Ein Leben nach der Entführung
Ein Leben nach der Entführung – Chaldäischer Bischof berichtet – Der chaldäische Bischof Saad Sirop Hanna lebt heute in Schweden und leitet die chaldäisch-katholische Gemeinde in Södertälje. In einem Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten der Pressereise des Bonifatiuswerkes berichtet er von seiner Entführung im Irak, seinem Weg der Vergebung und den Herausforderungen seiner Gemeinde in der schwedischen Gesellschaft
Quelle
Ein Jahr zwischen Kerzenlicht und Kirchenkaffee – Vatican News
Mario Galgano – Södertälje (Schweden)
Der 15. August 2006 hat das Leben von Saad Sirop Hanna grundlegend verändert. Damals war er Pfarrer einer chaldäisch-katholischen Gemeinde im Südwesten Bagdads, in einem Viertel, das wegen der Gewalt zwischen verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen als “Dreieck des Todes” bezeichnet wurde. Direkt nach der Messe wurde er entführt. 28 Tage lang hielten ihn fanatische Gruppen gefangen. “Ich wusste nicht, wer sie waren. Meine Augen waren verbunden, meine Hände gefesselt. Ich konnte nur Stimmen hören, keine Gesichter sehen”, berichtet er rückblickend.
Tief geprägt
Heute lebt Saad Sirop Hanna in Schweden. Er ist apostolischer Visitator für die Chaldäer in Europa und leitet die Gemeinde in Södertälje, einer Stadt südlich von Stockholm mit einer großen christlich-irakischen Diaspora. Die Erfahrungen aus der Zeit der Gefangenschaft haben ihn tief geprägt. “Ich bin ein neuer Mensch geworden. Ich sehe die Welt anders. Ich habe gelernt, das Wesentliche zu erkennen – das Gute im Menschen zu suchen und trotz allem auf das Gute zu hoffen.
Die Fähigkeit zur Vergebung sei zentral. “Vergebung ist ein Teil unseres Glaubens. Gott hat uns alles vergeben und uns ein neues Leben geschenkt. Auch ich vergebe meinen Entführern. Die Erinnerung bleibt, aber ich versuche, mich innerlich zu versöhnen.”
Wachstum
Die chaldäische Gemeinde in Schweden wächst – und steht vor Herausforderungen. “Wir kommen aus einer anderen Kultur, mit einer anderen Mentalität. Besonders die ältere Generation muss sich noch stärker mit den hiesigen Werten und dem Lebensstil auseinandersetzen.” Viele junge Chaldäer seien bereits gut integriert, studierten, arbeiteten als Ärzte, Ingenieure oder Lehrer. “Wir haben viele gute Bürgerinnen und Bürger unter uns”, sagt Bischof Saad.
Gleichzeitig beobachtet er mit Sorge die politischen Entwicklungen. “In den öffentlichen Reden hören wir häufiger negative Töne gegenüber Migranten. Das ist gefährlich für das Selbstbild der jungen Generation. Sie brauchen Anerkennung und Wertschätzung – nicht das Gefühl, immer nur als Fremde gesehen zu werden.”
“Die Probleme unserer Zeit sind komplex.”
Er appelliert an Politik und Gesellschaft, nicht vorschnell zu urteilen: “Die Probleme unserer Zeit sind komplex – wirtschaftlich, sozial, kulturell. Sie dürfen nicht auf einzelne Gruppen projiziert werden. Es braucht mehr Dialog und gegenseitiges Zuhören.”
Das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche beschreibt der chaldäische Bischof als gut. Besonders die Unterstützung durch Kardinal Anders Arborelius, den Bischof von Stockholm, sei wichtig: “Er ist ein sehr aufmerksamer Mensch. Die römisch-katholische Kirche ist für uns wie eine große Schwester. Wir sind verschieden, aber wir verstehen uns gut.”
Die chaldäische Kirche ist eine der ältesten christlichen Kirchen im Nahen Osten. Heute lebt ein bedeutender Teil ihrer Gläubigen in der Diaspora – darunter viele Geflüchtete aus dem Irak. In Schweden versuchen sie, ihre liturgische Tradition zu bewahren und gleichzeitig Teil der schwedischen Gesellschaft zu werden. Bischof Saad sieht darin eine doppelte Aufgabe: “Wir wollen das Gute unserer Herkunft bewahren – und gleichzeitig offen sein für das Leben hier.”
vatican news, 23. Juli 2025
Themen
Schweden
Ostkirchen
Interview
Interreligiöser Dialog
Bischöfe
Schreibe einen Kommentar