Fragwürdige Bemühungen um Ökumene und Dialogbereitschaft!

Die ökumenischen Uhren ticken unterschiedlich

rechts katholische Kathedrale, links reformierte Martinskirche in Chur (Bild: Reinhard Kramm)

reformiert.info, Büdner Kirchenbote, Evangelisch-Reformierte Zeitung für die deutsche und rätoromanische Schweiz, 25.03.2011

Churer Wirren

Ökumene/ Was geht im Bistum vor? Sind es rein innerkatholische Probleme oder ökumenische? Eine Einschätzung von Professor Franz Annen.

In einer Zeit, in der bei Katholiken (und Reformierten) der Glaube langsam zu versickern droht und das Vertrauen in die Kirche zusätzlich durch das Bekanntwerden einer grossen Zahl von Missbrauchsfällen in katastrophalem Ausmasse abnimmt, spielen sich im Bistum Chur heftige Auseinandersetzungen ab, die das kirchliche Klima weiter vergiften.

Der Auslöser. Unmittelbarer Auslöser waren Personalien. Bischof Vitus Huonder versuchte gegen alle Widerstände zu erreichen, dass sein Generalvikar Martin Grichting zum Weihbischof (Hilfsbischof) ernannt werde. Kaum gab er schliesslich dem grossen Druck nach und verzichtete darauf, demissionierten gleich zwei seiner wichtigsten Mitarbeiter, Regens Ernst Fuchs (Leiter der Seelsorger-Ausbildung) und Generalvikar Andreas Rellstab, der Vertreter des Bischofs für den Kanton Graubünden. Beide gaben an, mit ihrer Demission der Entlassung durch den Bischof zuvorzukommen, und nannten als Gründe Differenzen in wichtigen Sachfragen sowie den Führungs- und Kommunikationsstil des Bischofs. Die beiden andern regionalen Generalvikare, Josef Annen (Zürich und Glarus) und Martin Kopp (Urschweiz), sowie elf der sechzehn Dekane des Bistums reagierten mit einer scharfen Stellungnahme: Innerhalb kurzer Zeit seien zwei der besten Mitarbeiter «verheizt» worden. Es sei eine Tatsache, dass eigenständige und bestqualifizierte Priester kein gedeihliches Zusammenwirken mit Bischof Huonder erreichen.

Die Hintergründe. Für Kenner der Situation kamen diese Vorkommnisse nicht überraschend. Sie brachten schon länger schwelende Konflikte zum Ausbruch, die nicht nur die drei Protagonisten betreffen, sondern grosse Teile der Bistumsleitung wie der in der Seelsorge Mitarbeitenden, aber auch der staatskirchenrechtlichen Organe. Es lassen sich – etwas vereinfacht – drei Hauptaspekte des Konflikts ausmachen:
Bischof Huonder, schon früher als konservativ denkender Kirchenmann bekannt, zeigte seit seinem Amtsantritt immer deutlicher eine eigentlich reaktionäre Mentalität: Er betonte seine Vorliebe für die sogenannte «tridentinische Messe», die vor Kurzem als ausserordentlicher (!) Ritus unter bestimmten Rahmenbedingungen wieder erlaubt wurde, und liess eine grosse Nähe zur konzilsfeindlichen «Petrusbruderschaft», einer Abspaltung der Lefèbvre-Strömung, erkennen. Das weckte angesichts ähnlicher Trends der römischen Kirchenleitung und nach den kaum ausgestandenen Haas-Wirren der 90er-Jahre im Bistum Ängste und Ablehnung.
Der Leitungsstil und die Kommunikationsweise von Bischof Huonder machte von Anfang an Mühe. In seinem ausgeprägt hierarchischen Kirchenbild kann er mit allen Formen der Mitwirkung und Mitentscheidung von Mitarbeitern oder gar des Kirchenvolkes nichts anfangen. Es passt zu ihm, dass er in einer Mitteilung vom 26. Februar nun ankündigte, er wolle sich in Rom Rat holen, wie mit der Bistumskrise umzugehen sei, aber gleichzeitig die bereits vorgesehenen Sitzungen des Priesterrats und des Rates der Diakone und LaientheologInnen absagte. Bischof Huonder kann zwar durchaus zuhören, reagiert aber im Gespräch kaum. Vielmehr teilt er später seine Entscheidungen mit. Wie Christian Buxhofer im «Bündner Tagblatt» vom 25. 2. 2011 mit Recht sagt, wird es tragfähige Lösungen nur geben, «wenn die Bereitschaft des Bischofs zum Dialog nicht nur im Gespräch, sondern auch im Handeln spürbar wird». Viele bezweifeln inzwischen, dass er dazu fähig und bereit ist.
Was vor allem die kantonalkirchlichen Körperschaften des Bistums, zusammengeschlossen in der «Biberbrugger Konferenz», alarmiert, sind die inzwischen jahrelangen, zum Teil grobschlächtigen Attacken von Generalvikar Martin Grichting gegen das gewachsene und althergebrachte staatskirchenrechtliche System in den Bistumskantonen und Kirchgemeinden. Sie sind demokratisch geordnet und für die Kirchensteuern sowie die Anstellung des kirchlichen Personals, auch der Seelsorger, zuständig. Da Generalvikar Grichting grossen Einfluss auf den Bischof hat und in diesem Punkt sicher nicht ohne sein Wissen und seine Zustimmung agiert, hat seine Ansicht in der Öffentlichkeit Gewicht und schürt Unruhe, obwohl sie auf absehbare Zeit nicht mehrheitsfähig sein dürfte.

Die Folgerungen. Soweit die Hauptkonturen des gegenwärtigen Churer Bistumsstreits. Ist das nun ein typisch katholischer Konflikt, der nicht katholische Christen und Kirchen kalt lassen kann? Ja und nein!
Einerseits trägt der Konflikt tatsächlich Züge, die eng mit der katholischen Kirchenstruktur zusammenhängen und in einer weniger hierarchisch strukturierten Kirche wie der evangelisch-reformierten so nicht möglich wären.
Aber soweit ich sehe, gibt es auch in den reformierten Kirchen (und in unserer Gesellschaft überhaupt) eine zunehmende Polarisierung zwischen reaktionären und reformorientierten («progressiven») Strömungen, die (teils notwendige) Auseinandersetzungen immer heftiger und plakativer werden lassen.
Sehr direkt betroffen aber sind alle Kirchen von den Diskussionen um das staatskirchenrechtliche System und die Kirchensteuern. Franz Annen

Professor Dr. Franz Annen (69) war von 1999 bis 2007 Rektor der Theologischen Hochschule Chur. Der Neutestamentler amtete seit 1974 an der Hochschule und gilt als ausgewiesener Kenner des Bistums Chur. Er lebt heute in Schwyz

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