Zum Schweigen gezwungen
Theoretisch weniger Übergriffe, praktisch mehr Einschüchterung: Ein neuer Bericht zeigt, wie unterdrückt die Kirche aktuell in Nicaragua ist
30.08.2025
Meldung
Die Zahl der dokumentierten Angriffe auf die katholische Kirche in Nicaragua ist im Jahr 2025 deutlich gesunken – doch der Schein trügt, wie die Nachrichtenagentur EFE berichtet. Die im Exil lebende Anwältin Martha Patricia Molina erklärt, dass der Rückgang nicht auf eine Entspannung der Lage zurückzuführen sei, sondern auf die Angst der Geistlichen: “Viele Priester und Ordensleute schweigen, weil sie Repressalien gegen sich oder ihre Familien fürchten”, sagte Molina bei der virtuellen Präsentation der siebten Ausgabe ihres Berichts “Nicaragua: Eine verfolgte Kirche” Mitte der Woche.
Bis Juli 2025 verzeichnete sie 32 Übergriffe gegen die Kirche – weit weniger als die 183 Fälle im Jahr 2024 oder die 321 im Jahr 2023. Insgesamt wurden zwischen April 2018 und Juli 2025 jedoch 1.010 Angriffe registriert, darunter 362 direkte Repressionen gegen Geistliche, 244 Attacken auf Kirchen, 103 Schändungen und Diebstähle, 98 Übergriffe auf Laien sowie 92 Hassbotschaften. Hinzu kommen 36 Beschlagnahmungen, 75 Attacken auf kirchennahe Medien und NGOs sowie die willkürliche Schließung von 13 Bildungseinrichtungen, 24 Medien und 75 gemeinnützigen Organisationen.
Ordensleute gehen ins Ausland
Besonders gravierend ist das Verbot religiöser Feiern: Von 2019 bis 2025 untersagte die Polizei 16.564 Prozessionen und Veranstaltungen. Zudem mussten 302 Ordensleute – 170 Männer und 132 Frauen – ihre Tätigkeit im Land einstellen. Viele setzen ihre Arbeit inzwischen im Ausland fort, andere sind durch Passentzug oder die Verweigerung neuer Dokumente faktisch an der Wiedereinreise gehindert.
Molina weist darauf hin, dass das Ausbleiben von Anzeigen auch auf das Fehlen unabhängiger Medien zurückzuführen sei. Damit verschwinden viele Vorfälle aus der öffentlichen Wahrnehmung. Ihre Recherchen werden jedoch regelmäßig dem Vatikan übermittelt. Eine gedruckte Ausgabe soll im September Papst Leo XIV. überreicht werden.
Die Beziehungen zwischen Staat und Kirche haben sich seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Vatikan 2023 drastisch verschlechtert. Papst Franziskus sprach damals von einer “groben Diktatur” und deutete ein “Ungleichgewicht” bei Ortega an. Unterdessen bleibt für Nicaraguas Kirche nur das Schweigen – ein Schweigen, das weniger Sicherheit bedeutet, sondern vielmehr Ohnmacht vor einer Regierung, die ihre Stimme systematisch erstickt.
DT/jg
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