Angelo Secchi
Wie ein Ordensmann Italienern Zeit und Mass näherbrachte – Das Verhältnis der Italiener zur Zeit ist relativ. Doch ausgerechnet ein Ordensmann aus der Emilia-Romagna nahm es ganz genau und brachte dem Land im 19. Jahrhundert das rechte Mass – bei Zeit, Raum und Wetter
Quelle
Sant’Ignazio (Rom) – Wikipedia
Vor 200 Jahren: Jesuit und Astronom Secchi geboren
Angelo Secchi – Wikipedia
Registrierballon-Meteorograph im Weidenkörbchen :: Wettermuseum :: museum-digital:brandenburg
Stumm schaut er über die Dächer Roms in die Weite. Trotz der steten Sonneneinstrahlung ist sein Antlitz strahlend weiss. Einst starrte Angelo Secchi selbst auf den Punkt, an dem heute seine Büste steht – oben auf dem Monte Pincio zwischen Piazza del Popolo und Spanischer Treppe. Angelo Secchi (1818–1878) war Jesuit und begnadeter Astronom, ein Krater und ein Gebirge auf dem Mond tragen seinen Namen.
Zu Lebzeiten richtete er seine Himmelsbeobachtungen von der Sternwarte auf der Jesuitenkirche Sant’Ignazio im Zentrum Roms an dem kleinen Punkt aus, der sich heute unterhalb seiner Büste befindet – nachts mit Beleuchtung einer Fackel am Sockel. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern untersuchte er systematisch Tausende von Sternen, besonders die Sonne. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Ordensmann zudem Zeitansager der Römer, Wettermann des Kirchenstaats und Entfernungsmesser der Italiener.
Von Ballons und Kanonen – wichtige Zeitansage
«Kabumm», seit 1847 teilte den römischen Tag ein krachender Kanonenschuss. Papst Pius IX. liess die ungewöhnliche Zeitansage installieren, damit alle Kirchenglocken der Stadt gleichzeitig um 12 Uhr mittags läuten. Zunächst feuerte die Kanone von der Engelsburg, seit 1904 vom Gianicolo-Hügel nahe des Vatikans.
Für die korrekte Zeitansage war Pater Secchi zuständig, sein Institut mit dem sogenannten Zeitdienst in Rom beauftragt. Nach Vorbild des Greenwich-Observatoriums installierte er einen Zeitball am Dach der Jesuitenkirche – gut sichtbar für die Soldaten an der Kanone. Die mit Metall ummantelte Kugel wurde einige Minuten vor 12 Uhr hochgezogen und pünktlich zur Mittagszeit fallengelassen. Das Signal für den Schuss. Eine Art dieser Zeitanzeige ist jedes Silvester auf dem New Yorker Time Square zu sehen.
Angelo Secchis «römische Zeit» wurde auf den gesamten Kirchenstaat ausgedehnt und 1866 auch vom Königreich Italien übernommen. So konnten die noch recht neuen Eisenbahnen nach einem einheitlichen Plan fahren.
Italiens eigener Nullmeridian
Ebenfalls nicht unerheblich für die Zeitmessung sind die Längengrade, die die Welt in unterschiedliche Zonen einteilen. Das gilt nicht nur für einen einheitlichen Schienenverkehr. In Zeiten von Kolonialismus und internationalem Handel brauchte es besonders für die Seefahrt feste Referenzpunkte, um die geografische Lage eines Ortes sowie die Entfernung genau zu bestimmen.
Der Äquator teilt die Erde in eine Nord- und Südhalbkugel. Die an ihm orientierten Breitengrade lassen sich durch die Stellung des Polarsterns relativ simpel bestimmen. Doch an welchem Punkt teilt man die Erde der Länge nach? Das stellte Regierende wie Wissenschaft vor Herausforderungen.
Viele Staaten machten sich auf die Suche nach dem Nullpunkt, von dem aus sie ihre Messungen vornehmen konnten. Für die Vermessung eines mitteleuropäischen Meridians setzte sich das Königreich Preussen ein und viele Länder beteiligten sich an der Studie – auch Italien und der Kirchstaat unter Vorsitz des Jesuiten Secchi.
Der verlegte den früheren Referenzpunkt vom Kreuz der Petersdom-Kuppel auf den nahe gelegenen Hügel «Monte Mario». Dort erinnert heute ein Turm an den ersten Meridian Italiens von 1870, der auch durch die Vatikanischen Gärten verläuft. Zuvor passiert er die Lagune von Venedig, nach Rom die Westspitze Siziliens. Offizielles Mass war der Meridian nur bis 1884, bei der Internationalen Meridian-Konferenz stimmte auch Italien für den Nullmeridian von Greenwich.
Katholischer Wetterdienst
Angelo Secchi vermass noch allerlei anderes und nahm als päpstlicher Gesandter an der internationalen Konferenz zur Festlegung des Meters als Masseinheit in Paris teil. Doch sein Forschungsdrang beschränkte sich nicht auf Zeit und Raum, auch die Meteorologie faszinierte ihn.
Der Jesuit erfand einen Vorläufer der heutigen Wetterstation, die Fernmessung von Temperatur, Druck, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Niederschlagsmenge erlaubte. Der «Meteorograph» wurde 1867 auf der Weltausstellung von Paris vorgestellt und von Napoleon ausgezeichnet.
Bereits zuvor hatte Pater Secchi den ersten italienischen Wetterdienst eingeführt. Seine Vorhersage wurde täglich an die wichtigsten Städte des Kirchenstaates telegrafiert, auch um vor möglichen Unwettern zu warnen. Aus seiner Station auf der Kirche Sant’Ignazio ging später Italiens nationaler Wetterdienst hervor.
Auf seine ehemalige Wirkungsstätte blickt der 1878 gestorbene Angelo Secchi bis heute – als Büste aus Stein gänzlich unabhängig von Raum, Zeit und Wetter.
KNA/Redaktion
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