Die Kirchen leisten passiven Widerstand
Die Christen in Gaza-Stadt lassen sich nicht vertreiben – Papst Leo setzt auf einen “unbewaffneten und entwaffnenden” Frieden
27.08.2025
“Der Klerus und die Ordensfrauen haben beschlossen, zu bleiben und sich weiterhin um alle zu kümmern, die sich in den kirchlichen Komplexen aufhalten.” Mit diesen Worten haben jetzt der lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, und der dortige griechisch-orthodoxe Patriarch, Theophilos III., in einer gemeinsamen Erklärung angekündigt, dass sie Gaza-Stadt nach der Entscheidung Israels, den Gazastreifen komplett zu besetzen, nicht verlassen werden. “Gaza zu verlassen und zu versuchen, nach Süden zu fliehen, wäre ein Todesurteil”, erklären sie und fügen hinzu, dass “es keine Zukunft geben kann, die auf Gefangenschaft, Vertreibung der Palästinenser oder Rache basiert. Es gibt keinen Grund, die absichtliche und erzwungene Massenvertreibung von Zivilisten zu rechtfertigen”.
Das Wort “Bleiben” steht deshalb auch auf den Titelseiten mehrerer italienischer Zeitungen. So titelt der katholische “Avvenire”: “Die Christen bleiben in Gaza. Eine dramatische und bewusste Entscheidung”. Und doch ist es eine Entscheidung, die im Einklang mit jenem “unbewaffneten und entwaffnenden Frieden” steht, von dem Papst Leo XIV. spricht. Genau das hat er als Thema für den nächsten Weltfriedenstag am kommenden 1. Januar gewählt: “Friede sei mit euch allen: Auf dem Weg zu einem ‘unbewaffneten und entwaffnenden’ Frieden”.
Zweifel an Israel wachsen
Während Papst Leo die Hoffnung nicht aufgeben will, dass ein gewaltloses Zeugnis für den Frieden Frucht bringen kann, wachsen hierzulande, gerade bei den jüngeren Generationen im Westen, die weder den Sechstagekrieg von 1967 noch den Jom-Kippur-Krieg von 1973 (geschweige denn den Palästinakrieg von 1948/49) erlebt haben, Zweifel am Sinn der israelischen Besatzungspolitik. Der Vorschuss an Sympathie und Solidarität mit Israel, den viele Jüngere von den Älteren ererbt haben, droht verloren zu gehen. Das hat mit Antisemitismus nicht das Geringste zu tun. Die israelischen Verteidigungskräfte gelten als eine der präzisesten und professionellsten Armeen dieser Welt. Immer nur Dementis, Ankündigungen von Untersuchungen oder Entschuldigungen zu hören, wenn wieder einmal Journalisten getötet, humanitäre Einrichtungen oder die katholische Pfarrei bombardiert und Krankenhäuser und Zivilisten beschossen wurden, lässt an der Seriosität der Verantwortlichen zweifeln.
Verfestigung des Nahost-Konflikts
Vor allem die gewaltsame Vertreibung von einer Million Palästinensern aus Gaza-Stadt und der Bau neuer israelischer Siedlungen im Westjordanland östlich von Jerusalem legen Grundsteine für eine Perpetuierung des Nahost-Konflikts, die selbst Israel nur schaden kann. Bei allem Verständnis für die Absicht der Regierung Benjamin Netanjahus, dem Terror der Hamas ein für alle Mal ein Ende zu bereiten: Gerade das E-1-Projekt Israels würde das Westjordanland in zwei Teile zerschneiden, eine Apartheid-Politik zementieren, die die internationale Gemeinschaft gegen Israel aufbringt – und nicht einem einzigen Hamas-Terroristen das Handwerk legen.
Diese neuen Siedlungen würden nur belegen, dass der Judenstaat keine dauerhafte Versöhnung mit den Palästinensern als Fernziel hat, sondern nur deren Vertreibung und Unterdrückung. Die derzeitige Politik der Regierung Netanjahu ist kurzsichtig und nicht mehr von dem Friedenswillen geprägt, der einst Männer vom Format eines Jitzchak Rabin oder Schimon Peres auszeichnete. Das Prinzip Hoffnung, das Papst Leo meint, wäre im Fall Israels eine Hoffnung darauf, dass dort wieder Personen die Regierungsverantwortung übernehmen, denen die “Roadmap” in Richtung Frieden wieder ein wichtiges, weil einzig zukunftsfähiges Ziel der Politik ist.
Katholischen Journalismus stärken
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!
Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.
Themen & Autoren
Guido Horst
Benjamin Netanjahu
Hamas
Kardinäle
Leo XIV.
Päpste
Schimon Peres
Schreibe einen Kommentar