Ukraine

“Es findet ein Informationskrieg statt”

Man darf die Kraft des Gebets nicht unterschätzen: Kirchendiplomatie

Die Nachrichten aus der Ukraine sind verwirrend, immer wieder wird von Gewalt berichtet und eine klare politische Perspektive für das Land ist nicht erkennbar. Stattdessen gibt es in dem osteuropäischen Land weiterhin Gefechte mit Toten und Verletzen. Vor allem im Osten der Ukraine bleibt die Lage weiter angespannt. Unser Kollege Mario Galgano war drei Wochen lang in der Ukraine unterwegs.

Wie hast du die Ukraine erlebt? Was hast du gesehen?

“Im Westen der Ukraine – also in der Karpaten-Region – ist die Lage sehr ruhig. In der Region Galizien mit dem Hauptort Lemberg hingegen spürt man schon die Spannungen, die es in der Ukraine gibt. Es leben dort viele Russen, die in der Sowjetzeit dorthin kamen. Vor allem griechisch-katholische Kirchen sind dort Ziele von Angriffen, weil sie sehr wahrscheinlich als ‘Verbündete des Westens’ betrachtet werden und auch weil die griechisch-katholische Kirche die Proteste auf dem Kiewer Maidan-Platz im vergangenen Monat unterstützte.”

Sind denn die Proteste in Kiew überhaupt noch ein Thema?

“Ja, in Kiew finden ja weiterhin Proteste statt. Doch es geht jetzt nicht um Proteste gegen die Regierung sondern die Menschen protestieren, weil sie entweder einen näheren Anschluss zur Europäischen Union wünschen. Andererseits gibt es auch Proteste von pro-russischen Gruppen, die ebenfalls in Kiew auf die Strassen gehen. Zu den Vorfällen auf dem Maidan im März und April fand ich ein Treffen sehr berührend: ich sprach mit einer Hinterbliebenen eines getöteten Professors. Sie hätten eine Woche nach der Tötung geheiratet.”

In den Medien wird der Konflikt als Auseinandersetzung zwischen Westukrainer, die zur EU wollen, gegen Ostukrainer, die eine Anbindung an Russland wünschen, dargestellt. Wie hast du das vor Ort erlebt?

“Die Ukrainer – egal welcher Partei sie angehören – wollen Frieden und Ruhe. Eine Frau aus dem östlichen Luhansk sagte mir, dass sie die derzeitige Regierung in Kiew schlecht findet und die Proteste auf dem Maidan ablehnte, dennoch verstehe sie nicht, weshalb jetzt die Waffen sprechen sollten. Ich glaube, es findet derzeit vor allem auch ein Informationskrieg statt. Leider musste ich selber feststellen, dass einige Dinge anders sind, als sie dargestellt werden.”

Zum Beispiel?

“Im russischsprachigen Fernsehen zeigten sie einen abgeschossenen Helikopter. Es wurde behauptet, dass es sich um einen Militärhubschrauber der ukrainischen Armee handele, der in der östlichen Stadt Slowjansk niedergeschossen wurde. Einige ukrainische Studenten gingen der Sache nach und stellten fest, dass es sich um Bilder eines abgeschossenes Helikopters aus Syrien handelte. Ich traf viele junge Leute, die sich deshalb aus dem Internet informieren und dort ihre Informationen austauschen.”

Es ist nicht ganz klar, wer die Rebellen sind und was sie genau wollen. Weisst du mehr darüber?

“Ich kenne sie natürlich auch nicht persönlich. Ich weiss nur eines: über etliche lokale Machthaber sprechen weder westliche noch russische und auch nicht ukrainische Medien. Ich meine damit die Oligarchen, die vor allem in der Ostukraine leben und wirken. Sie kontrollieren meiner Meinung nach etliche Teile des Landes. Ich würde das am ehesten mit der Mafia vergleichen. Durch Einschüchterungen, finanzielle Abhängigkeiten und politischen Einflüssen sind die Oligarchen sehr mächtig, werden aber nie namentlich zitiert oder in der Öffentlichkeit angesprochen.”

rv 07.05.2014 mg

Quelle

 

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