Gott kam durch die Hintertür

Der Engelschor bei den Hirten auf dem Feld ging nicht als Youtube-Video um die Welt

Ein kath.net-Weihnachtsbetrachtung von Bischof Andreas Laun

Salzburg, 23.12.2010

Schon viele Beschimpfungen und Kritiken gegen die Kirche habe ich gehört und gelesen, aber jetzt gab es eine Neue: Ein Mann, seinem Brief zufolge vom Glauben so gut wie ganz abgefallen, schrieb mir über die üblichen Versatzstücke der Kirchenkritik hinaus seine Empörung über Prunk und Luxus der Bischöfe, die er genau zu kennen behauptet. Als besonderen „Beweis“ führte er an, er habe in der Bischofsstadt seiner Heimat den Bischof noch nie auf dem Fahrrad gesehen! Daraufhin lud ich ihn ein, mich in Salzburg zu besuchen: Kaum zu vermeiden, dass er mich sehen wird – am Fahrrad!Ich habe die Vorstellung, dass Bischöfe eigentlich immer nur mit großem Auto und Chauffeur unterwegs sind, aber auch bei guten Katholiken gefunden: Als ich neulich eine Frau nach der Adresse ihrer Familie in Wien fragte und mich erkundigte, ob es in der Nähe eine U-Bahn-Station gäbe, war sie überrascht: Ein Bischof in den „Öffis“, in den öffentlichen Verkehrsmitteln? Das hatte auch sie nicht erwartet! Bischöfe fahren in Autos und mit Chauffeur, weder mit dem Fahrrad noch mit Autobus, Straßenbahn oder U-Bahn, diese Überzeugung teilen also, schließe ich, Feinde und Freunde der Kirche! Große pastorale Erfolge werde ich mit meinem Fahrrad zwar nicht erzielen, aber immerhin, die beiden kleinen Erlebnisse verhalfen mir zu einer Weihnachts-Betrachtung: Wie kam Gott in die Welt?

Hätte Gott vorher eine Umfrage gemacht, er wäre wahrscheinlich rund um den Globus auf die Überzeugung gestoßen: Wenn Gott überhaupt kommen sollte, was kaum zu glauben ist, dann natürlich „standesgemäß“, so wie es Gott entspricht, also „mit Macht und Herrlichkeit“, vielleicht auch mit einem Heer von Engeln, unter Blitz und Donner, am besten majestätisch von oben herab und, bitte, auf dem größten Platz der Welt, damit Ihn vor allem auch die „Promis“ sehen.

Dann möge Gott, der doch allmächtig ist, die Welt in Ordnung bringen! Er sollte die Bösen endlich bestrafen – warum hat Er es nicht längst gemacht? – und uns, die Guten, glücklich, reich und gesund machen! Danke vielmals, das wäre wirklich wunderbar! Vielleicht hätten ihm einige auch geraten, er solle mit seinem Kommen noch warten, bis das Fernsehen und auch das Internet erfunden ist, damit man Sein Kommen sofort übertragen kann, weltweit!

Die Bibel erzählt, dass Gott wirklich kam, aber anders, ohne Volksbefragung und ohne sich von irgendjemand beraten zu lassen, wie Er es machen sollte. Man könnte zwar sagen: Er erhörte das Gebet des Jesaja (63,19), der vor vielen Jahren schon gerufen hatte: „Ach, dass du die Himmel zerrissest, herabstiegest, so dass vor deinem Angesicht die Berge erbeben!“ Aber erstens erwartete sich auch der große Prophet nicht, so „wörtlich“ erhört zu werden, und zweitens geschah es ganz anders, als er es sich vorgestellt hätte:

Weder die Berge noch die Menschen „erbebten vor dem Angesicht Gottes“, Gott kam still, unauffällig, fast wie einer, der nicht gesehen werden will, Er schlich sich in diese Welt ein als wäre Er ein Flüchtling und es wäre gar nicht Seine Welt!

Freilich, einige Engel waren da und sangen, aber sie blieben nur kurz, dann kehrten sie in den Himmel zurück und alles war wieder still und dunkel. Von ihrem Auftritt ist uns nur ein knapper Bericht geblieben, keine CD und kein Film-Dokument! Hirten haben zwar alles gesehen, auch hörten sie, was die Engel über das Gott-Kind sagten und machten das Gehörte auch „bekannt“ (Lk 2,17).

Aber abgesehen davon, dass die Zielgruppe ihrer Erzählungen außer Maria und Josef wohl fast nur andere Hirten gewesen sein dürften, waren weder sie noch ihre Zuhörer ideale, keine professionelle „Multiplikatoren“! Die Geschichte ging ihnen sicher noch lange im Kopf herum, aber auch ihre Schafe taten das, und sie mussten zu ihren Tieren zurück und sich ihnen widmen. Um das außergewöhnliche Kind, das so unerwartet in ihr Leben und Denken gekommen war, konnten sie sich wohl kaum viel kümmern.

Ganz abgesehen davon: Wer dieses Kind war, hätten sie ohnehin nicht sagen können! Mit einem Wort: Sogar wenn es damals schon Abendnachrichten gegeben hätte: Kein Mensch hätte von diesem Kind in Bethlehem erfahren. So blieb es eigentlich unbekannt und das die nächsten dreißig Jahre!

Man könnte sagen: Statt richtig, auf „Gottes Art“, wie wir uns vorstellen, dass Gott, wenn überhaupt, kommen müsste, kam Gott durch „die Hintertür“, durch den „Dienstboten-Eingang“ in Seine Welt statt durch die Pracht-Straße ins Stadtzentrum irgendeiner Weltmetropole!

Gott kam, sozusagen, mit dem Fahrrad, nicht im großen Auto und nicht mit dem Hubschrauber! Heute käme Seine mit Ihm hochschwangere Mutter vielleicht im Gedränge und Geschiebe einer überfüllten U-Bahn oder zu Fuß, Unterkunft fänden Maria und Josef vielleicht im Slum einer Großstadt der Dritten Welt?

Nicht mit „Macht und Herrlichkeit“? Nein, dieses Kommen hat Er sich aufgehoben bis Er wiederkommt! Dann aber wird Er endlich so kommen, wie es sich die Menschen von Gott erwarten: „Endlich“, wären wir geneigt zu sagen, mit Macht und Herrlichkeit, von Seinen Engeln begleitet! Die „Seinen“ werden Ihm mir erhobenem Haupt entgegengehen (Lk 21,28), während auch die hartgesottensten Atheisten vor ihm auf die Knie gehen werden (Phil 2,10. Drastischer Jes 65,12).

Wann das sein wird, wissen wir nicht und auch nicht das Wie, weil wir uns Seine „Macht“ und Seine „Herrlichkeit“ nicht wirklich vorstellen können! Sicher ist nur, dass es so sein wird, wie Er es angekündigt hat, einschließlich der großen Überraschungen, die es dabei geben wird.
Bildhaft geredet: Bis auf weiteres bleibt es beim „Fahrrad“ und der „Hintertür“, wohl deswegen, damit wir nicht erschrecken!

Gott auf dem Fahrrad? Verrückt? Nicht verrückter als dass Gott überhaupt auf die Idee kam, sich als Mensch unter die Menschen zu mischen und bei ihnen wohnhaft bleiben zu wollen (J 1,14)! In Wirklichkeit kam Gott damals, das wurde uns gesagt, als Kind, wohl deswegen, weil sich vor einem Kind niemand zu fürchten braucht. Früher haben sich die Menschen vor Gott oft vor allem gefürchtet, dass es schon gut war, dass beim Kommen Gottes der Engel den Menschen zuerst einmal zurief: „Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch große Freude!“ (Lk 2,10). Diese Botschaft rund um den Globus zu verbreiten ist seit damals das „Kerngeschäft“ und die „Kernkompetenz“ der Kirche!

Und heute, rund 2000 Jahre später, wie sollen wir mit dieser wunderbaren, fast nicht zu glaubenden Geschichte umgehen? Am besten wie diejenigen, die alles von den Hirten gehört hatten und sich „wunderten“ und wie Maria (Lk 2,19), die auch noch kein Religionsbuch über Ihren Sohn hätte schreiben können, aber „alle diese Worte in ihrem Herzen bewahrte und erwog.“ Das dürfte wohl genügen, um Weihnachten gut zu feiern! Also gesegnete Weihnachten in diesem Sinn!

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