrahenten – Herr Schüller mit seinem Verein einerseits und Kardinal Schönborn mit seinen Vertrauenspersonen andererseits – unter sich bleiben.
Nach dem Erscheinen des “Aufrufs zum Ungehorsam” im Juni 2011 gab es zahlreiche Wortmeldungen und Diskussionsrunden zum Thema Ungehorsam. Gelegentlich bemängelte man theologisch bedenkliche oder gar unzutreffende Formulierungen in den knallharten Forderungen der PI (wie etwa “priesterlose Eucharistiefeier”). Es soll eine Unterredung darüber zwischen der Führungsriege der PI und Kardinal Schönborn stattgefunden haben. Die fragwürdigen Ausdrücke bzw. Sätze wurden jedoch bislang weder zurückgenommen noch abgeändert. Eine eingehende theologische Auseinandersetzung mit den Anliegen und öffentlichen Äusserungen des Vereins hat bislang nicht stattgefunden.
Die derzeit ausführlichste öffentliche Darlegung der Positionen der PI dürfte der Gastartikel sein, den Pfarrer G. Gump auf Einladung des Organs der Erzdiözese Wien “Thema Kirche” (Ausgabe vom September 2011) zum Thema “Was hat die Pfarrer-Initiative in den diözesanen Erneuerungsprozess APG 2010 einzubringen” verfasste. Dem Umstand entsprechend macht der Text den Eindruck, sorgfältig und ausgewogen formuliert zu sein, ohne in seinen Aussagen von den sonst bekannten Äusserungen dieses Kreises abzuweichen. Wenngleich von Klarheit und Eindeutigkeit entfernt, gewährt er einige interessante Einblicke. Zugunsten einer besonderen Beachtung spricht ebenfalls die Tatsache, dass der Artikel ohne einen Kommentar oder eine Stellungnahme seitens der Redaktion oder der Leitung der Erzdiözese Wien veröffentlicht worden ist. Dass Ansichten des Herrn Gump (der übrigens innerkirchlich in Anzug und Krawatte, vor den Medien dagegen meist im Kollarhemd auftritt) für kirchlich “salonfähig” gehalten werden, zeigte sich neuerdings dadurch, dass er von wenigen Wochen (Ende Januar 2012) gemeinsam mit der Leiterin der Pastoralamtes der Erzdiözese Wien Veronika Prüller-Jagenteufel die Vortragsreihe “Damit Kirche Zukunft hat – Impulsgespräche in St. Bernhard” im Bildungszentrum in Wiener Neustadt eröffnete und darin wieder einmal die Postulate der PI propagieren durfte. Auf eine rege rednerische Tätigkeit lässt übrigens auch die Tatsache schliessen, dass Herr Gump am 6. Dezember 2011 bei dem Verein “Homosexuelle und Glaube. Ökumenische Arbeitsgruppe Wien” mit dem bedeutsamen und zugleich rätselhaften Thema “Aufruhr im Pfarrhaus!” zu Gast war (Google ist das nicht entgangen). Die Einladung erklärt sich wohl daraus, dass Herr Gump bereits in seinem Pfarrbrief vom Februar 2009 und in einem anschliessenden Interview für Rau-TV die Meinung verwerflich fand, dass Homosexualität Sünde sei. Der Trick besteht darin, dass er die Neigung bzw. Veranlagung von den homosexuellen Handlungen nicht unterscheidet, obwohl der Zusammenhang der Äusserung – der Vorwurf eines falschen bzw. “unbiblischen” Umgangs seitens der Kirche mit den Homosexuellen – durchaus dafür spricht, dass das Erstere gemeint sein soll. Folgerichtig bezeichnet Herr Gump die Auffassung, dass Homosexualität heilbar sei, wörtlich als “krank”. Damit werden homosexuelle Praktiken und der Lebensstil für “normal” und nicht schuldhaft erklärt.
Am Anfang seines Beitrags für “Thema Kirche” gibt Herr Gump ehrlich zu, dass er sich mit dem gestellten Thema “nicht ganz wohl fühle”. Er gibt zwei Gründe an: Zum Einen die Tatsache, dass die PI “auf Österreich-Ebene arbeite”, zum Andern seien ihre Mitglieder bei den “Erneuerungsprozessen” ohnehin “aktiv dabei”. Er versäumt nicht, seine Aufgaben und Ämter (Pfarrer, Dechant, Bundespräses des Kolpings) hervorzuheben und zählt sich sowie seine PI-Genossen durchaus selbstbewusst zu “den aktivsten, die die Kirche im Alltag tragen”. Es macht schon den Eindruck eines Arguments: Personen in mehreren wichtigen Positionen verfügen automatisch über ein entsprechendes Ansehen und lassen sich schwer massregeln oder gar absetzen.
Herr Gump ist bemüht, die Sache auf den Punkt zu bringen: “Genau deshalb – und da sind wir beim Kern unserer Anliegen – gibt es unser Engagement: Weil laut unserer Wahrnehmung manches in der Kirche verändert gehört, um in der Spur Jesu zu bleiben”. Dazu müsste man logischerweise eigentlich nachfragen: Meint er, dass die Kirche ohne die Veränderungen nicht in der Spur Jesu bleiben würde? Ist die Kirche aktuell überhaupt in der Spur Jesu oder nicht? Wenn ja, dann wären Veränderungen unnötig oder gar schädlich. Wenn nein, dann müsste Herr Gump eigentlich klar verlangen, dass die Kirche auf die Spur Jesu erst finden sollte.
Deutlicher ist die folgende Präzisierung: Es gehe bei dem “Aufruf zum Ungehorsam” “um den mit klaren Worten formulierten Hinweis, dass so manches, was (Gott sei Dank!) heute in guter Pastoral weithin geschieht, eigentlich nicht den offiziellen Regeln entspricht, daher ‘ungehorsam‘ ist: nicht Gott und den kirchlichen Grundlinien gegenüber, sondern manchen ‘Ausführungsbestimmungen‘.” Hier haben wir schon mal eine klare, gut nachvollziehbare und überprüfbare Feststellung: Es geht darum, dass das, was in der Praxis bereits geschieht (ob das wirklich eine gute Pastoral ist oder nicht, ist eine andere Frage) offiziell anerkannt oder gar zur Regel für die ganze Kirche wird. Verworren und unklar erscheint allerdings die Unterscheidung zwischen den “offiziellen Regeln” einerseits und “Gott und den kirchlichen Grundlinien” andererseits, wobei die ersteren zusätzlich als “Ausführungsbestimmungen” bezeichnet werden. Somit haben wir wiederum einen Gegensatz, der diesmal etwas komplexer erscheint: Die zu verändernden “offiziellen Regeln” werden sowohl Gott, wie auch den “kirchlichen Grundlinien” konträr gegenübergestellt. Somit stünden für Herrn Gump die offiziellen Regeln der Kirche sowohl zu Gott als auch zu den “Grundlinien” der Kirche im Widerspruch.
Im dem selben Absatz bekennt er sich zu “ehrlichen & deutlichen Worten” und erteilt einer taktischen “Diplomatie”, die zu Kompromissen bereit wäre, eine Absage. Er tut das unter der Berufung auf “die Art Jesu”. Ob Worte von Herrn Gump wirklich ehrlich und deutlich sind, wird noch zu beobachten sein.
Mit dem Selbstverständnis der PI, “Situation und Anliegen” des “Volkes Gottes” zu vertreten, verbindet Herr Gump die Betonung, dass die PI nicht bereit sei, sich mit den “zentralen Themen” zu beschäftigen, da es ihr um Beseitigung vom “unnötigen Sand im Getriebe” gehe. Dieser störende Faktor sollen offensichtlich die zuvor genannten “offiziellen Regeln” der Kirche sein. Nach den eigenen Worten von Herrn Gump ist das der “Hintergrund” für die Forderungen, die er als konkrete “Anregungen zum Diözesanen Prozess der Erneuerung” formuliert.
Der erste “Ansatz” artikuliert nochmals die Absage an “gut klingende Worte” und das “Schön- und Herumreden”, indem er fordert, “die Dinge deutlich & wahrhaftig auszusprechen”. Wer die Persönlichkeiten der beteiligten Hauptakteure, Herrn Kardinal Schönborn und Herrn Schüller, kennt, wird sich kaum des Eindrucks erwehren können, dass damit die charakterliche Differenz zwischen ihnen benannt wird und zugleich ein Seitenhieb gegen den Wiener Erzbischof ergeht. Das geschieht, obwohl sich Herr Gump eingangs von der medialen Schlagzeile “Schönborn gegen Schüller” (eigentlich müsste es heissen: “Schüller gegen Schönborn”) distanzierte.
Der nächste “Ansatz” geht in medias res – die Zulassungsbedingungen zum Priestertum. Herr Gump beteuert, “lebendige, kirchliche Gemeinden im Geiste Jesu” in Sinne zu haben. Wie sich das mit der Tatsache vertragen würde, dass Jesus selbst zölibatär war, interessiert ihn anscheinend nicht. Dafür betont er, dass es ihm “um kreatives Aktualisieren und Konkretisieren im Geiste Jesu” ginge. Scheinbar bibelfest beruft er sich auf die Einsetzung der ersten Diakone, die im Bedarf begründet gewesen sei. Dem widerspräche der “falsche Ansatzpunkt” der Kirche, da nicht die “starken Vorsteher” zur Verfügung gestellt würden, sondern die Anzahl der Pfarrgemeinden der geringer gewordenen Anzahl der Priester angepasst werde. Er fügt hinzu, dass Leitung von mehreren Pfarrgemeinden durch einen einzigen Priester “organisatorisch” möglich sei und er selbst das bereits “interimistisch” getan habe, er spricht dieser Lösung jedoch den pastoralen Charakter ab (“Seelsorglich ist das unmöglich”). Wiederum beruft er sich auf die Bibel: Er wolle “nicht vom ‘Hirten im Namen Jesu‘, der die Seinen kennt, mit ihnen Leben & Glauben teil, zu eine Art Super-Manager werden”. Er fügt ein weiteres Schlagwort hinzu: “Leben & Glauben dürfen nicht auseinander fallen”, als ob Glaubenszeugnis und Dienst am Glauben das örtliche Zusammenleben unbedingt voraussetzen müssten.
Der Gedanke vom “Hirten” verdient eine besondere Aufmerksamkeit. Herr Gump spricht über sich selbst als den “Hirten im Namen Jesu”. Ein schöner Gedanke. Wer würde wagen dem zu widersprechen. Wenn man jedoch genauer hinsieht, muss man feststellen, dass damit das katholische Verständnis eines kirchlichen Amtes und des Weihepriestertums mindestens ausgeblendet, wenn nicht indirekt geleugnet wird. Der eigentliche Hirte der Kirche und der Hohepriester des Neuen Bundes ist Jesus Christus selbst, das ist theologisch unbestritten. Das Priestertum in der Kirche ist dementsprechend hierarchisch konstituiert, konkret im Weihesakrament, dessen Fülle die Bischöfe als die Nachfolger der Apostel in der Einheit mit dem Papst als dem Nachfolger Petri empfangen. Ein Priester (presbyter) hat lediglich Anteil am Weiheamt und somit am Hirtenamt des Bischofs, der in der Einheit mit dem Papst steht, und kann niemals ein Hirte im vollen Sinne sein, sondern als Teilhabender am Hirtenamt seines Bischofs. Würde man dem von Herr Gump aufgestellten und beanspruchten Kriterium für das Hirtesein “im Namen Jesu” folgen, dass heisst das lokale Zusammenleben und die persönliche Bekanntschaft als die unumgängliche Voraussetzung für “ein-wahrer-Hirte-Sein” halten, dann wäre es genau umgekehrt: Ein jeder Pfarrer vor Ort wäre der eigentliche Hirte, während dem Bischof, der die Pfarrgemeinde normalerweise nicht so wie der Pfarrer kennen kann, bloss der Charakter eines “Super-Managers” zukommen müsste. Bemerkt Herr Gump die theologische Absurdität seiner Aussage nicht? Oder hängt er dem protestantischen Amts- und Kirchenverständnis eigentlich an, das mittlerweile die Mentalität und die Praxis vieler nominell katholischer Geistlichen und Gläubigen beherrscht?
Derselbe Gedanke befindet sich in dem eingangs angesprochenen “Protest”, in dem die von den Bischöfen anvisierte Lösung, Pfarrgemeinden zusammenzulegen und von einem Pfarrer betreuen zu lassen, ausdrücklich abgelehnt wird. Dass es sich hierzu nicht bloss um eine Gehorsamsverweigerung, sondern um ein den katholischen Glauben betreffendes Problem handelt, ergibt sich aus der Argumentation. Die Herren der PI wollen eine persönliche Beziehung zu ihrer Pfarre haben. Mit dieser Umschreibung verlangen sie eigentlich, dass die Gemeinde auf den Pfarrer zugeschnitten und von ihm möglichst umfassend geprägt ist. Tätigkeit – auch eine temporäre – eines anderen Priesters ist deshalb unerwünscht und wird als “schädlich” angesehen, weil dieser die vom örtlichen Pfarrer eingeführten und getragenen (Miss-)Bräuche, in denen sich er und seine Anhänger wohl fühlen, in Frage stellen könnte. Zu der protestantisierenden Häresie der Parochialismus, der zufolge die Pfarrgemeinde das Konstitutivum der Kirche bildet und somit die hierarchisch-apostolische Verfassung der Kirche abgelehnt wird, kommen also sektenähnliche Züge und Forderungen hinzu: Das Gemeindeleben solle sich nach dem Geschmack des Pfarrers, der im Gegensatz zu den kirchlichen Normen steht, richten.
Es ist auch kein Zufall, dass in dem Zusammenhang die Abschaffung des Zölibats gefordert wird. Diese Herren haben offensichtlich den Sinn der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen nicht begriffen und nicht verinnerlicht (ob sie dazu überhaupt bereit sind, ist eine andere Frage), nämlich als den selbstlosen Verzicht auf Weitergabe der persönlichen Eigenheiten, um ein gefügiges Werkzeug der unendlichen Liebesfülle Gottes zu werden und zu bleiben. Folgerichtig gilt für sie ausschliesslich oder mindestens hauptsächlich das, was sie selbst für die “Lehre Jesu” halten, während die Kirche für sie nur akzeptabel ist, insofern sie ihnen Selbstverwirklichung ermöglicht und durch ihre Normen nicht stört.
Dementsprechend fallen die konkreten Forderungen von Herrn Gump aus: Die “Wort-Gottes-Feier” in der Pfarrgemeinde sei “sinnvoller und mehr der Grundidee des Sonntags entsprechend” und gehöre somit “aktiv gefördert”. Solche Feiern vor Ort sollten den Vorrang vor der hl. Messe haben. Zudem sollten die Ehrenamtlichen aus dem Ort “auch im Sonntagsgottesdienst” eher die Predigt übernehmen. Somit wäre ein Priester als solcher beinahe überflüssig, mindestens liturgisch. Herr Gump sagt wörtlich: “Besser eine Pfarre bleibt ohne Pfarrer, als dass ein Pfarrer kommt, der sie zerstört”. Dies ist sehr bedeutsam, wenngleich unbestimmt bleibt, was als besser oder schlechter gelten, bzw. unter Zerstörung gemeint sein soll. Die Forderung nach “Leitungs-Teams”, nach mehr Verantwortung für die „Pfarrassistent/inn/en” und nach mehr Demokratie in den Entscheidungen steht als die Massnahme gegen “das D’rüberfahren von jeweils Leitenden, die Diktatur der 51%-Mehrheit, das höfliche Zuhören aber nicht Beachten der Meinung des Volkes Gottes, das mehr auf Gesetze Hören, als auf den ‘Sensus Fidelium‘ auf allen Ebenen”. Hier wird das angeblich “grund-kirchliche ‘Synodale Prinzip‘ ” gegen “Gesetze” ausgespielt, wobei unter dem letzteren offensichtlich das Kirchenrecht und wohl auch die liturgischen Vorschriften gemeint sind. Ferner wird der Klassiker ebenfalls angesprochen: “keine Ämterbestellungen (z. B. Bischöfe oder Pfarrer) im Widerspruch zum Volk Gottes”, wiederum unter Berufung auf die “biblischen Grundlinien”. Die Bezeichnung “Volks Gottes” wird hier offensichtlich in einem unbiblischen Sinne verwendet und gleichsam basisdemokratisch umgedeutet und missbraucht, unter Missachtung ihrer Wurzeln im Alten Testament, wo das Volk Israel alles andere als demokratisch verfasst war.
Herr Gump wird noch kämpferischer: “Pfarrer, die durch ihre pastorale Praxis dem Volk Gottes nachweislich massiv schaden (manchmal auch durch übergenauen Gesetzesgehorsam), gehören abgelöst”. Der Feind ist also stets das “Gesetz” und der “Gehorsam”, wobei unbestimmt bleibt, was man sich unter einem “massiven Schaden” vorzustellen hat. Für die Realität übersetzt heisst das: Wenn ein Priester Missbräuche seines Vorgängers nicht fortsetzt oder sich diese etwa vom Pfarrgemeinderat nicht vorschreiben lässt, soll er mit allen Mitteln weggemobbt und abgesetzt werden. Diese Forderung wäre übrigens eigentlich überflüssig, denn sie ist in den meisten Diözesen längst mustergültig Wirklichkeit geworden. Wenn Ordinariate so handeln wie von der PI gefordert, dann weiss man spätestens jetzt, wer dahinter steckt.
Ziemlich lächerlich wenn nicht gar pubertär kommt einem die Forderung vor, die Titulatur “‘Hochwürden‘, ‘Eminenz‘, ‘Heiliger Vater‘ ” abzuschaffen, mit der Begründung, dass dies unzeitgemäss und – wiederum – unbiblisch sei, gegen einen “geschwisterlichen Umgang (…) auf Augenhöhe” verstösse und mit der Ehrlichkeit nicht vereinbar sei. Man möchte Herrn Gump einfach mal fragen, was er etwa dazu zu sagen hätte, wenn sein leibliches Kind (wenn er eins hätte) ihm konsequent geschwisterlich und fundamentalistisch die väterliche Autorität und die entsprechende Bezeichnung absprechen würde. Dies wäre nämlich die logische Folge seines Arguments.
“Die theologisch eindeutig gleiche Würde von Frau & Mann“ gebraucht Herr Gump für seine Forderung, diese “wirklich ins Leben” umzusetzen, konkret angefangen von der “Alltagspraxis” und den Texten der Liturgie, bis hin “zum ernsthaften Diskutieren über den Zugang zum diakonalen (und später priesterlichen) Amt”. Hier fehlt nur noch der ausdrückliche Vorwurf, dass die katholischen Prinzipien der Zulassung zum Weihesakrament einen Verstoss gegen die Würde der Frauen darstellen würden.
Ähnlich geht Herr Gump mit dem weiteren Lieblingsthema der PI um, der Ehe- und Sexualmoral. “Einfallsreich” serviert er die kirchliche Lehre mit dem typischen Spruch ab, dass sie “an der Praxis Jesu vorbei” gehe, und fordert eine “pastorale” und “sakramentale” Begleitung, was er diesmal konkretisiert: “Segensangebote für Menschen in nicht kirchlich-offiziell geordneten Ehesituationen, wirkliche Offenheit für Menschen, die nicht in die kirchliche Idealform passen (wiederverheiratet, nicht-eheliche Partnerschaften, gleichgeschlechtliche Beziehungen etc.)”. Die kirchlichen Grenzen, d. h. generelle Nichtzulassung der Nichtkatholiken zum Kommunionempfang bezeichnet er als eine falsche “fast künstliche” Einengung, die dem “Alltag der Menschen” fern sei. Wie meisterhaft Herr Gump mit selbstverständlichen bis banalen Aussagen hantiert, um sie für seine Ideen und Seitenhiebe zu missbrauchen, zeigt der folgende Satz: “Dazu noch eine konkrete Forderung für alle Ebenen & Bereiche unserer Kirche: Die menschliche Sexualität wirkliche positiv zu sehen. Gerne vergleiche ich sie mit dem Gebet: Beides ist biblisch-christlich gesehen eindeutig gut vor Gott – und kann missbraucht werden. Doch wenn bei Sexualität schnell das ‘Ja, aber‘ kommt und oft die Betonung auf Missbrauch (den es unzweifelbar gibt) liegt, ist kirchlich bei Gebet meist nur die Positiv-Sicht im Blick (und negativ-zerstörerische Formen von Spiritualität bleiben wenig beachtet)”. Die Unterstellung, dass die Kirche keine positive Sicht der Sexualität pflege, verbindet er mit dem Vorwurf, dass die Kirche im Bereich der Spiritualität zu wenig kritisch sei, als ob diese beiden Unterstellungen einander stützen und begründen würden.
Im Thema Liturgie möchte Herr Gump erstmal Mitleid wecken: “Im liturgischen Bereich leide ich unter neuerdings immer enger werdenden Ideen aus Rom, Rückschritte statt dem Prinzip der ‘ecclesia semper reformanda‘, der laufenden Erneuerung”. Das verdrehend Wahrheitswidrige ist hier vor allem die Unterstellung, dass die Vorgaben aus Rom beliebige “Ideen” wären, als ob es sich um irgendwelche Einfälle handeln würde. Herr Gump hat offensichtlich nicht vor, “all dies” zu befolgen, “Formentreue & leblose Worte” lehnt er ab. Dafür fordert er “gute Rituale und lebensnahe Sprache”, die er der “Wirklichkeit des Lebens” entnehmen will. Im Klartext bedeutet dies eine Absage an vorgegebene liturgische Normen sowie die Forderung, die Liturgie der Beliebigkeit und dem Einfallsreichtum des Zelebranten bzw. eines pfarrlichen Gremiums auszuliefern. Der Bezug zum katholischen Glauben spielt für Herrn Gump anscheinend keine Rolle, denn “die Wirklichkeit des Lebens muss sich im Gottesdienst ausdrücken”.
Abschliessend erklärt Herr Gump ziemlich unverschämt: “Ich wünsche mir, dass diese Grundlinien, die ja schon jetzt im Wesentlichen alltäglich – im ‘Ungehorsam‘ zur offiziellen Gesetzeslinie – von vielen Pfarrern (auch von mir) und Kirchengemeinden gelebt werden und aus tiefem Suchen nach dem Willen Jesu hier & jetzt entstehen, nicht dem pastoralen ‘Good-Will‘ der jeweils Agierenden obliegen und Engagierte einer kräftigen Zerreissprobe aussetzen, sondern auch offiziell der praktische Weg der Kirche werden.” Diese Herren der PI bekennen sich also offen zu Rechtsbrüchen und zum Ungehorsam den allgemeinen objektiven Normen gegenüber. Sie fordern für sich mehr als bloss den Status von geduldeten Missbräuchen und mehr als eine Legalisierung ihrer rechtswidrigen Praktiken. Sie verlangen eine offizielle Anerkennung unter der Berufung auf den “Willen Jesu” und beanspruchen für sich somit anscheinend den normativen Charakter. Nicht der Papst und die Bischöfe haben darüber zu befinden, was der Wille Jesu ist und der Weg der Kirche sein soll, sondern Herr Schüller und seine Konsorten. Deutlicher kann man wohl nicht sein. Man fragt sich nur, was derartige Ausführungen in dem offiziellen Organ der Erzdiözese Wien zu suchen haben.
Es ist offensichtlich, dass Postulate und Gedankengänge des Kreises um Herrn Schüller keine Randthemen sind, sondern elementare Grundlagen der Kirche – ihrer Lehre und Verfassung – betreffen: angefangen von den Prinzipien der Schriftauslegung (die im katholischen Verständnis nicht der Willkür eines Einzelnen oder einer Gruppe ausgeliefert werden darf, sondern stets im Lichte und in der Einheit mit der Tradition und mit dem Lehramt stattzufinden hat), über das Kirchen- und Amtsverständnis bis hin zu den Prinzipien der katholischen Morallehre und der katholischen Liturgie. Die Ausführungen von Herrn Gump (ebenso wie andere Veröffentlichungen der PI) stützen sich auf zweierlei Prinzipien: zum Einen eigenwillige und gegen die Lehre und die Ordnung der Kirche gerichtete Interpretation und Verwendung der Bibel, und zum Andern die “Wirklichkeit” bzw. das “Leben”, womit ausgewählte gegenwärtige Trends und Zustände in der Gesellschaft gemeint sind. Die katholische Kirche in ihrer konkreten normativen Gestalt, die sich in den Rechtsnormen äussert, kommt darin nur als ein verächtliches Feindbild vor. “Rom” klingt in dem Zusammenhang regelmässig als der Inbegriff des Bösen, das es zu bekämpfen gilt. Wie diese Herren sich im Hochgebet der hl. Messe zur Einheit mit dem Papst ehrlich bekennen können, ist kaum begreiflich.
Wie die Herrschaften der PI allerdings zu Recht behaupten, verkünden sie und fordern grossteils das, was in nicht wenigen Pfarrgemeinden seit geraumer Zeit gang und gäbe ist, in der Verkündigung und zum Teil in der Praxis. Dass man mindestens zu Testzwecken einmal dazu übergehen wird, offizielle Anerkennung dieser Irrlehren und Missbräuche zu verlangen, war vorauszusehen. Personen wie P. M. Zulehner haben jahrzehntelang Köpfe der Theologiestudenten und der theologisch interessierten Leser mit Wünschen und Vorstellungen vollgestopft, die eigentlich mit den Postulaten der PI identisch sind. Dass Herr Zulehner die in seinen Handbüchern verbreiteten “Visionen” offensichtlich auf neomarxistische Anschauungen und Gedankengänge stützt, scheint kaum jemanden zu stören.
Die Aktivisten der PI sind wohl auch nicht so naiv, um zu glauben, dass sie die kirchliche Anerkennung der eigenen “Reformen” tatsächlich erreichen werden. Ihre wahren Ziele und Absichten sind eher bescheidener: Sie wollen testen, ob und inwieweit sie in ihrem eigenen Bereich “in Ruhe” gelassen werden, d. h. ob man sie weiterhin wie bis jetzt gewähren lässt, oder ob sie unter dem amtierenden Papst doch Sanktionen zu befürchten haben. Angesichts der anstehenden Bischofsernennungen wollen sie sich des Rückhalts bei der öffentlichen Meinung und innerhalb der Kirche für ihre eigene Linie versichern. Deutlich scheint ebenfalls der Versuch zu sein, die Stärkung der sogenannten konservativen Kräfte in der Kirche zu vereiteln oder mindestens einzuschränken. Es gefiel den Kreisen der PI erwiesenermassen nicht, dass die überlieferte Liturgie einen breiteren Rahmen erhalten hat, und sie würden es wohl nicht gerne sehen, wenn die Versöhnung mit der Piusbruderschaft zustande kommen würde. Dass sie mit dem Kurs des gegenwärtigen Pontifikats nicht einverstanden sind, artikulieren sie regelmässig. Nachdem diese Personen inzwischen jede Hoffnung auf eine kirchliche Beförderung aufgegeben haben dürften, könnte wohl auch die Eitelkeit im Spiel sein, auf eine andere Weise Ruhm und Anerkennung in der Öffentlichkeit zu erlangen.
Dieser Kreis ist in seinen Aktionen jedoch nicht zu unterschätzen. Obwohl theologisch inkompetent bis häretisch und der Gesinnung nach offensichtlich schismatisch, umfasst er eine beträchtliche Zahl von im kirchlichen Alltag agierenden Amtsträgern, die gerne darauf verweisen und das Vertrauen der Menschen missbrauchen. Der bislang gängige Umgang seitens der Bischöfe und auch seitens des Vatikan – Gewährenlassen und Hofieren – hat kaum die erhoffte Mässigung oder Bändigung, sondern vielmehr Bestärkung und Ermutigung bewirkt. Nach all dem, was öffentlich bekannt ist, haben diese Herrschaften für den “Vatikan” , die Gesetze der Kirche und letztlich für deren Verfassung und mehrere Bestandteile der katholischen Glaubenslehre nur Verachtung übrig. Der fromme Anstrich und die Berufung auf Jesus oder die Ursprünge der Kirche können darüber nicht hinwegtäuschen. Kirchengeschichte lehrt, dass dies regelmässig die Methode der Häresiarchen und Sektierer war: Eine eigene Auslegung der Lehre Jesu im Widerspruch zur Lehre und Ordnung der Kirche, gepaart mit ausgewachsenem Stolz, Unbelehrbarkeit und Lernunwilligkeit.
Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass die PI bereit wäre, von ihrer Linie auch nur wenig abzurücken. Vielmehr wird dem immer wieder Absage erteilt. Herr Schüller und seine Konsorten bleiben hart. Der Verlauf der causa scheint ihnen Recht zu geben: Nach der eigenen Auskunft der PI seien die Bischöfe davon abgerückt, diesem Kreis unkirchliche Gesinnung und Vorgehen vorzuwerfen; selbst Rom beabsichtige keine Massregelung und sei lediglich beunruhigt. So Herr Schüller gegenüber “Die Presse” vom 22. Jan 2012 wörtlich: “Sei man anfangs kaum ernst genommen worden, nun herrsche in der Kirchenleitung aber Nervosität.” Nichts und niemand scheint das Selbstbewusstsein und die Entschlossenheit von Schüller & Co. zu stören.
Wie Professor W. Waldstein in einem Leserbrief in “Die Tagespost” bereits hingewiesen hat, waren beim Aufkommen des Protestantismus die Lage und das Verhalten der Akteure sehr ähnlich. Rom unterschätzte lange damals die Gefahr aus dem deutschen Reich, während Luther weitgehend ungehindert seine “Reform”-Ideen verbreiten und immer mehr Anhänger gewinnen konnte, die ihm tatsächlich die Absicht abnahmen, die Kirche lediglich erneuern zu wollen. Dieser Zustand dauerte Jahrzehnte, bis die Kirche Kontrolle über die Entwicklung vollständig verlor und die Abspaltung nicht nur einer kleinen Gruppe der Protestanten, sondern ganzer Länder und Regionen nur zur Kenntnis nehmen konnte.
Es ist nachvollziehbar, dass sowohl die Bischöfe als auch der Vatikan eine Abspaltung verhindern wollen. Zu glauben, dass dies alleine in ihren Händen und in ihrer Macht liegt, wäre jedoch naiv. Man kann niemanden zwingen, den Glauben der Kirche anzunehmen und sich der Ordnung der Kirche zu unterwerfen. Anscheinend glaubt man und hofft, dass die PI gar nicht die Absicht habe, sich von der Kirche abzuspalten. Der Verein behauptet auch vehement, zur Kirche zu gehören und in ihr bleiben zu wollen. Man kann schwer in die Herzen und Köpfe der Menschen hineinschauen. Absichtserklärungen sind wichtig, können jedoch weder theologisch noch rechtlich das einzige Kriterium sein. Letztlich müssen es objektive Kriterien sein, die bestimmen lassen, ob Worte und Taten der PI dem Glauben, der Ordnung und dem Wesen der Kirche entsprechen oder nicht.
In den vielen Äusserungen, Stellungnahmen und Diskussionen wird die Mehrheit der Beobachter – gläubige Katholiken, Nichtkatholiken und auch Ungläubige, denen die Auseinandersetzung lediglich aus den Medien bekannt und die theologische Relevanz und Brisanz kaum bewusst sind – weitgehend oder gänzlich ausser acht gelassen. Zwar möchten die Bischöfe und der Vatikan nicht als eine autoritäre Macht erscheinen, die kein Verständnis für Andersdenkende und “Fortschrittliche” zeige und sie zu unbarmherzig massregele. Nur was bewirkt das – bei den Betroffenen zum Einen und bei den nicht direkt betroffenen Beobachtern? Die PI wird sich ihrer Sache immer sicherer und tritt immer selbstbewusster auf, dafür gibt es viele Belege. Sie haben in den antikirchlichen Medien treue und einflussreiche Unterstützer und Verbündete. Die Auswirkung der Geschehnisse und Handlungen auf die unbeteiligten Beobachter darf man jedoch nicht auf die Frage des medial produzierten und gesteuerten Image der Bischöfe und des Vatikans reduzieren. Das Denken und Empfinden der Menschen lassen sich nicht darauf beschränken, was Zeitungen schreiben und das Fernsehen bringt. Selbst in einer weitgehend medial bestimmten Gesellschaft haben Menschen die Fähigkeit, eigene Beobachtungen zu machen, Eindrücke zu sammeln, darüber nachzudenken und Schlüsse zu ziehen. Dies wird von den Medien, den Politikern und auch von kirchlichen Würdenträgern mitunter zu wenig beachtet, weil es als störend empfunden werden und tatsächlich unbequem sein kann.
Ein normaler Mensch wächst in der Familie als einer natürlich hierarchischen Gemeinschaft auf, wo die Unterscheidung zwischen Eltern und Kindern wesentlich dazu gehört. In der Schule, im Berufsleben und auch im Staat gibt es unabdingbare Autoritätsstrukturen, ohne die keine Gesellschaft bestehen könnte. Selbst vermeintlich autiautoritär konzipierte Kommunen der 68-Generation waren in Wirklichkeit sehr autoritär aufgebaut, auch wenn dies nicht allen sofort und immer bewusst war. In der Arbeitswelt gibt es einen Chef und mehr oder weniger hierarchische Strukturen, in die sich alle einzufügen haben, selbst wenn der berufliche Aufstieg prinzipiell allen offen steht bzw. stehen sollte. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen täglichen Erfahrung hat ein normaler, unbefangener Mensch mindestens einen rudimentären Respekt auch vor den kirchlichen Würdenträgern wie dem Bischof oder dem Papst. Wenn nun ein Priester bzw. mehrere Priester ihrem Chef – dem Bischof oder dem Papst – öffentlich den Gehorsam verweigern und andere zum Ungehorsam aufrufen, dann macht das vor allem deshalb Schlagzeilen, weil es in einer normalen Familie, in einem Betrieb und in jeder Gesellschaft mit guten Gründen etwas sehr Aussergewöhnliches wäre. Wenn die PI zum Ungehorsam aufruft und verkündet, offizielle Anerkennung und Ausbreitung der bereits vorhandenen “pastoralen” Praxis, die denVorschriften der Kirche widerspricht, erreichen zu wollen, dann bedeutet dies für einen normalen Aussenstehenden – unabhängig von der Sympathie oder Abneigung für die eine oder die andere Seite, dass Uneinigkeit und Gegensätze da sind. Als Erstes wird wahrgenommen, dass die Einen sich gegen die Autorität der Anderen stellen. Die Inhalte, um die gestritten wird, spielen bei denjenigen, die nicht schon eine Meinung in der Sache haben, erstmal kaum eine Rolle. Wenn die Autorität nicht reagiert und die Rebellen gewähren lässt, dann signalisiert sie, dass die Letzteren mindestens zum Teil im Recht sein könnten und sie selbst zur Nachgiebigkeit bereit wäre. Dieses Signal wird verstärkt, wenn Gespräche und Verhandlungen geführt werden. Die Öffentlichkeit achtet auf verschiedenartige Signale. Je selbstbewusster jemand auftritt, umso grösser scheint die Wahrscheinlichkeit, dass er als der Sieger aus der Sache hervorgehen wird. Die meisten Menschen mögen keine Versager, sondern Sieger, weil sie sich mit ihnen eher identifizieren wollen. Wer als der Sieger hervorgeht, ist ein Held, besonders wenn er gegen eine grössere Macht bzw. eine mächtigere, höher gestellte Person gekämpft hat. Für denjenigen, der keine Lust oder keine Fähigkeit besitzt, sich mit den Inhalten – in einer oft mühsamen Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch, zwischen Gut und Böse – auseinanderzusetzen, hat der Sieger Recht, mindestens dem Gefühl oder dem Wunsch nach. Ihm werden mehr Sympathie und Vertrauen entgegen gebracht, man ist für seine Argumentation und seine Denkweise mehr aufgeschlossen und eher bereit, seinen Ansichten zu folgen.
Dies scheinen die Herren der PI sich zunutze machen zu wollen. Auch wenn sie auf Erfüllung ihrer Forderungen im Sinne einer offiziellen Anerkennung durch Bischöfe und den Vatikan vernünftigerweise nicht hoffen können, wären sie wohl durchaus zufrieden, wenn sie die Affäre ohne eine offizielle kirchliche Bestrafung überstehen werden, denn dann werden sie die Helden sein, die es mindestens geschafft haben, selbst den Vatikan zittern zu lehren. Dann werden auch die von ihnen verbreiteten Auffassungen noch mehr Anklang in der Öffentlichkeit finden, weil diese scheinbar selbst vom Vatikan als harmlos oder gar als legitim eingestuft gelten könnten.
Der eigentliche Verlierer in der Sache wird dann vor allem der Vatikan sein. Die österreichischen Bischöfe redeten sich seit Jahren damit aus, dass Entscheidungen in Bezug auf die Anliegen der PI nicht ihnen sondern dem Apostolischen Stuhl zukomme. Man hat den Führern der PI sogar Gespräche mit den vatikanischen Dikasterien organisiert, was der Eitelkeit der ersteren wohl geschmeichelt hat. Ein derartiges Hofieren führte jedoch lediglich zu dem Ergebnis, dass Herr Schüller nun gleichsam aus erster Hand allseits verkünden kann, der Vatikan werde vom Opus Dei und den Legionären Christi regiert, während der Papst von all dem kaum eine Ahnung hätte (so kürzlich in einem Interview für die Austria Presse Agentur, laut “Die Presse” vom 22. Jan 2012: Es seien mehr Zirkel wie “Opus Dei”, “Opus” und die “Legionäre Christi”, die an im Vatikan wichtigen Stellen das Sagen hätten und welche den Heiligen Vater oft “aussen vor” liessen). Der Apostolische Stuhl wird dann tatsächlich ein Glaubwürdigkeitsproblem haben, auch wenn er in der Sache bislang am wenigsten tun konnte, insofern die österreichischen Bischöfe offiziell ihm den schwarzen Peter zuschoben, als ob sie selbst mit den Postulaten der PI einverstanden wären. In dieser Situation wird sich ein unbefangener Beobachter zu Recht fragen: Welches Gewicht kommt den Dogmen bezüglich der sakramentalen Verfassung der Kirche sowie den daraus folgenden Gesetze des Kirchenrechts zu, wenn Priester, die bei ihrer Weihe die Feier der Sakramente “gemäss der Tradition der Kirche” und den Gehorsam feierlich gelobt haben, die Normen der Kirche nicht nur in der Praxis missachten, sondern auch öffentlich zu der Missachtung aufrufen, ohne Weiteres ihre Ämter und Titel behalten dürfen? Was sind diese Normen selbst wert? Was bedeutet dann der Respekt vor einer kirchlichen Autorität, die diese Normen erlassen und für ihre Einhaltung zu sorgen hat?
Ein schnelles Eingreifen durch Verhängung der äussersten Strafen wird kaum erwartet. Ein Zuschauen und Abwarten, eventuell geschmückt mit ergebnislosen Gesprächen, aus denen die PI noch frecher hervorgeht, kann jedoch bestimmt keine Lösung herbeiführen, auch nicht langfristig. Solange die PI gar keine Konsequenzen ihrer destruktiven Agitation zu spüren bekommt, wird sie auch bei den gutgläubigen Katholiken, die grundsätzlich bereit sind, auf das Lehramt der Kirche zu hören, an Zuspruch und Ansehen nur gewinnen können. Wer wird diese in ihrer Kirchlichkeit gefährdeten Gläubigen vor den medial aufgebauschten und von den Kirchenfeinden massiv geförderten verführerischen Ideen und Forderungen des Vereins von Herrn Schüller & Co. schützen?
Entweder müssten diese Herren umdenken und ihre öffentlichen Angriffe auf die Glaubens- und Sittenlehre sowie auf die Ordnung der Kirche widerrufen oder sie müssten dem Kirchenrecht gemäss bestraft werden. Sonst würde man die Gläubigen und Geistlichen, die treu zu der Kirche stehen, in Gewissensnot bringen, indem sie praktisch gezwungen wären, von den Herren der PI Sakramente zu empfangen, gemeinsam mit ihnen Gottesdienste zu feiern oder gar zu konzelebrieren. Dies wäre bestimmt keine Bestärkung in der Treue zum Glauben und der Rechtsordnung der Kirche, sondern würde nicht nur diese Normen, sondern auch diejenigen, die sich nach ihnen richten, dem Spott ausliefern. Die Tatsächlichkeit der von Professor W. Waldstein angesprochenen Exkommunikation latae sententiae, d. h. der zugleich mit der Tat eingetretenen Strafe des Ausschlusses vom sakramentalen Leben der Kirche, ist nicht von der Hand zu weisen. Dies bedeutet, dass die betroffenen Priester automatisch mindestens die priesterliche Jurisdiktion längst verloren haben und zumindest das Busssakrament nicht gültig spenden können. Es wäre die Aufgabe und die Verantwortung der Oberhirten, dies festzustellen und zum dringenden Schutz der Gläubigen entsprechend zu handeln.
Es geht nicht um eine Machtfrage, wie es die PI und die antikirchlichen Medien gerne sehen und darstellen wollen. Sie berufen sich hierzu gerne auf die Worte Jesu in Mk 10,42ff: “Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch gross sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein”. Diese Worte werden von den dauerhaften Rebellen regelmässig als die Wunderwaffe gegen jede ihnen ungelegene Autoritätsausübung in der Kirche verwendet. Tatsächlich kapitulieren dann die meisten Würdenträger. Damit werden aber die Worte des Herrn umgedeutet und missbraucht, da ihr eigentlicher Sinn vom Kontext her offensichtlich darin besteht, vor Eigensucht zu warnen und zur selbstlosen Autoritätsausübung aufzufordern. Ein ich-bezogene Fokussierung auf das eigene Image in den antikirchlichen Medien und bei denjenigen, die den Grundsätzen der Kirche widersprechen, wäre keineswegs mit der Selbstlosigkeit eines Hirten im Sinne Jesu vereinbar. Es ist durchaus mit der Situation vergleichbar, dass ein Familienvater einer Person, die seine Kinder gegen ihn aufhetzt und zur Unsittlichkeit verführt, Hausverbot erteilen dürfte und sollte, selbst wenn es sich um einen nahen Verwandten handeln würde und auch um den Preis der möglichen eigenen Nachteile.
Natürlich würde man sich durch Sanktionen für Herrn Schüler & Co. den Hass der kirchenfeindlichen Kreise und Medien einhandeln. Vielleicht wäre auch eine nächste Austrittswelle ausgelöst. Letztlich aber würde die Autorität der Kirche dann gestärkt hervorgehen. Man würde die Grenzen der Kirchlichkeit klarer aufzeigen und die Treue der schweigenden Mehrheit der Gläubigen und Geistlichen würdigen, die sich nicht der Unterstützung durch antikirchliche Medien erfreuen. Diejenigen, die nicht gegen die Bischöfe und den Papst aufbegehren, würden besser wissen, wie sie dran sind, und ob ihre Treue etwas gilt und geschätzt wird. Sie wären wohl auch die ersten, die die Abtrünnigen der PI mit offenen Armen in der Gemeinschaft der Kirche willkommen heissen würden, nachdem diese sich bekehrt, ihre Vergehen bereut und wieder gut gemacht haben. Aussenstehende, die die Vorgänge nüchtern beobachten und nach den normalen Kriterien des Zusammenlebens auch bezüglich des Verhaltens einer Autorität und gegenüber einer Autorität beurteilen, wären bestimmt ebenfalls dankbar zu erfahren, was in der Kirche gilt und was nicht, was man darf und was nicht, einfach wo die Grenzen sind. Die Menschen darüber im Unklaren zu lassen, bloss um sie in der Kirche zu behalten oder her zu locken, wäre nicht besonders ehrlich. Man sollte nicht erwarten, dass die Menschen solch eine Art, die sie nicht zu Unrecht als respektlos – weil der Fähigkeit zu einer freien Entscheidung infolge einer möglichst umfangreicher Erkenntnis nicht gerecht – empfinden können, schätzen würden. In dem Zusammenhang sollte man nicht übersehen, dass einer der Hauptgründe, wenn nicht der eigentliche Hauptgrund (neben der massiven Unterstützung der kirchenfeindlichen Medien) der Popularität von Herrn Schüller in der Klarheit und Eindeutigkeit seiner Äusserungen besteht. Selbst sein nicht selten rabiater Stil wird ihm nicht übel genommen, weil man an ihm schätzt zu wissen, was er vertritt, was er will und insgesamt wie man dran ist. Einzig das “römische” Kollarhemd passt kaum zu seinen Ansichten, aber das wird ihm gerne verziehen, denn so kann er nur die naiven braven Katholiken täuschen.
Damit wäre übrigens einer der Hauptgründe für den Vertrauensverlust der Kirche bei den Menschen angesprochen. Herr Gump und seine Vereinsgenossen verkünden und verlangen, dass die Kirche dem “Leben” durch Abstriche in ihrer Lehre gerecht werden soll, dass sie sich nicht nach der überlieferten und für immer gültigen Wahrheit richtet, sondern Anforderungen für das Katholischsein der Beliebigkeit oder vielmehr dem quasi unfehlbaren Lehramt der statistischen Studien von Herrn Zulehner preisgibt. Das wäre eine Bankrotterklärung bezüglich der eigenen Wahrhaftigkeit. Im Gegensatz zu den Vorstellungen und Wünschen der PI sieht sich ein normaler Mensch nicht dann ernst genommen, wenn man ihm widersprüchliche Auskünfte über das Katholischsein oder gar keine klare Auskunft darüber gibt. Ein normaler Mensch mag keine Doppelzüngigkeit, sondern will wissen, wie er dran ist, sonst fühlt er sich für unklare Zwecke angeworben und womöglich sogar potentiell missbraucht.
Die heutige sooft beklagte Glaubenskrise ist im Grunde eine Krise der Glaubwürdigkeit der Kirche. Konkret muss man fragen: Wie glaubwürdig sind Priester, die einmal bei ihrer Weihe Ehrfurcht und Gehorsam feierlich gelobten und nun nicht nur den Ungehorsam praktizieren (unter Berufung auf eine “gute Pastoral”), sondern öffentlich zum Ungehorsam aufrufen? Wie glaubwürdig ist Herr Gump, wenn er einerseits in jeder Eucharistiefeier (hoffentlich) die Einheit mit dem Bischof und dem Papst laut bekennt und dann verkündet, dass sein Chef nicht in Rom sitzt (so in einem Interview für Der Standard vom 25. Aug. 2011)? Der Umgang seitens der Obrigkeit mit solch einer Glaubwürdigkeit ist zwangsläufig der Prüfstein ihrer eigenen Glaubwürdigkeit und der Glaubwürdigkeit der Kirche insgesamt.
Dariusz J. Olewinski ist Priester der Erzdiözese Wien
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