Christus ist Quelle und Vorbild für jede Beziehung

Abbild des liebenden Gottes

Eichstätt, Die Tagespost, 18.05.2011, von Clemesn Mann

Erstmals findet an der Katholischen Universität Eichstätt eine universitäre Tagung zur Theologie des Leibes von Johannes Paul II. statt.

“Diese 130 katechetischen Ansprachen stellen zusammen eine Art theologischer Zeitbombe dar, die mit dramatischen Konsequenzen irgendwann im dritten Millennium der Kirche hochgehen wird.” Mit diesem Worten beschreibt George Weigel in seiner Biografie über Johannes Paul II. “Zeuge der Hoffnung” die Bedeutung der vom polnischen Papst entwickelten Theologie des Leibes. Johannes Pauls Theologie habe indirekte Folgen für die ganze Theologie, sie könnte gar “als ein entscheidender Augenblick nicht nur in der katholischen Theologie, sondern auch in der Geschichte des modernen Denkens angesehen werden”.

Diese Wertschätzung und Begeisterung Weigels für die Betrachtungen von Johannes Paul II. über Liebe, Ehe und Sexualität, die an Universitäten und Hochschulen weltweit nach wie vor ein Nischendasein fristen, war auch am Wochenende in Eichstätt bei der ersten Tagung zur Theologie des Leibes an einer deutschen Universität zu spüren. Die internationale Tagung zum Thema “Liebe, Leib und Leidenschaft” wartete mit Referenten aus sechs Ländern und vier Kontinenten auf und vermittelte mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen einen Einblick in das Denken des seliggesprochenen Papstes. An der gelungenen Tagung, die von Teresa Loichen vom Netzwerk Leben, Maria Groos von Support International sowie Manfred Gerwing von der Theologischen Fakultät in Eichstätt organisiert wurde und als Plattform zum Austausch und Vernetzen diente, nahmen rund 170 Interessenten teil.

Der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, bezeichnete in seiner Eröffnung die Theologie des Leibes als ein wichtiges Erbe des “bedeutenden Papstes”. Es freue ihn, dass die Idee zur Tagung massgeblich “von der Basis” stamme, erklärte der Bischof. Als Ausgangspunkt für die Theologie des Leibes bezeichnete der Bischof die Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Der Mensch als Abbild des liebenden Gottes sei zur Liebe berufen, erklärte Hanke. Diese Berufung schliesse auch den Leib und die Geschlechtlichkeit als Mann und Frau ein. Als zwei verschiedene Weisen der Verwirklichung dieser Berufung zur Liebe bezeichnete Bischof Hanke Ehe und Jungfräulichkeit. Beide nähmen die Hoffnung auf eine zukünftige Vollendung bei Gott bereits zeichenhaft vorweg.

Das in der Nähe von Koblenz lebende Ehepaar Renate und Norbert Martin führte in den zeitlichen Kontext der Theologie des Leibes ein. In 133 Katechesen zwischen den Jahren 1979 und 1984 beschreibt Johannes Paul das Wesen des Menschen in seiner Geschlechtlichkeit von Mann und Frau. Der “Sinnerhellung der Leiblichkeit des Menschen” widme der Papst fast ein Achtel seiner in seinem Pontifikat gehaltenen Mittwochskatechesen. Am Ende des Zyklus habe Johannes Paul II. rückblickend beide Teile des Zyklus mit “Die menschliche Liebe im göttlichen Heilsplan” sowie “Die Erlösung des Leibes und die Sakramentalität der Ehe” betitelt. Durch die Betrachtungen des Papstes, dem Ehepaar nach handle es sich hier um einen “grandiosen Horizont im göttlichen Plan”, sei der Leib durch das “Hauptportal in die Theologie eingetreten”, wie einst Johannes Paul gesagt habe.

Eheliche Sexualität von der Kultur des Argwohns befreit

Die Theologie des Leibes stehe in der Tradition des Verständnisses der Ehe als christliche Berufung. Diese Entwicklung habe das Lehramt im 20. Jahrhundert aufgegriffen und lasse sich in Grundzügen bereits in der Enzyklika Pius’ XI. Casti connubii (1930) finden. “Viele Eheleute entdeckten damals den faszinierenden Inhalt des Ehesakramentes als ihr ganz persönliches Charisma”, sagte das Ehepaar. Etwas Neues sei damals die Befreiung der ehelichen Sexualität gewesen von einer “Kultur des Argwohns” gegen jegliche Sexualität, die man der Kirche jahrhundertelang nachgesagt habe. Das Zweite Vatikanum habe diesen Neuaufbruch in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes zusammengefasst. Durch die Enzyklika Humanae vitae sei der Proteststurm der 68er Bewegung in die Kirche eingebrochen. Dies habe es den Eheleuten unmöglich gemacht, den Sinngehalt verantwortlicher Elternschaft “besser und tiefer” zu verstehen. Der Protest hätte zwar in die “tiefe Krise der Kirche des 20. Jahrhunderts” geführt, aber auch zu einer Vergewisserung und Begründung der kirchlichen Lehre zur menschlichen Sexualität. Diese habe sich in der Theologie des Leibes von Johannes Paul II. gebündelt. Dass der Papst 1981 die Gründung des Institutes Johannes Paul II für Studien über Ehe und Familie sowie die Einrichtung des Päpstlichen Rates für die Familien initiierte, sei im nachhinein als ein “charismatischer” und “strategischer” Beitrag des Papstes “zur Rettung und Klärung einer christlichen Leitkultur von Ehe und Familie” zu verstehen.

Michael Waldstein, Professor an der Ave Maria University in Florida, warf angesichts der Behauptung, das Christentum sei leibfeindlich, der Gesellschaft eine Verdrehung von Tatsachen vor. “Das Christentum leibfeindlich? Es ist umgekehrt”, erklärte der gebürtige Österreicher. Waldstein kritisierte die einseitige wissenschaftliche Weltsicht der Biologie, die widerspruchslos von den Menschen akzeptiert werde und die den menschlichen Körper nicht als Leib, sondern als biomechanische Maschine betrachte. Ein solches Verständnis des Körpers als Objekt raube der “Natur aber ihr innere Bedeutsamkeit” und entspräche einem noch radikaleren Dualismus, als ihn bereits vor 2 000 Jahren die Gnosis, eine leibfeindliche religiöse Strömung, pflegte. Im Gegensatz zum dualistischen wissenschaftlichen Weltbild verteidige das Christentum die “Schönheit und Vollständigkeit des menschlichen Körpers”, so Waldstein. Johannes Paul II. stemme sich mithilfe der menschlichen Erfahrung gegen diese dualistische Radikalität. Besonders durch die Sexualität werde deutlich, dass der Körper nicht indifferent ist. Der sexuelle Akt des Menschen sei von Natur aus auf Hingabe und Zeugung ausgelegt. Die Sexualität sage mehr aus als nur die Tatsache, “Spass haben zu wollen”.

Als einen “Schatz, der noch nicht gehoben wurde” bezeichnete das Ehepaar Corbin und Birgit Gams aus Österreich die Theologie des Leibes. “Durch die Theologie des Leibes werden sich Ehe und Familien erneuern und damit auch die Gesellschaft”, sind die beiden Eheleute, die seit 2006 auch als Referenten zur Verbreitung der Theologie des Leibes tätig sind, überzeugt. Aus eigener Erfahrung wüssten sie, dass durch die Theologie Johannes Pauls II. “Schönheit und Freude” in jede Ehe kommen könnten. Deshalb wollten sie diese “Vision einer menschlichen Liebe” weitergeben. In ihrem Vortrag “Der Mensch vor dem Sündenfall – Versuch einer praxisorientierten Vermittlung” thematisierte das Ehepaar das nach dem Sündenfall gebrochene Verhältnis des Menschen zu Gott.

Nach Johannes Paul II. sei die Liebe von Mann und Frau Abbild der trinitarischen, göttlichen Liebe. Durch den Sündenfall sei dieses Abbild entartet. Die heutige Gesellschaft erhebe diese Zerbrochenheit menschlicher Sexualität, die sich in Scheidungen und Trennungen äussern würde, zur Wahrheit menschlicher Sexualität. Man vergesse aber, dass es sich hier um eine Fälschung handle. “Aber nur die wahre Liebe kann den Menschen ganz erfüllen”, sagte das Ehepaar. Die Herausforderung für die Kirche bestehe darin, zu zeigen, was echte Liebe ausmache. Wenn Mann und Frau “ein Fleisch werden sei dies auch ein besonderes Geheimnis. Wie die Liebe Gottes uns frei geschenkt werde, bedingungslos und treu sei, müsse auch der Mensch aus Freiheit und ohne Vorbedingungen den Partner lieben.

Neben den theologischen Vorträgen standen auch Erfahrungen aus medizinischer, erzieherischer und seelsorgerlicher Praxis auf dem Programm. Die Psychotherapeutin und Sexualwissenschaftlerin Teresa Suarez del Vilar berichtete von ihren Erfahrungen mit der Theologie des Leibes in der Beratungspraxis. Agnes Acheng, Mitarbeiterin der Hilfsorganisation “Meeting Point International”, sprach über das Leben mit Aids in Uganda. In verschiedenen Workshops wurde unter anderem auch die zölibatäre Lebensform zum Thema.

Christus ist Quelle und Vorbild für jede Beziehung

Eine lebhafter Austausch über gelingende Erziehung von Kindern auf dem Hintergrund der Theologie des Leibes fand im Workshop der Kinder- und Jugendärztin Theresia Stöckl-Drax statt. Kinder wünschten sich Beziehungen, die nicht von der eigenen Leistung abhängig seien. Kinder dürften nicht zur Erfüllung der elterlichen Wünsche dienen. “Für die Eltern ist es schwer zu akzeptieren, dass die Kinder nicht alle Erwartungen der Eltern erfüllen.” Wenn das Paar seine Liebe als von Gott geschenkte Gabe sehe, so könne auch das Kind als Geschenk betrachtet werden. Das Kind müsse mehr in seiner Ganzheit und seinem Bemühen gesehen werden und weniger vom Ergebnis her. “Wir haben die Möglichkeit, uns neu auf Christus auszurichten, uns anschauen zu lassen und diesen Blick auch weiterzugeben an das Kind, wenn es Fehler macht”, so Stöckl-Drax.

Den Faden, dass Christus Quelle und Vorbild für die Beziehung zwischen den Eheleuten sein kann, griff auch Bischof Jean Laffitte, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familien in seinem abschliessenden Festvortrag am Sonntag auf. “Die Überlegungen von Johannes Paul II. über die Sexualität haben immer eine christologische Perspektive gehabt”, so Bischof Laffitte. Die Eheleute seien zu einer “Mission prophetischer Art” berufen, nämlich die Einheit zwischen Christus und seiner Kirche darzustellen. Johannes Paul II. habe eine Analogie zwischen der Beziehung von Mann und Frau sowie der Beziehung Christus und Kirche gesehen. Die Berufung der Ehe bestehe darin, “die Hingabe Christi zur Kirche und zugleich die Liebe der Kirche zu Christus wiederzuspiegeln.”

Gaudium-et-spes: Über den Auftrag der Kirche in der Welt von heute
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Der-Mensch: Als Mann und Frau
Christliche-Ehe: 40 Jahre Humanae vitae
Human-life.ch
Papst-Johannes-Paul-II. Planet Wissen

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