Innozenz XI.: ein grosser seliger Reformpapst

Vor 400 Jahren wurde der “Verteidiger des christlichen Abendlandes” geboren

Analogien zwischen der Gestalt Innozenz XI. und Benedikts XVI. Von Armin Schwibach

Rom, kath.net/as, 19. Mai 2011

Vor 400 Jahren, am 16. Mai 1611, wurde in Como Benedetto Odescalchi geboren, der in die Annalen der Kirchengeschichte als Papst Innozenz XI. eingehen sollte und von 1676 bis 1689 auf dem Stuhl Petri die Geschicke der Kirche bestimmte. Gerade in der letzen Zeit erlangte der grosse Reformpapst aus dem 17. Jahrhundert wieder die Aufmerksamkeit auch eines grösseren Publikums, obwohl ihn viele Kirchenhistoriker schon seit langem als eine in seiner Zeit herausragende Papstgestalt werten, die sich durch ihr asketisches Leben, ihr untadeliges Leben und ihre Unerschütterlichkeit im Glauben ausgezeichnet hatte.

Durch die Seligsprechung Papst Johannes Pauls II. am 1. Mai 2011 war es notwendig geworden, den Glasschrein, der in der Kapelle des heiligen Sebastian in der Petersbasilika die Ganzreliquie des seligen Papstes ausstellte, neu zu bestatten und in das linke Seitenschiff unter den Altar der Verklärung zu überführen, um dem neuen Seligen eine Grabstätte zu geben, welche die Pilger leicht zur Verehrung erreichen können. Dies aber ist nicht das einzige, was Johannes Paul II. mit seinem grossen Vorgänger verbindet. Innozenz XI. war bis zur gemeinsamen Seligsprechung der beiden Konzilspäpste Pius IX. und Johannes XXIII. am 3. September 2000 der vorletzte Papst, der seliggesprochen worden war. Es war Pius XII., der am 7. Oktober 1956 den Odescalchi-Papst zu den Ehren der Altäre erhoben hatte. Doch Innozenz XI. ist auch deshalb ein interessanter und wichtiger Papst, weil es sein relativ langer Pontifikat gestattet, Analogien zum Pontifikat Benedikts XVI. zu erkennen.

Papst Innozenz X. hatte Benedetto Odescalchi am 6. März 1645 zum Kardinal kreiert, ihn zunächst als päpstlichen Legaten nach Ferrara geschickt und dann zum Bischof von Novara ernannt. Odescalchi zeichnete sich durch seine Strenge in der Verwaltung seiner Diözese sowie durch seinen innigen Glauben und die Werke der Nächstenliebe gegenüber den Armen aus. Seine asketische Strenge war auch ein Kennzeichen seines Wirkens, nachdem er am 21. September 1676 zum Nachfolger Petri gewählt wurde. Innozenz XI. kümmerte sich um das geistliche Leben sowie um die Ausbildung des Klerus, bekämpfte jede Form von Nepotismus und Simonie. Er stärkte auch die Praxis des häufigen Kommunionempfangs. Zu seinen ersten Amthandlungen gehörte eine Neuordnung der Finanzen des Kirchenstaates und der Römischen Kurie. Der Haushalt war aufgrund des unbedachten Umgangs mit Geld seitens seines Vorgängers in grosse Schwierigkeiten geraten. Nach kurzer Zeit schrieben die defizitären Bilanzen der hochverschuldeten Kurie wieder schwarze Zahlen.

Sein Einsatz für die Bekämpfung der Türken und gegen die Verbreitung des Islam brachte ihm den Beinamen “Verteidiger des christlichen Abendlands” ein. Zur Feier des Sieges der christlichen Defensivallianz unter der Leitung des polnischen Königs Jan Sobieski und Kaiser Leopolds I. über die Türken und der Befreiung Wiens von der Belagerung (12. September 1683) führte er das Fest “Mariä Namen” als für die ganze Kirche gebotenen Festtag ein.

Da sich Innozenz XI. auch dem sogenannten Regalienrecht widersetzte, kam es zum Konflikt mit dem französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. Der König beanspruchte das Recht, in der Zeit der Sedisvakanz einer jeden französischen Diözese die Pfründe und die bischöflichen Einkünfte zu verwalten. Ludwig XIV. wollte auch festschreiben, dass Konzilien über dem Papst stehen. Die Auseinandersetzung führte zur Exkommunikation des französischen Königs. Die Franzosen vergassen diesen Konflikt nie: Noch im Jahr 1956 gab es viele Widerstände aus Frankreich, als Pius XII. die Seligsprechung seines Vorgängers beschlossen hatte.

In ihrer Ausgabe vom 19. Mai 2011 veröffentlicht die vatikanische Zeitung “L’Osservatore Romano” Auszüge der Radiobotschaft, die Pius XII. anlässlich der Seligsprechung Papst Innozenz XI. veröffentlichte. Pius XII. nutzte die Gelegenheit, um die wichtigsten Aspekte der Gestalt und des Pontifikats seines Vorgängers zu beleuchten. Dabei kommt man schwer umhin, die Worte des Papstes nicht auch in Richtung Benedikt XVI. zu lesen.

Obwohl das strenge zurückgezogene Leben dieses “demütigen Papstes” sowie sein Reformwerk inmitten einer Gesellschaft, die sich seit langem mit den schweren Missbräuchen abgefunden hätte, ihn während seines Lebens der “Aura der Popularität” beraubt hätten, habe sich nach seinem Hinscheiden spontan das Bewusstsein seiner Heiligkeit und der Grösse seiner Werke zugunsten der Christenheit und Europas durchgesetzt.

Trotz aller Widerstände gegen die Seligsprechung, so Pius XII., hätten sorgfältige Forschungsarbeiten zu dem Ergebnis geführt, dass die Gründe für das Wirken Innozenz XI. ausschliesslich in seiner Verantwortung für die Verteidigung der Freiheit der Kirche zu finden seien. Für Pius XII. besteht kein Zweifel, dass das innerste Fundament der auch menschlichen Grösse Innozenz XI. seiner Heiligkeit entstammt.

Je wichtigere Ämter und Aufgaben Benedetto Odescalchi übertragen worden seien, desto mehr habe sein Geist Zuflucht im Gebet gesucht, dem er viele Stunden in der Stille der Kirchen und in seinem Haus gewidmet habe, das so zu einem “strengen Heiligtum” geworden sei.

Innozenz XI. habe die Würde des obersten Hirten der Kirche “als ihm von der göttlichen Vorsehung auferlegtes Kreuz” angenommen und sei sich der Pflichten bewusst gewesen, die ihn erwartet hätten.

“Seine tiefe Demut verbarg es ihm vielleicht, wie sehr er durch seine Natur, durch seine Erfahrung und durch seinen Willen darauf vorbereitet war, den Ereignissen zu begegnen, zu denen es sowohl in der Kirche kam, die durch schwere Missbräuche verletzt war, als auch inmitten der europäischen Gemeinschaft, die an ihren Ostgrenzen bedroht, von religiösen Schismen zerrissen und vom Antagonismus der Fürsten erschüttert war, die nicht in der Lage waren, sich ein Gleichgewicht und die notwendige Einheit gegen die gemeinsamen und extremen Gefahren zu geben.”

Das Reformwerk Innozenz XI. habe vor allem in der moralischen Erneuerung der Stadt von Rom und der Verwaltung des Kirchenstaates bestanden, so Pius XII. Sein Reformwerk habe darauf abgezielt, “der Römischen Kurie und dem Episkopat die ihnen eigene geistliche Würde zurückzuerstatten, indem er bewährte Personen wählte, die bereit waren, mit ihm zusammenzuarbeiten, um den Missbräuchen Einhalt zu gebieten”.

Besonders habe sich Innozenz XI. um die religiöse und moralische Erbauung des Volkes gekümmert. Noch grösser sei sein Einsatz gewesen, den Glauben vor Irrtümern zu bewahren, Häresien einzudämmen, die Liturgie zu fördern, die Mission in den heidnischen Ländern zu ermutigen und den religiösen Eifer im Klerus und unter den Laien neu zu beleben.

Pius XII. betont: “Was am meisten den ihm von den Historikern zuerkannten Titel ‚Grosser Reformator’ rechtfertigt, war der Geist der Erneuerung, den er den Seelen einzuprägen verstand, verbunden mit dem Vertrauen auf die Möglichkeit eines Gelingens und in der Überzeugung, dass es hinsichtlich der einmal eingeschlagenen Richtung kein Zurück gibt”.

Innozenz XI. und Benedikt XVI.: zwei grosse, zukunftsweisende Reformpäpste in unterschiedlichen Zeiten mit unübersehbaren Analogien. Denn wahre Reform kann nur dann gelingen, wenn sie eine Reform der Strenge ist, die aus dem inneren Wesen des Glaubens erstehen muss. Alles andere wäre Maquillage.

Seligsprechung-Papst-Innozenz-XI.
Innozenz.XI.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel