Integration mit Herz und Struktur
Integration mit Herz und Struktur: Katholische Gemeinde im Wandel
Quelle
Apostolische Reise des Heiligen Vaters nach Schweden (31. Oktober – 1. November 2016) | Franziskus
Die katholische Gemeinde St. Nikolai im schwedischen Linköping ist ein Ort gelebter Integration. Bei einem Besuch von Journalistinnen und Journalisten im Rahmen einer Pressereise des Bonifatiuswerks wurde deutlich, wie vielfältig und vielschichtig sich das Gemeindeleben gestaltet – getragen von Ehrenamtlichen, staatlicher Unterstützung und ökumenischer Zusammenarbeit
Mario Galgano – Linköping (Schweden)
Die Kirche St. Nikolai in Linköping wurde 1968 mit Unterstützung des Bonifatiuswerks gebaut. Seither hat sich das Areal erweitert – heute umfasst es neben dem Kirchenraum auch einen Gemeindesaal, in dem sich unter der Woche regelmäßig ältere Menschen und Bedürftige zum Mittagessen treffen. “Dreimal pro Woche bieten wir ein günstiges Mittagessen an – für 60 Kronen, einige essen kostenlos”, sagt Johannes Heiss, der in der Gemeinde tätig ist. Die Finanzierung ist ein ständiges Ringen: Mittel kommen unter anderem von der Caritas, vom Bistum und in Teilen durch staatliche Zuschüsse. “Wir leben von Jahr zu Jahr mit Beiträgen. Wenn die ausbleiben, geht es nicht weiter”, sagt Heiss nüchtern.
Die Gemeinde zählt etwa 3000 Mitglieder aus rund 80 Nationen. In dieser Internationalität spiegelt sich das Profil vieler katholischer Gemeinden in Schweden wider. Große Gruppen stammen aus Polen, Kroatien und zunehmend auch aus der Ukraine. Der Integrationsgedanke durchzieht das gesamte pastorale und soziale Engagement. “Ich glaube, wir – und auch Muslime und orthodoxe Christen – sind die größten Integrationszentren in Schweden, wenn man Integration als Austausch von Kulturen und Sprachen versteht”, erklärt Heiss. Projekte gegen unfreiwillige Einsamkeit, die vom schwedischen Staat gefördert werden, binden gezielt Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern ein – etwa Mitarbeitende aus Eritrea, Polen und El Salvador. “Die Idee ist, dass man Menschen in ihrer Sprache anspricht, ihre Kultur achtet und sie in bereits bestehende soziale Netzwerke einbindet.”
Ein zentrales Anliegen ist die ökumenische Zusammenarbeit. Seit dem Besuch von Papst Franziskus im Jahr 2016, der Schweden nachhaltig beeindruckte, habe sich vieles verändert. Man bete gemeinsam Vesper, kooperiere mit evangelischen Gemeinden in diakonischen Projekten und pflege den informellen Austausch. “Die alltägliche Ökumene geschieht bei der Arbeit, mit Nachbarn, in gemeinsamen Initiativen”, beschreibt Heiss. Viele freiwillige Helferinnen und Helfer kommen aus der lutherischen Kirche, darunter auch ehemalige Angestellte der Bistumsverwaltung.
Die katholische Kirche in Schweden bewegt sich jedoch weiterhin in einem gesellschaftlichen Spannungsfeld. Zwar wurde mit der Abschaffung der lutherischen Staatskirche auch die katholische Kirche formal gleichgestellt, dennoch sei eine gewisse Skepsis spürbar. “Meine Mutter konnte in den 1950er-Jahren als Katholikin nicht im öffentlichen Dienst arbeiten”, berichtet Heiss. Heute stoßen katholische Einrichtungen wie Schulen oder Kindergärten mitunter auf gesetzliche Schranken. Religiöse Inhalte sind in vielen Bildungsbereichen unerwünscht – auch in privaten Trägerschaften. “In der Kita spiele ich mit den Kindern Gitarre und singe über Jesus – aber ich darf nicht sagen, dass es Religion ist.”
Die Gemeindearbeit in St. Nikolai ist geprägt von Pragmatismus, Kreativität und einem klaren sozial-diakonischen Auftrag. Die Herausforderungen sind vielfältig – von der Integrationsdebatte bis zur Finanzierung –, doch der Wille, als Kirche in der Gesellschaft präsent zu sein, bleibt spürbar. Inmitten einer zunehmend säkularen Umgebung wird die Gemeinde zum Ort konkreter Hilfe und stiller Vernetzung. Integration ist hier kein abstrakter Begriff, sondern gelebter Alltag – in vielen Sprachen, getragen von vielen Händen.
vatican news, 19. Juli 2025
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