Von der Taufe zur Firmung hin zur (Erst-)Kommunion

In den letzten Jahrzehnten hat die Sakramentenpraxis zahlreiche Veränderungen erfahren

Quelle
KathTube: Die Firmung: Eine Einführung von Pfr. Michael Schuhmacher und Pfr. Andreas Schulz
Firmlinge im Gespräch mit Weihbischof Schwaderlapp

In den letzten Jahrzehnten hat die Sakramentenpraxis zahlreiche Veränderungen erfahren. Dabei kam es aber nicht immer zur erwünschten Vertiefung, sondern eher zur Verflachung von Glaubensverständnis und -praxis.

Ein Gastkommentar von Michael Gurtner

Salzburg, kath.net, 13. Juni 2014

In den letzten Jahrzehnten hat die Sakramentenpraxis zahlreiche Veränderungen erfahren, wobei man selbige im Allgemeinen damit begründet hat, dass man die Praxis besser mit den dahinterliegenden theologischen Wirklichkeiten übereinstimmen wolle.

Die deutlichsten Änderungen waren in der Änderung der Liturgie zu finden, sowie damit einhergehend in der Sakramentenkatechese. Beides hatte auf lange Sicht einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Sakramenten- Glaubens und Kirchenverständnis des Volkes und auch der Priester, welche ja in gewisser Weise aus dem Volk herauswachsen und vielfach eine entsprechende Prägung erfahren haben. Auch die Sakramentenkatechese wurde speziell im Fall von Erstkommunion und Firmung weitgehend aus dem Klerus ausgelagert und in die Verantwortung der sogenannten “Tischmütter” und “Firmbegleiter” gelegt. Das brachte nicht zuletzt gewisse Qualitätsprobleme mit sich, da diese selbst nicht die entsprechende nötige theologische Bildung haben, um die rechte Lehre zu vermitteln, und so bleibt die Sakramentenvorbereitung oft auf einer sehr flachen und aktionsüberladenen Ebene stecken.
Alles zusammengenommen kann man durchaus behaupten: es kam nicht immer zur einer erwünschten Vertiefung, sondern eher zu einer grossflächigen Verflachung des Glaubensverständnisses und der damit verbundenen Glaubenspraxis. Das sehen wir deutlich an der durchschnittlichen Sicht der Ehe, der Kommunion, und auch die Taufe wird immer seltener als Eingliederung in die Kirche verstanden, sondern mehr und mehr als eine Willkommenszeremonie in der “Gemeinde”, um nur drei Beispiele von vielen anzuführen.

Auf das heilige Firmsakrament trifft selbiges zu: es hat zahlreiche Veränderungen in Vorbereitung wie Spendung erfahren, aber kaum eine Vertiefung. Bestimmte Aspekte, auch wenn sie für sich genommen nicht vollkommen falsch sind, werden einseitig hervorgehoben und vermitteln so im Gesamt schliesslich ein schiefes Bild von einer Feier des “Erwachsenwerdens” und den Beginn des Daseins als nun “mündiger Christ”, sowie als einen “Akt des bewussten Ja zum Glauben”. Diese Sichtweise ist stark amputiert und überlagert die wichtigeren und zentralen Punkte, wie beispielsweise den Empfang der sieben Gaben des Heiligen Geistes um das Gute besser tun zu können und das Böse konsequenter zu meiden, sowie die Rüstung zu einem missionarischen Christenleben. Es scheint heute oft, dass es gar nicht so sehr auf das Sakrament selbst ankommt, sondern dass man dieses als Vorwand nimmt, um noch ein (letztes?) Mal mit den Jugendlichen “ins Gespräch zu kommen” und in einen “Dialog treten” zu können.

Mit dieser theologischen Verschiebung ins Sozioanthropologische hinein ist gewissermassen konsequent auch eine Verschiebung des Zeitpunktes des Firmzeitpunktes einhergegangen: diesem verkürzten Verständnis einer “kirchlichen Feier des Erwachsenwerdens” entsprechend, wurde die Spendung auf die Pubertät oder unmittelbar nach deren Abschluss verlegt. Das typische Firmalter ist heute zwischen 14 und 18 Jahren gelegen, und erfolgt stets nach dem Empfang der ersten Heiligen Kommunion. Mittlerweile hat man vielerorts erkannt, dass die Firmspendung mitten in der Pubertät nicht das ideale Alter ist, allerdings ist die Alternativlösung dann meist der Vorschlag “Firmung ab 18”, was auch nicht unbedingt besser ist. Aus verschiedenen Gründen wäre eher anzuregen, ob man nicht zu einer Frühfirmung übergehen sollte, und diese jedenfalls noch vor die Erstkommunion setzen sollte. Man könnte etwa an ein Modell denken, welches in einem jungen Alter, in welchen die Kinder noch offen sich für religiöse Fragen, eine intensive dreijährige Sakramentenkatechese vorsieht. In der zweiten Klasse Volksschule sollte das heilige Beichtsakrament im Vordergrund stehen und die Vorbereitung auf dessen ersten Empfang erfolgen. Würde man in der zweiten Klasse mit Schulbeginn mit der Beichtvorbereitung beginnen, so könnte man zu Ostern oder, vielleicht noch besser zu Fronleichnam, die Erstbeichte ansetzen. Im darauffolgenden Schuljahr, der dritten Klasse Volksschule, würde man dann ab September mit der Firmvorbereitung weiterfahren, und idealerweise zu Pfingsten würde die Spendung des Sakramentes durch einen Bischof erfolgen. Bei einer mittlerweile ins Enorme gestiegenen Anzahl von Bischöfen (auch die emeritierten Bischöfe und Weihbischöfe soll man fleissig einbinden!) sollte es eigentlich möglich sein, in den Tagen um Pfingsten genügend Firmmessen anzusetzen, welche durchwegs nicht in allen Pfarreien stattfinden müssen, sondern auch zentraler organisiert sein können. Die einzelnen Firmkandidaten könnten sich dann aussuchen, zu welchem der “angebotenen” Firmorte bzw. Firmspendern sie letztlich gehen. In diesem Jahr der Firmvorbereitung würden auch regelmässig Beichttermine angeboten, da die Erstbeichte ja bereits erfolgt ist. Im dritten Jahr, bzw. der vierten Klasse Volksschule, würde man schliesslich, bereits durch die Firmung in der Seele gestärkt, noch vor dem Fronleichnamsfeste die heilige Erstkommunion empfangen, auch hier begleitet von regelmässigen Beichtterminen. Diese Reihenfolge der Initiationssakramente Taufe – Firmung – Eucharistie würde deren inneren Ductus viel besser entsprechen. In der heiligen Taufe wird nämlich jenes grundgelegt, was in der Firmung vervollständigt und ergänzt wird. Diese beiden Sakramente werden einmalig gespendet, weil beide der Seele des Sakramentenempfängers einen unauslöschlichen Charakter, ein geistliches Prägemal einbrennen. In gewisser Weise gehören sie zusammen, weil in der Firmung das abgeschlossen wird, was in der Taufe angelegt wurde. Die mit diesen beiden Sakramenten verbundenen Gnaden bleiben in der Seele präsent, deren Aktualisierung kann aber je nach den Seelenumständen zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich sein. Die Sünde hindert die Gnaden in deren Ausfaltung. Die Beichte tilgt die Schuld, während die Eucharistie die Aktualisierung der Gnaden fördert. In gewisser Weise kann man also sagen, dass in Taufe und Firmung jenes grundsätzlich mitgeteilt wird, was in der Eucharistie dann zwar nicht in deren Existenz grundgelegt, jedoch in deren Aktualisierung lebendig gehalten wird. In der allerheiligsten Eucharistie werden die Tauf- und Firmgnaden gleichsam ständig verlängert und fortgeführt, die Kommunion ist in einer bestimmten Hinsicht die dauerhafte Aktualisierung und Erneuerung. Die drei Sakramente Taufe – Firmung – Eucharistie bilden zusammen die sogenannten Initiationssakramente. Es geht um die Aufnahme in die heilige Kirche Gottes, die Stärkung und Mission für die Bekundung des katholischen Glaubens durch das eigene Leben, sowie die dauerhafte Anteilhabe am Leib Christi, welcher in sakramentaler Weise die Eucharistie und in mystischer Weise seine heilige Kirche selbst ist. Der Initiationsaspekt ist zwar bei der Taufe und der Firmung sicherlich nochmals stärker ausgeprägt als es bei der Eucharistie der Fall ist, doch fehlt er auch bei dieser nicht. Im Gegenteil, das ewige Gültigbleiben der ersten beiden Initiationssakramente kommt gerade auch dadurch zum Ausdruck, dass das letzte der Initiationssakramente nicht nur einmal empfangen wird, sondern immer und immer wiederholt wird. In der Eucharistie sind in gewisser Weise auch die Taufe und die Firmung implizit präsent, und insofern besteht eine enge Zusammengehörigkeit zwischen diesen drei Sakramenten. Man kann zwar nicht sagen, dass sie EIN Sakrament sind, so wie es bei der Dreistufung der heiligen Weihe der Fall ist, aber diese drei Sakramente sind gewissermassen die drei Sakramente einer grösseren Einheit. Die eine Initiation in die eine Kirche Gottes erfolgt durch drei unterschiedliche, aber zusammengehörende Sakramente. Die Taufe ist das Eingangstor und die Firmung dessen Fortsetzung, und zusammen zielen sie auf die volle Einheit mit Christus ab, welche in der Heiligkeit und damit der Kirchenzugehörigkeit besteht und deren Wirklichkeit zwar nicht (wie oft fälschlich gesagt) in der “leiblichen” Vereinigung in der heiligen Eucharistie hergestellt wird, sondern umgekehrt, es ist eine Wirklichkeit, die sich im Empfang des eucharistischen Sakramentes ausdrückt. Die Wirklichkeit der vollen Kirchenzugehörigkeit muss also vorliegen, um in den Empfang des eucharistischen Sakramentes münden zu können. Von daher streben Taufe und Firmung gemeinsam auf die Eucharistie zu. Dies ist einer von vielen anderen Aspekten, weshalb die Eucharistie mit grosser Berechtigung als der Höhepunkt der Sakramente genannt wird und als das erhabenste aller sieben Sakramente gilt – es ist Christus selbst! Auch um diesen wichtigen Aspekt und den Primat der Eucharistie hervorzuheben und dauerhaft zu unterstreichen wäre es äusserst indiziert, den ersten Empfang der heiligen Kommunion als drittes der Sakramente der Initiation anzusetzen. Es ist die innere theologische Logik der Sakramente und deren Wirkung sowie der Ductus der Eingliederung selbst, der nach diesem äusseren Ausdruck verlangt!

Schliesslich wäre noch der pastorale Aspekt zu bedenken, welcher ebenfalls sowohl für die Frühfirmung, als auch für die Vorverlegung vor die Erstkommunion spricht. Die Firmung nämlich ist eine göttlich gestiftete Wirklichkeit, welche selbst in der Seele eine Wirklichkeit setzt. Sie ist selbstverständlich kein Automatismus der bestimmte Übel auf jeden Fall verhindert, aber sie enthält Gnaden, welche einem Menschen zur Verfügung stehen und auf welche er immer wieder zurückgreifen kann. Die göttlichen Gnaden wirken immer nur soweit als der Mensch sie wirken auch lässt, doch wenn wir auf diese zurückgreifen wollen dann stehen sie uns immer helfend bereit. Welcher Grund spräche also dafür, die Kinder nicht bereits vor dem Eintritt in die schwierige Zeit der Pubertät und bereits für diese mit diesen göttlichen Gnaden zu rüsten? Gerade Kinder im Volksschulalter sind für religiöse Unterweisung sehr viel offener und bereiter die entsprechenden Inhalte aufzunehmen als dies dann in der Pubertät der Fall ist. Wenn man davon ausgeht, dass die Firmung kein reiner Initiationsritus ist, sondern dass dies zwar ein richtiger Aspekt des Sakramentes ist, jedoch eben nur ein Aspekt und nur einer von vielen anderen, dem Wesentlicheren untergeordnet und quasi eine automatische Konsequenz aus dem, was dieses Sakrament im Wesentlichen ausmacht, weil es der Beginn einer dauerhaft angelegten Wirklichkeit ist, welche durch das Sakrament mitgeteilt wird, dann wird ganz von alleine ersichtlich, dass der rechte Zeitpunkt deren Spendung vor dem Eintritt in die Pubertät gelegen ist. Denn auch das Alter der rechten Unterscheidung ist zu diesem Zeitpunkt schon längst gegeben. Und nimmt man zu diesem Gedanken dann noch die logische Abfolge der Initiationssakramente hinzu, so kommt man auf die oben vorgeschlagene Abfolge, die heilige Firmung in der vorletzten und anschliessend die Erstkommunion in der letzten Klasse der Volksschule zu spenden.

Denn die theologische Bedeutung der einzelnen Sakramente wird nicht zuletzt auch durch die Spendung in deren rechte Reihenfolge vermittelt. Wird der “Abschluss und die dauernd bleibende Fortführung” vor der “Vollendung” gespendet, dann stellt dies ohne Zweifel einen Bruch dar, der leicht zu vermeiden wäre. Bei der Erwachsenentaufe, bei welcher die gesamte Initiation gemeinsam erfolgt, ist die rechte Reihenfolge noch gegeben. Auf die Taufe folgt sogleich die Firmung, und die Kommunion steht am Schluss. In der Regel ist es bei Erwachsenen aus gutem Grund immer der Bischof selbst, welcher diese Sakramente spendet. Dass diese Reihenfolge aufgehoben wird, wenn es sich um Kinder handelt, ist weder zwingend notwendig noch einsichtig. Denn es ist nichts anderes als ein durch das jugendliche Alter motivierte zeitliches “Auseinanderziehen” dessen, was eigentlich zusammengehört, so das Unterscheidungsalter erlangt ist.

Denn die Kindertaufe ist im Letzten ein “Vorschuss” der Kirche zugunsten des Seelenheiles für den unvorhergesehenen Todesfall. Durch die Taufe im Säuglingsalter möchte die Kirche Gott jenes zuordnen und in seine Gemeinschaft stellen, was ihm zuzuordnen ist und für seine Kirche – d.h. für die Heiligkeit und somit für die ewige Gemeinschaft mit ihm vorgesehen ist. Deshalb spendet die Kirche das erste der drei Initiationssakramente so bald als möglich. Weshalb die Fortsetzung dann gegenüber den Erwachsenen umgestellt werden soll, ist weder sinnvoll noch einsichtig.

Im Sinne einer ehrlich angestrebten Vertiefung, auf welche man sich immer berief, müsste man also weniger die Liturgie des Heiligen entblössen und mit fragwürdigen Einlagen “lebensnaher gestalten”, sondern die Sakramententheologie katechetisch besser und vor allem vollständiger vermitteln, ohne allein jene soziologischen Aspekte, welche besser gefallen als die theologischen Realitäten, einseitig hervorzuheben. Und dazu gehört konsequenterweise auch die Vorverlegung des Firmalters und die Wiederherstellung der theologisch rechten Abfolge.

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