Emmanuels Odyssee:

 Mit 13 Jahren von Menschenhändlern betrogen

Kirche in Not, 11. Januar 2013

Jedes Jahr verlassen 25.000 junge Frauen und Männer Äthiopien, um im Ausland Arbeit zu finden und ihre Familien unterstützen zu können. Die Realität sieht anders aus. Sie werden ausgebeutet, ihrer Freiheit beraubt, sexuell missbraucht, um ihren Lohn betrogen. Am 13. Januar begeht die Katholische Kirche den 99. “Welttag des Migranten und des Flüchtlings”. Papst Benedikt XVI. verurteilt in seiner Botschaft Menschenhandel und Ausbeutung.

Emanuel war 13, als er mit dem Segen seiner Eltern und 100 CHF in der Tasche sein Heimatdorf in Nordäthiopien verliess, um im Jemen oder in Saudi-Arabien Arbeit zu finden. Er zahlte einem “Vermittler” fast sein ganzes Geld, damit dieser ihn über die Grenze nach Somalia bringen würde. Von dort aus sollte er in den Jemen gelangen, wo ihm eine Arbeitsstelle bei einer grossen Baufirma versprochen worden war. Stattdessen erwartete ihn eine Odyssee durch Äthiopien, auf der Emanuel ständig hungern musste. Als er schliesslich doch noch in der somalischen Hafenstadt Bossaso ankam, musste er ein Fischerboot besteigen. Mit dem Geld, das ihm geblieben war, bezahlte er die Überfahrt. In dem Boot hätten normalerweise höchstens 50 Menschen Platz finden können. Die Menschenhändler pferchten jedoch 250 Personen hinein, die so wenig Platz hatten, dass sie kaum atmen oder ihre Beine ausstrecken konnten. Als das Schiff drei Tage später im Jemen ankam, waren viele der illegalen Auswanderer nicht mehr am Leben. Die Menschenhändler hatten ihnen befohlen, mehrere Kilometer vor der Küste ins Wasser zu springen, damit sie selbst keine Probleme mit der jemenitischen Küstenpolizei bekämen. Viele der Männer, Frauen und Kinder, die an Bord waren, konnten jedoch nicht schwimmen und ertranken jämmerlich. Einige andere waren von den Menschenhändlern bereits auf hoher See ins Wasser geworfen worden, um zu verhindern, dass das völlig überladene Schiff umkippte.

Arbeiten ohne Lohn

Als er im Jemen ankam, erkannte Emanuel, dass die Menschenhändler ihn betrogen hatten. Niemand erwartete ihn an der Küste, um ihn zu seinem neuen Arbeitgeber zu bringen. Er war ganz allein und hatte drei Tage lang nichts gegessen. Schliesslich folgte er einer Gruppe äthiopischer Einwanderer in die Stadt. Nachdem er einige Tage auf der Strasse verbracht hatte, heuerte ihn ein jemenitischer Farmer an. Auf seiner Farm musste der 13jährige Junge oft mehr als 15 Stunden am Tag die schwersten Arbeiten verrichten. Seinen Lohn sah er nie. Nach fünf Monaten gelang ihm die Flucht. Nun wollte der Junge in der Stadt sein Glück versuchen. Nach einigen Wochen, in denen er hungerte und alle Hoffnung verlor, wurde er von der Polizei festgenommen und nur mit dem, was er auf dem Leib trug, nach Äthiopien zurückgeschickt.

Zu seiner Familie will der Junge nicht zurückkehren. Zu gross ist die Scham über das vermeintliche “Scheitern”. “Was würde mein Vater sagen? Was würden die Leute in meinem Heimatdorf sagen, wenn ich mit leeren Händen zurückkehre? Mein Vater hat seine wenigen Ziegen und seine Habseligkeiten verkauft, um den Vermittler zu bezahlen. Nun hat meine Familie nichts mehr. Sie alle warten darauf, dass ich Geld nach Hause schicke. Wie könnte ich also so zurückkehren?”, sagt er. Stattdessen will er nun in der Stadt Dire Dawa oder Jijiga im Grenzgebiet zu Somalia Arbeit finden. “Wenn ich genug Geld gespart habe, werde ich meiner Familie etwas davon schicken und dann versuchen, noch einmal in den Jemen zu gelangen.”

Kirche informiert über die Gefahren der Emigration

Pater Hagos Hayish, Generalsekretär der Äthiopischen Katholischen Bischofskonferenz, kennt viele Schicksale dieser Art. “Es ist zum Weinen”, sagt er. Es gebe sogar Fälle von Frauen, die mit abgehackten Händen in die Heimat zurückkehren, weil ihre Arbeitgeber in Saudi-Arabien sie des Diebstahls bezichtigten. Dafür sieht die Scharia diese drakonische Strafe vor.

Die Katholische Kirche in Äthiopien versucht, junge Menschen über die Gefahren der Auswanderung und vor allem des Menschenhandels aufzuklären, damit sie sich nicht von falschen Versprechungen verlocken lassen. Ausserdem kümmert sich die Kirche um Opfer von Menschenhandel, aber auch um die zahlreichen Flüchtlinge, die aus den Nachbarländern wie Somalia und dem Südsudan nach Äthiopien kommen. Das internationale katholische Hilfswerk KIRCHE IN NOT unterstützt mehrere Projekte in Äthiopien, die die Katholische Kirche zugunsten von Migranten und Flüchtlingen ins Leben gerufen hat, sowie zahlreiche Flüchtlingsprojekte in aller Welt

Quelle

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