Seilschaften im Vatikan, Teil zwei

Eine “bescheidene Spiritualität” in Priesterseminaren und Orden

Rom, Blog Römische Warte, Tagespost, 25.05.2011

Der Abschlussbericht eines Nuntius in Wien nach neunjähriger Tätigkeit führt wieder zurück zum Innenleben der römischen Kurie. Und zu den Bischofsernennungen der Jahrzehnte seit dem Konzil. Und da gibt es die Partei, die nicht nur dem eigenen “System” dient, sondern der ganzen Welt
Heute war ein lieber Gast in meinem Büro, erholte sich bei einem Espresso und viel Wasser von der schwülen Hitze und steckte mir als Gegengabe den “Schlussbericht des Nuntius” und dessen abschliessende Beurteilung des Zustands der Kirche in Österreich zu. Erzbischof Mario Cagna hatte ihn 1985 nach neunjähriger Tätigkeit an der päpstlichen Vertretung in Wien für das römische Staatssekretär geschrieben. Au weia: Alles sehr freundlich, sehr diplomatisch, aber die Krankenheiten hat der Nuntius treffend aufgespiesst.

Ein aufgeblähter Laien-Apparat in einer gut situierten Kirche, Theologen und kirchliche Mitarbeiter, die in Religionsunterricht und Verbänden nicht mehr den Glauben verkünden, sondern den Niedergang verwalten. Eine “bescheidene Spiritualität” in Priesterseminaren und Orden, die völlige Vernachlässigung der nachwachsenden Gneration. Und wer trägt die Schuld? Die Bischöfe, möchte man sagen, den sie liessen und lassen die Dinge ja treiben. Liessen und lassen. Man hätte diesen Bericht auch in der Gegenwart schreiben können und nur einige Namen auswechseln müssen. Und dass Zulehner nicht mehr ein “vor kurzem” nach Wien berufener, sondern inzwischen alt gewordener Theologe ist.

Es stimmt, die Bischöfe haben eine grosse Verantwortung. Aber das greift mir zu kurz. Irgendjemand hat sie schliesslich ernannt. Und damit wenden wir uns wieder einmal den Seilschaften und geistigen Strömungen in der römischen Kurie zu. Denn hier wird der Weltepiskopat gestaltet, geformt und zusammengesetzt. Über die “Partei der Diplomaten”, die ich mit der Person des ehemaligen Kardinalstaatssekretärs Angelo Sodano in Verbindung brachte, hatte ich vor Tage schon geschrieben, über die Macher, die Pragmatiker, die “Ermöglicher”, die dem “System” dienen, aber beim Geld und den Sitten nicht so genau hinschauen. Aber italienische Kollegen versichern mir immer wieder, dass Leute wie Sodano immerhin noch glauben. Huch! Gibt es auch andere?
Der auf mysteriöse Weise umgekommene amerikanische Jesuit Malachi Martin, der lange in der Kurie gearbeitet hat, hat der Nachwelt den Schlüsselroman “Der letzte Papst” (Kopp-Verlag) hinterlassen, eine Fiktion zwar, die aber Vatikan-Kennern und -Insidern zufolge viel Wahres enthalten soll. Der Roman behandelt die Zeit des Übergangs von Kardinalstaatssekretär Casaroli zu seinem Nachfolger Sodano und beschreibt an einer Stelle, wie Casaroli nach getaner Arbeit seine Wohnung betritt. Statt religiöser Symbole schmücken Aufnahmen von den KSZE-Verhandlungen in Oslo die Wände, die damals den Fall der Mauer einleiteten und an denen Casaroli noch als “Außenminister” des Vatikans mitgewirkt hat. Ein schönes – fiktives – Bild. Aber es kennzeichnet sehr gut die Haltung einer gewissen vatikanischen Partei, für die die katholische Kirche nicht mehr eine “Gegengesellschaft” zur säkularen Welt darstellt, sondern die, nach dem Bruch auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, endlich die Fenster zur Welt aufgerissen hat und in ihr aufgehen kann – als Ethik-Agentur oder Gralshüter human-christlicher Werte. Und diese Partei hat dafür gesorgt, dass entsprechende Bischöfe ans Ruder kamen. Wer denkt da nicht an Kardinal Franz König von Wien, der so entsetzlich viel Gutes für die Welt getan hat (allein sein verzehrender Eifer für die Freimaurerei!) – und unter dem die Erzdiözese Wien den Bach runter ging. Ich gebe zu, das ist nicht ganz einfach und in Wirklichkeit ist es noch viel schwieriger. Darum beim nächsten Mal mehr.

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