Kann Europa nochmals christlich werden? *UPDATE

“Die neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens”

*’Neuheidentum’
Instrumentum laboris – “Die neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens”
Synode: Papst warnt vor gefährlicher “Lauheit”
Jahr des Glaubens (333)

Rom, Die Tagespost, 22. Juni 2012, von Guido Horst

Wird es noch einmal gelingen, den christlichen Glauben in Europa und den traditionellen Kernländern der katholischen Kirche wieder aufblühen und zu einer gestaltenden Kraft des kulturellen Lebens werden zu lassen? Das ist die Frage, um die es bei der kommenden dreizehnten ordentlichen Bischofssynode in Rom gehen wird. Sie findet vom 7. bis 28. Oktober 2012 statt und hat das Thema: “Die neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens”. Am vergangenen Dienstag hat der Generalsekretär der Bischofssynode, Erzbischof Nicola Eterovic, das Arbeitspapier der Synode, das sogenannte “Instrumentum laboris”, in Rom vorgestellt. Es fasst zusammen, was die Bischofskonferenzen, die Bischofssynoden der katholischen Ostkirchen, die Dikasterien der römischen Kurie und die Union der Generaloberen an Eingaben zur Vorbereitung der Versammlung nach Rom gesandt hatten. Auch die Stellungnahmen einzelner Bischöfe, Priester, Ordensleute, Laien, kirchlicher Vereinigungen und Bewegungen sind in das “Instrumentum laboris” eingeflossen.

Kurz nach Beginn der Synode wird es einen besonderen Tag geben, der die Beratungen der Bischöfe in einen tieferen Zusammenhang stellt: Am 11. Oktober eröffnet Benedikt XVI. das “Jahr des Glaubens” – auf den Tag genau fünfzig Jahre nach dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils und zwanzig Jahre nach der Vorstellung des “Katechismus der Katholischen Kirche”, der als eine Frucht des Konzils bezeichnet werden darf. Es sei ein bedeutsamer Moment für die Kirche, heisst es in dem “Instrumentum laboris”. Konzil, Katechismus und Glaubensjahr – alle drei erinnerten auf ihre Weise daran, sich “die Einladung zur Bekehrung”, die “Berufung zur Heiligkeit” und “die Wiederentdeckung des Glaubens zu Herzen zu nehmen”.

Das Arbeitspapier gliedert sich in vier Kapitel und behandelt Christus und das Evangelium als Geschenk für den Menschen, zweitens die “Zeit der neuen Evangelisierung”, drittens die Weitergabe des Glaubens sowie viertens die pastorale Tätigkeit der Kirche. Der Bogen zieht sich also vom Fundament des Christentums, der Anerkennung der Menschwerdung Gottes in der Geschichte der Menschheit, über die Notwendigkeit, in weiten Regionen der Welt das Evangelium ein zweites Mal verkünden zu müssen, hin zu der Frage, was die Kirche in ihrer Seelsorge hierfür konkret tun kann.

Vor allem seit dem Pontifikat Johannes Pauls II., so erinnert das “Instrumentum laboris”, gehört der Begriff der Neu- oder Re-Evangelisierung zum Sprachgebrauch der Kirche. Sie reagiert damit auf ein Phänomen, das dem Arbeitspapier zufolge global ist, sowohl “im Norden und im Süden der Welt, im Westen und im Osten, in Ländern, in denen die christliche Erfahrung Jahrtausend alte Wurzeln hat, und in den Ländern, die erst seit wenigen Jahrhunderten evangelisiert sind”. Das “Instrumentum” fasst dieses Phänomen so zusammen: “In Folge des Zusammentreffens kultureller und sozialer Faktoren – die wir gemeinhin mit dem Begriff ,Globalisierung‘ bezeichnen – haben Prozesse der Schwächung der Traditionen und der Institutionen ihren Anfang genommen. Sie haben sich sehr schnell auf die sozialen und kulturellen Bindungen und auf deren Fähigkeit ausgewirkt, Werte zu vermitteln und Antworten auf die Frage nach dem Sinn und nach der Wahrheit zu geben. Das Ergebnis ist ein beträchtlicher Verlust der Einheit der Kultur und ihrer Fähigkeit, den Glauben anzunehmen und mit den Werten zu leben, die von ihm inspiriert sind.” Die Folgen dieses Klimas für die Kirche seien in allen Eingaben an das Synodensekretariat sehr ähnlich beschrieben worden: “Schwäche des Glaubenslebens in den christlichen Gemeinschaften, Rückgang der Anerkennung der Verbindlichkeit des Lehramtes, Privatisierung der Zugehörigkeit zur Kirche, Verringerung der religiösen Praxis, Entbindung von der Weitergabe des eigenen Glaubens an die neuen Generationen.”

Was ist zu tun und welchen Impuls kann die kommende Bischofssynode geben? Während sich das dritte Kapitel sehr um die Notwendigkeit einer reifen und vom Glauben getragenen Katechese dreht, wendet sich das letzte Kapitel einzelnen Aspekten der pastoralen Tätigkeit der Ortskirchen zu. Das reicht von der Überprüfung der Taufpraxis und der Arbeit mit den Katechumenen über die Vorbereitung auf die erste Beichte und Kommunion oder die Firmung bis hin zu konkreten Orten und Initiativen, wo die Erstverkündigung in einer glaubenslos gewordenen Umwelt wieder stattfinden kann. Auch von Wallfahrtsorten, der Marienverehrung und Volksmissionen ist in dem Arbeitspapier die Rede.

Der im vierten Kapitel ausführlich angesprochene Auftrag der Erziehung, die in christlichen Familien, Schulen und Hochschulen zu leisten ist – und das in Zeiten eines offensichtlichen allgemeinen “erzieherischen Notstands” (Benedikt XVI.) –, führt unvermeidlich zu der Frage, wie die Kirche in einer Zeit missionarisch wirken kann, in der zentrale Begriffe wie eben “Erziehung” oder der Begriff “Freiheit” von der vorherrschenden Kultur inzwischen ganz anders interpretiert werden, als es die christliche oder kirchliche Tradition tat und tut. Arbeitspapiere wie das nun vorliegende “Instrumentum laboris” und die sich anschliessenden Bischofssynoden laufen immer ein wenig Gefahr, zwar das kulturelle und geistige Klima der postchristlichen Gesellschaften des einundzwanzigsten Jahrhunderts treffend analysieren zu können – es ist nicht das erste Mal, dass sich die Bischofssynode in Rom mit den Folgen des Glaubensverlustes der westlichen Welt befasst –, dann aber keine rechte Handhabe anbieten zu können, wie dem Vordringen des Neuheidentums zu wehren ist. Dem “Instrumentum laboris” zur Synode über die Neuevangelisierung steckt immer noch die unausgesprochene Denkvoraussetzung zugrunde, wie sie etwa Papst Paul VI. und viele Konzilsväter vor fünfzig Jahren getragen hat, dass nämlich die katholische Kirche so etwas wie die Erzieherin und geistig-geistliche Führerin der Menschheit sein könne. Dass die Kirche heute dagegen zunächst und vor allem wieder zu sich selbst finden und durch den notwendigen Prozess der “Entweltlichung” vom allgemeinen kulturellen Milieu abgrenzen muss, kommt in dem Arbeitspapier nicht so klar zur Sprache.

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