“Ich bin ein hoffnungsloser Romantiker”

Äthiopischer Prinz und Bestsellerautor: Prinz Asfa-Wossen Asserate ist ein spannender “Weltchrist”. Ein Gespräch über seinen Glauben

Quelle
Prinz Asfa-Wossen Asserate

11.04.2025

Esther von Krosigk

Die Herkunft aller Menschen geht auf Adam und Eva zurück – doch wessen Vorfahren in direkter Linie finden sich schon im Alten Testament verzeichnet? Prinz Asfa-Wossen Asserate hat eine solche biblische Abstammung vorzuweisen, die mit dem Besuch der Königin von Saba bei König David vor 3.000 Jahren ihren Anfang nahm. Die beiden Herrscher fanden nämlich großen Gefallen aneinander und zeugten Menelik I., der die Salomonische Dynastie in Äthiopien begründete. Prinz Asfa-Wossen Asserate, Bestseller-Autor und Unternehmensberater, ist Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, der beim Staatstreich 1974 durch die Militärjunta abgesetzt wurde. Im Interview spricht Prinz Asfa-Wossen Asserate, der seit Jahrzehnten in Frankfurt lebt und inzwischen Deutscher ist, über veganes Fasten, die Muttergottes als Taufpatin und wen er aus seiner langen Ahnenreihe am meisten bewundert.

Prinz Asserate, Sie haben ein viel beachtetes Buch über Manieren geschrieben – seitdem sind 20 Jahre vergangen und die Sitten sind rauer geworden. Wie beurteilen Sie das Benehmen der Menschen heutzutage?

Ich bin voller Optimismus, was die nächste Generation angeht. Denn ich habe die Freude und wirklich auch das Vergnügen, bundesweit an Gymnasien über Werte und Tugenden im 21. Jahrhundert zu sprechen. Und ich darf Ihnen versichern: Diese junge Generation ist manierlicher als meine Generation.

Das erstaunt mich jetzt aber zu hören.

Ich bin 68er! Damals war es, was Äußerlichkeiten angeht, alles völlig anders. Sicher, heutzutage übertreiben es die Jugendlichen teilweise und machen es mit ihren hohen Ansprüchen den Eltern schwer. Sie wollen nicht irgendeine Jeans, sondern es muss eine bestimmte Marke sein. Aber diese jungen Menschen haben einen Sinn für Schönheit. Da sind sie sehr viel weiter als wir waren, wenn Sie sich den 68er-Look anschauen.

Erkennen Sie bei einem Unbekannten sogleich, ob er gute Manieren hat?

Ja. Es gibt einen einfachen Test: Gehen Sie mit ihm Essen. Nicht, um zu sehen, wie er mit Messer und Gabel umgeht. Nein, das ist zweitrangig. Schauen Sie, wie er den Kellner behandelt. Daran erkennen Sie es.

“Mein Großvater hat mir das Vaterunser beigebracht.”

Sie selbst haben eine vornehme Erziehung genossen. Als Mitglied der kaiserlichen Familie wuchsen sie in einem Palast mit Hofstaat, mit prunkvollen Feiern, mit viel Zeremoniell auf. Was haben Sie aus diesem früheren Leben ins Heute mitgenommen?

Mich hat vor allem die Beziehung zu meinem Großvater tief geprägt. Er war der zweite Mann im Staat und ein enger Berater des Kaisers. Zudem ein Philosoph, der 14 Bücher in seinem Leben geschrieben hat. Von ihm habe ich meine religiösen Wurzeln: Er hat mir das Vaterunser beigebracht, mit ihm habe ich zum ersten Mal gefastet. Ich war etwa sieben oder acht Jahre alt.

Sie gehören der Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche an. Wie wird da gefastet?

Man muss zwischen dem Großen Fasten vor Ostern, das acht Wochen dauert, und kürzeren Fastenzeiten zu anderen Anlässen während des Jahres unterscheiden. Ich habe damals mit dem Kleinen Fasten zu Mariä Himmelfahrt begonnen, das sind 15 Tage. Dabei darf man sich nur vegan ernähren, Fleisch, Milchprodukte und Eier sind also tabu. Es gibt landestypische Fastengerichte mit Linsen, Kartoffeln, Karotten und Mangold.

Was hat Ihren christlichen Glauben noch geprägt?

Das waren die großen christlichen Feste, an denen auch wir Kinder im Palast teilnehmen durften: Neben Weihnachten, Ostern, Pfingsten wurde die Taufe Christi sehr feierlich begangen. Allerdings war der Kaiser nicht das Oberhaupt der äthiopisch-orthodoxen Kirche, sondern sozusagen Defensor Fidei. Bei den genannten Festen war auch die Bevölkerung mit dabei – Hunderttausende Menschen. Übrigens werden diese Festlichkeiten bis zum heutigen Tag ausgerichtet, jetzt vom Patriarchen. Und das Unfassbare ist: Noch nie hat sich unser Volk so tiefgläubig gezeigt wie in der aktuellen Misere unseres Landes. Zwar hat man mit der Revolution vor fünfzig Jahren versucht, das Christentum zu eliminieren, aber genau das Gegenteil ist eingetreten: Der Glaube ist stärker geworden. Weil das Volk während des Terror-Regimes nach Trost suchte. Im Januar dieses Jahres kamen zur Taufe Christi Millionen von Pilgern nach Addis Abbeba und feierten in den Straßen der Hauptstadt.

“Ich bin ein Marienkind.

Sie sind Frankfurt seit Ihrer Studienzeit treu geblieben, als Ihre geistige Mitte haben Sie einmal die dortige Liebfrauenkirche bezeichnet. Warum ist das so?

Ich bin ein Marienkind. Nach dem äthiopischen Kalender bin ich an einem hohen Marienfesttag geboren, die Muttergottes übernahm bei meiner Taufe die Patenschaft. Wie es bei uns vorgeschrieben ist, fand die Taufe, weil ich männlich bin, am 40. Tag nach der Geburt statt. Die Mädchen werden erst am 80. Tag getauft. Damals war es noch Usus, dass bei der Zeremonie die Säuglinge gänzlich ins eiskalte Wasser getaucht wurden, was bei mir eine beidseitige Lungenentzündung verursachte. Daran wäre ich fast gestorben. Dass ich überlebt habe, ist auch der Muttergottes zu verdanken. Am Sonntag besuche ich meistens die katholische Hl. Messe Ich bin ein großer Freund der Ökumene und habe in meinem Leben mein Bestes getan, die Beziehung der katholischen Kirche und der äthiopisch-orthodoxen Kirche zu stärken und ihre Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen.

Wie praktizieren Sie tagtäglich Ihren Glauben?

Indem ich mir einmal am Tag, zumeist abends, Zeit zum Gebet nehme. Mal länger, mal kürzer, aber das versuche ich konstant aufrechtzuerhalten. Ich praktiziere nicht nur das ständige Gebet mit denselben Worten, sondern ich glaube an die Wiederholung – damit kommt man Jesus Christus sehr nahe. Denken Sie an die Griechen: “Hagios ho Theos”: “Heiliger Gott, heiliger starker Gott, heiliger Unsterblicher – erbarme dich unser.”
Das betet man 2- oder 3-mal, das sind kurze Gebete, aber das sagt alles. Die Anrufung ist dann intensiver.

Wenn Sie sich die lange Reihe Ihrer Vorfahren anschauen, wer imponiert Ihnen von allen am meisten, wer war und ist Ihnen Vorbild?

Mein großes Idol ist der äthiopische Kaiser Menelik II., der als Vater des modernen Äthiopiens gilt und der Stolz Afrikas ist. Weltweit kennt man ihn als Sieger in der Schlacht von Adua, bei welcher in der Hochblüte des Kolonialismus zum ersten Mal ein afrikanisches Land den Sieg über ein europäisches Land errungen hat. Die italienische Expeditionsarmee wurde 1896 vom äthiopischen Heer mit Menelik an der Spitze windelweich geschlagen, Äthiopien nie kolonisiert. Sogar Italien, der Feind, hat den Kaiser damals hochgelobt. Menelik hat außerdem moderne Errungenschaften nach Äthiopien gebracht: er hat erste Schulen und erste Krankenhäuser gebaut, die erste Dampflokomotive eingeführt und vieles mehr.

“Ich bin Christ, weil ich erlöst werden möchte.”

Sie sind ein passionierter Cineast. Welches ist ihr Lieblingsfilm?

Ganz klar: “Vom Winde verweht”. Weil ich ein hoffnungsloser Romantiker bin.

Bitte vervollständigen Sie diese Halbsätze: Mit dem Glauben verbinde ich…

…Hoffnung und Bekenntnis.

Ich bin Christ, weil…

…ich erlöst werden möchte.

In meinem Leben bin ich dankbar für…

…meinen Glauben.

Ein Wunder ist für mich…

…dass der Allmächtige uns trotz unserer Sünden liebt und akzeptiert.

Gott würde ich gerne einmal fragen…

…warum er uns eigentlich erschaffen hat.

Zur Person:

Asfa-Wossen Asserate (* 1948) ist ein äthiopisch-deutscher Unternehmensberater, Autor und politischer Analyst. Als Mitglied des äthiopischen Kaiserhauses und Großneffe des letzten Kaisers Haile Selassie ist er besonders bekannt für sein profundes Wissen über die politische Situation in Äthiopien, aber auch für die feine Lebensart. Zu seinen wichtigsten Büchern gehören “Manieren” (2003), “Deutsche Tugenden. Von Anmut bis Weltschmerz” (2013) sowie “Der letzte Kaiser von Afrika. Triumph und Tragödie des Haile Selassie” (2014). Zuletzt erschien “Deutsch vom Scheitel bis zur Sohle” (2023).

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