Sehnsucht nach Auferstehung
Verwirrung und Gewalt breiten sich aus. Wider die Schwerkraft des Bösen vertrauen Christen auf den geschichtsmächtigen Gott
19.04.2025
Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen. Dramatisch wie im Dreißigjährigen Krieg und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht uns diese Wahrheit heute in ihrer Tragik vor Augen. Der natürliche Tod scheint zum geglückten Ausnahmefall geworden zu sein. Wohin wir blicken, wird gemordet: in den Ländern der Bibel, in der von Russland überfallenen Ukraine, in vielen Ländern Afrikas und Asiens. Getötet werden wehrlose Zivilisten, verzweifelte Frauen, hilflose Greise, unschuldige Kinder. Ermordet werden sie vielfach anonym, gezielt oder wahllos, weil sie der imperialen oder der individuellen Selbstverwirklichung von irgendwem im Wege stehen.
Maßlos wie die Zahl der Ermordeten ist die Grausamkeit der Täter und die Ignoranz der Gesellschaften rund um den Globus. Wir gehen weiter, gehen unseren Geschäften nach, gehen mit traurigem oder abgestumpftem Blick vorüber: Massaker an Juden, an Palästinensern, an Alawiten, an Kurden, an Sudanesen, an Christen, an Ukrainern, an Jesiden, an ungeborenen Kindern – doch die Karawane zieht weiter, blickt besorgt auf Börsenkurse, Wettervorhersagen und Koalitionsbildungen.
Ist die Wahrheitsfrage gleichgültig?
Jesus bezeichnet den Teufel als “Vater der Lüge” und “Mörder von Anbeginn” (Joh 8,44). Ist dies seine Stunde? Ertrinken wir nicht gerade in einem Meer von Lügen, Desinformation und Propaganda, das unter dem Deckmantel von Meinungsfreiheit und -vielfalt jeden Wahrheitsanspruch, ja das Vertrauen in die Wahrheitsfähigkeit des Menschen hinweggeschwemmt zu haben scheint? Können wir Wahrheit und Irrtum, gut und böse, Opfer und Täter, Ordnung und Chaos noch unterscheiden und benennen? Oder ist alles irgendwie gleich gültig und die Wahrheitsfrage damit gleichgültig? Ertrinken wir nicht auch in einem Meer an Blut und Tränen all der unschuldigen Opfer islamistischer, imperialistischer, individualistischer Ideologien? Lastet nicht jenseits unserer müden Wohlstandszone auf den Christen weltweit schwer die Voraussage des Herrn: “Wenn sie mich verfolgt haben, dann werden sie auch euch verfolgen.”
Ja, mehr noch: Sind nicht die Menschenrechte, die nach dem Zweiten Weltkrieg zumindest formal und deklaratorisch zum Konsens der Staatenwelt erklärt wurden, längst dekonstruiert worden? Und wurde nicht die alte Menschheitssehnsucht nach Gerechtigkeit, die im modernen Rechtsstaat in Reichweite zu geraten schien, im Säurebad der Ideologien aufgelöst?
“Das ist eure Stunde. Jetzt hat die Finsternis die Macht.” (Lk 22,53) Jesus sprach da von seiner Verhaftung und Auslieferung an die Mächte dieser Welt. Aber spüren wir nicht auch in der Welt von heute die Macht der Finsternis, das Walten der Chaosmächte, die Verwirrung und Zwietracht säen, um Menschenopfer zu ernten?
Gottes Heilshandeln überwindet die Finstermächte
Ist Weltgeschehen nur profan, nur politisch und psychologisch zu deuten? Wenn es so wäre, dann wären auch Trost, Hoffnung und Zuversicht nur politisch und psychologisch zu interpretieren, dann wäre Religion doch nur “Opium des Volkes” (wie Marx meinte) oder “Opium für das Volk” (wie Lenin formulierte). Der christliche Glaube dagegen sieht alle Weltgeschichte eingebettet in Heilsgeschichte. Und so fasst der letzte und schönste Schöpfungsbericht der Heiligen Schrift, der Johannes-Prolog, in einem Satz zusammen, was uns in der Finsternis der Jetztzeit Zuversicht geben kann: “Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.” (Joh 1,9) Ostern belegt die Irreversibilität dieser Zusage: Auferstehung ist der Triumph über den Tod. Gottes Heilshandeln überwindet die Finstermächte, in deren Machtspielen wir gefangen scheinen. Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen.
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