Das Sakrament in der Krise

‘Die Menschen wissen nicht mehr, was die Kirche glaubt und lehrt’

Eine ‘Kirche von Heiden, die sich noch Christen nennen’
Klare Aussagen

Die Tagespost, 06. Oktober 2014

Von Guido Horst

Bei der Vorstellung des “Anti-Kasper-Buchs”, zu dem Kardinal George Pell das Vorwort geschrieben hat, wurde es am vergangenen Freitag in Rom von einem Fachmann, der mit auf dem Podium sass, klar gesagt: Wollte die Kirche den pastoralen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und insbesondere deren mögliche Zulassung zu den Sakramenten prüfen, bräuchte es keine Bischofssynode – und erst recht nicht zwei. Andere “Notfälle” seien allein zahlenmässig viel drängender, zum Beispiel der Kommunionempfang durch Paare, die ohne Trauschein zusammenleben. Allein in den Ballungsgebieten ärmerer Menschen in Lateinamerika, nicht zuletzt in der unmittelbaren Heimat von Papst Franziskus, sei das eine pastorale Sorge von gewaltigem Ausmass.

Aber es ist, wie es ist: Die Medien haben die laufende Bischofsversammlung in Rom zur “Synode über die Wiederverheirateten” erklärt – allenfalls noch die Haltung der Kirche zu gleichgeschlechtlichen Paaren und zum Sex vor der Ehe ist in den Redaktionen auf der Agenda des Berichtenswerten zugelassen. Immerhin: Einige Kardinäle – gerade deutscher Zunge – haben diesen Röhrenblick kräftig befeuert. So hat man also nun zwei Synoden: die der Medien und die wirkliche im Vatikan. Wobei letztere mit einer einwöchigen Aussprache beginnt, die nicht vollständig an die Öffentlichkeit dringen soll, wie das Synodensekretariat noch Ende vergangener Woche klargestellt hat. Und sollte sich dasselbe in einem Jahr bei der ordentlichen Bischofsversammlung wiederholen, hat man also insgesamt vier Synoden, über die man streiten und spekulieren darf.

Die eigentliche Krise, um die es dabei geht, ist nicht eine, die nur etwas mit den Wiederverheirateten zu tun hat, sondern es geht um eine Krise der Sakramente: Kaum jemand geht noch zur Beichte, aber alles rennt zur Kommunion, wenn man denn mal in der Kirche ist. Ein gewaltiger Verlust des Glaubenswissens hat das “Volk Gottes” befallen – mit entsprechenden Folgen für den “sensus fidei”, den Glaubenssinn des Gottesvolks. Der schon von Kardinal Joseph Ratzinger festgestellte “völlige Zusammenbruch des traditionellen Christusglaubens in der Kirche” hat dazu geführt, dass nur noch die wenigsten wissen, was die geweihten Amtsträger tun, wenn sie Brot und Wein konsekrieren und die Kommunion austeilen. So geht jeder hin und holt sich die konsekrierte Hostie – egal ob Katholik, Protestant, praktizierend oder nicht, ob mit dem Credo auf den Lippen oder völlig glaubenslos. Und das oft in der aufrichtigen Meinung, es sei ein Gebot geschuldeter Höflichkeit, beim Kommunionempfang mitzumachen, wenn man denn schon bei den Katholiken in den Gottesdienst geht.

Das ist eine wirkliche Krise, und wenn es brennt, steigt Rauch auf. Wenn das grosse Tamtam im Vorfeld der Synode – vom “Kardinalskrieg” war die Rede – mit zu diesem Rauch gehört, dann kann man sich nur wünschen, dass die Synodenväter genau diese Krise zur Sprache bringen. Der Eiter muss raus aus einer Wunde der Pastoral, die schon lange schwärt: Die Menschen wissen nicht mehr, was die Kirche glaubt und lehrt. Dann gerät natürlich auch in der pastoralen Praxis alles durcheinander.

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