Ausdruck einer tieferen Krise

Die niedrigste Geburtenrate seit 30 Jahren ist nicht auf fehlende “Rahmenbedingunge” fürs Kinderkriegen zurückzuführen. Sie ist Ausdruck einer tieferen Krise

Geburtenrückgang: Die einschlägigen Narrative sind unzutreffend | Die Tagespost

Familienpolitik: Wer bekommt die meisten Kinder?

Stefan Fuchs

Die Geburtenrate deutscher Frauen ist so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte, war die Geburtenziffer der Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit mit 1,23 Kindern je Frau so niedrig wie zuletzt 1996 (1,22 Kinder pro Frau). Die Geburtenrate ausländischer Frauen lag bei 1,84 Kindern pro Frau, so dass sich insgesamt eine Geburtenrate von 1,35 Kindern für das Jahr 2024 ergab. Im Vergleich zum Jahr 2021 (1,58) ist die Geburtenrate regelrecht abgestürzt.

Anlässlich der ernüchternden Zahlen fragt “Bild”: “Wollen die Frauen in Deutschland einfach keine Kinder mehr?” Von einem bekannten Demographen erhält die Boulevard-Zeitung die voraussehbare Antwort, dass der Kinderwunsche konstant wäre, aber “die Rahmenbedingungen” für viel nicht stimmten.

Es liegt nicht an Unvereinbarkeit von Beruf und Familie

Fehlende “Rahmenbedingungen”, das hieß über viele Jahre: Es gibt nicht genug Krippen- beziehungsweise Betreuungslätze, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Mütter zu gewährleisten. Abhilfe schaffen sollte eine “nachhaltige” Familienpolitik, die sich zum Ziel setzte, die Erwerbstätigkeit von Müttern zu steigern und zugleich die Geburtenrate auf 1,7 Kinder pro Frau zu erhöhen. Zu diesem Zweck wurden viele Milliarde für den Ausbau für Kindertagesbetreuung eingesetzt – seit 2005 sind die öffentlichen Ausgaben für Kinder- und Jugendhilfe um etwa das Dreifache gestiegen. Der Personalbestand hat sich in dieser Zeit etwa verdoppelt und trotzdem wurde beständig der “Fachkräftemangel” beklagt.

Inzwischen fürchten Erzieherinnen vor allem in Ostdeutschland um ihre Arbeitsplätze, weil Kindertageseinrichtungen zusammengelegt oder geschlossen werden müssen. In Großstädten wie Berlin sieht man allerorten Aushänge, mit denen Kindertagesstätten für ihre freien Plätze werben. Im Zuge des Geburteneinbruchs seit 2022 ist aus dem Mangel an Kitaplätzen ein Mangel an Kindern geworden.

Der Geburteneinbruch, der sich in den ersten Monaten 2025 noch beschleunigt hat, kann also offensichtlich nicht mit fehlenden Betreuungsplätzen erklärt werden. Trotzdem versuchen Medien wie die “Bild” das frauenpolitische Narrativ fortzuspinnen. Schuld an der fehlenden “Vereinbarkeit” sollen jetzt die Unternehmen sein, die Mütter diskriminierten und – natürlich – die Männer, die nicht genug im Haushalt helfen.

Für Verfechter von “Gender Mainstreaming” und Geschlechterparität viel zu wenig

Eigentlich ist es unbestreitbar, dass Unternehmen in Zeiten von “Homeoffice” und flexibler gewordenen Arbeitszeiten Müttern viel häufiger entgegenkommen als früher. Auch kann jeder auf den Spielplätzen sehen, dass sich Väter viel mehr als früher an Betreuungsaufgaben beteiligen. Natürlich ist das alles für Verfechter des “Gender Mainstreaming” und der Geschlechterparität immer noch viel zu wenig. Aber mit dem jüngsten Geburtenrückgang hat das nach allen Regeln der Logik nichts zu tun.

Viel einleuchtender ist es, den Einbruch auf den Verlust von “Optimismus und Lebensmut” im Zuge der politischen und ökonomischen Krise zurückzuführen, den der von “Bild” befragte Demograph auch anspricht. Der Verweis auf den “Lebensmut” führt zur Wurzel der Problematik, die nicht in ominösen „Rahmenbedingungen“, sondern in einer tiefen Bewusstseinskrise zu suchen ist.

Der Autor ist promovierter Politikwissenschaftler.

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