Das verflixte Franziskus-Erbe

Wie reagieren kritisch-deutsche römisch-katholische Theologen, wenn sie feststellen, dass Franziskus doch nicht so liberal war wie gedacht? Bernhard Meuser hat es aufgeschrieben

Quelle
“Brief von Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland”

24.04.2025

Bernhard Meuser

Auch für kritisch-deutsche römisch-katholische Theologen hat zu gelten:

Über einen Verstorbenen sagt man in Phase 1 nichts Böses.
Phase 2: Haltungsnoten geben! (Eislauf: 1 = nicht gelaufen … – 6 = perfekt, fehlerlos).
Phase 3: Fotoalben durchforsten! (“…der weiße Mann neben mir”).
Phase 4: Vereinnahmen! (“Was ich immer schon gesagt habe …”).
Phase 5: Deutungshoheit: Wo ist ein Testament, etwas Wegweisendes in die richtige Richtung?

Wir Deutschen werden von Franziskus extra bedacht

Papst Franziskus hat seinen Nachlass beizeiten geregelt. Es gibt ein Testament (handgeschrieben); wir Deutschen werden im Erbe extra bedacht. “Ihr habt”, schreibt der verstorbene Papst, “der Weltkirche große heilige Männer und Frauen, große Theologen und Theologinnen sowie geistliche Hirten und Laien geschenkt, die ihren Beitrag für das Gelingen einer fruchtbaren Begegnung zwischen dem Evangelium und den Kulturen geleistet haben.”

Na, das klingt ja mal nicht schlecht! Weiter, Papst Franziskus, wir hören!

“Heute indes stelle ich gemeinsam mit euch schmerzlich die zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens fest mit all dem, was dies nicht nur auf geistlicher, sondern auch auf sozialer und kultureller Ebene einschließt.” Ja, schon klar, der Trend läuft gerade gegen uns. Aber das liegt – da sind wir uns ja wohl einig – an unserem Modernedefizit, an ineffizienten, undemokratischen Strukturen, am Mangel an Gremien, Räten usw., – oder? Gut, lesen wir weiter!

Was steht denn da? Da erinnert der verstorbene Papst doch tatsächlich daran, dass eine der größten Versuchungen im kirchlichen Bereich darin bestehe zu glauben, dass “die Lösungen der derzeitigen und zukünftigen Probleme ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen sei, dass diese aber schlussendlich in keiner Weise die vitalen Punkte berühren, die eigentlich der Aufmerksamkeit bedürfen. … Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert aber das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen.”

Wie bitte, wir hätten die “vitalen Punkte” nicht berührt? Was für ein Unsinn! … Schade, der Papst kann das ja jetzt nicht mehr lesen. Haben wir nicht den Missbrauch beim Schopf gepackt, um Gender einzuführen, den Zölibat zu bekämpfen, die Sexualmoral abzuschaffen, die Priester zu entmystifizieren, die Bischöfe unter Kuratel zu stellen, die Frauenordination durchzusetzen … Was denn noch bitte?

Ah, da steht was von “Einladung”! Einladung ist immer gut! Wozu sind wir eingeladen? Wir sind eingeladen, uns “dem zu stellen, was in uns und in unseren Gemeinden abgestorben ist, was der Evangelisierung und der Heimsuchung durch den Herrn bedarf.”

Einspruch, Eure Heiligkeit!

Abgestorben? In uns? Unseren brummenden Verbänden? Wir würden “ein ‘gasförmiges’, vages Christentum … ohne den notwendigen ‘Biss’ des Evangeliums leben”? Unerhört! Wir werden das Testament, den “Brief von Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland” anfechten – ganz eindeutig. Der nächste Papst wird der Logik der Geschichte gehorchen. “Tut er es nicht, so wird dies auch nichts an den Dynamiken verändern, die die katholische Kirche längst unwiderruflich erfasst haben.” (Magnus Striet)

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