Neue Serie “Nizäas Namen” – Hirte, Lehrer und Gewissensbildner
Ein neue Reihe erläutert das “Who is who” des ersten ökumenischen Konzils. Den Aufschlag macht der heilige Bischof Nikolaus von Myra
Quelle
Hl. Nikolaus gefeiert am 6. Dezember
05.12.2024
Manuel Schlögl
Am 24. Dezember beginnt das Jubeljahr 2025: Papst Franziskus öffnet abends feierlich die Heilige Pforte und erinnert an das erste ökumenische Konzil, das vor 1700 Jahren 325 in Nizäa stattgefunden hat. Auf dieses Konzil geht das Große Glaubensbekenntnis zurück, das die Christenheit bis heute verbindet. Wer waren die Konzilsteilnehmer, die vor 1.700 Jahren der Einladung Kaiser Konstantins nach Nizäa – dem heutigen Iznik südlich von Istanbul in der Türkei – folgten? Wir stellen in den nächsten Monaten führende Köpfe dieser theologischen Auseinandersetzung vor.
Die volkstümliche Gestalt des Bischofs Nikolaus von Myra (um 260-343) wird durch zahlreiche Legenden überlagert. Hat er im Jahr 325 wirklich am Konzil von Nizäa teilgenommen? Der italienische Dominikaner und Nikolaus-Experte Gerardo Cioffari hat alle noch erhaltenen Listen der Konzilsteilnehmer untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass sein Name auf immerhin sechs von sechzehn Listen steht. All diese Texte sind erst Jahrhunderte nach Konzilsende verfasst worden und teilweise nur in mittelalterlichen Abschriften überliefert, so dass es wohl nie eine letzte Gewissheit darüber geben wird.
Sicher legendär und doch der Sache nach zutreffend ist der Bericht, Nikolaus sei während des Konzils auf Arius zugegangen, der die wahre Gottheit Jesu Christi vehement bestritt, und habe ihm eine kräftige Ohrfeige verpasst – eine Szene, die später sogar auf Ikonen abgebildet wurde. Der Bischof von Myra war eben nicht nur ein harmloser Wohltäter, sondern auch ein beherzter Hirte der Kirche in einer Zeit, in der sich das christliche Gottesbild deutlicher herausbildete. Dem stimmt selbst der Münchener Theologe Thomas Schumacher zu, der in seiner 2018 erschienenen Nikolaus-Monografie gegenüber vielen historischen Angaben skeptisch bleibt und auch nicht von seiner Anwesenheit in Nizäa überzeugt ist.
Helfer der Armen
Geboren wurde der streitbare Bekenner in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts in Patara in Lykien, einer antiken Stadt an der Mittelmeerküste in der heutigen Türkei. Seine Eltern werden als wohlhabend beschrieben, auch die religiöse Erziehung ihres Sohnes lag ihnen am Herzen. Das Evangelium vom reichen Jüngling (Mk 10,17-27) soll ihn nach dem frühen Tod seiner Eltern dazu bewogen haben, sein Erbe den Armen zur Verfügung zu stellen. Am Anfang seines Glaubensweges steht also die Erfahrung, dass Jesus Christus, “der reich war, aus Liebe euretwegen arm wurde und euch durch seine Armut reich gemacht hat” (2 Kor 8,9). Nikolaus erkannte, dass Geben und Nehmen, Haben und Sein durch Christus neu geordnet wurden, dass der Gewinn nun im Geben liegt und man Christus umso ähnlicher wird, je mehr man bereit ist, so wie er “aus Liebe arm” zu sein.
In Alexandria wurde Nikolaus der Überlieferung nach zum Priester geweiht und wenig später aufgrund seiner menschlichen wie theologischen Begabungen zum Bischof von Myra gewählt, dem heutigen Demre in der türkischen Provinz Antalya. Während der unter Kaiser Diokletian einsetzenden Christenverfolgung (303-313) soll er in die Verbannung geschickt und schließlich auch ins Gefängnis geworfen worden sein. Auch hier liegen die genaueren Umstände im Dunkel der Vergangenheit, aber die damit verbundene Prüfung und Bewährung des Christus-Bekenntnisses dürften unzweifelhaft sein.
Als Bischof von Myra hinterließ Nikolaus Spuren in den Herzen der Menschen vor allem durch seine Großzügigkeit und Bescheidenheit. Die Legende erzählt bekanntlich, dass er einen verarmten Mann durch die heimliche Übergabe von Kugeln aus Gold davon abhielt, seine drei Töchter in die Prostitution zu verkaufen. Auch wird berichtet, er habe drei junge Männer, die auf ihrer Reise nach Athen von einem habgierigen Wirt ausgeraubt und getötet worden waren, wieder zum Leben erweckt. Unabhängig davon, ob der heiligmäßige Bischof dieses aus der Geschichte der Heiligen nicht unbekannte außergewöhnliche Charisma besaß oder nicht – der Bericht lässt doch auf seinen unbedingten Einsatz für andere schließen, der niemanden verloren gab und der darauf vertraute, dass für den, der Christus nachfolgt, das Böse, die Sünde und der Tod keine letzte Realität sind und “für Gott nichts unmöglich” ist.
Nikolaus und die Wesensfrage
Hier nun wäre auch Nikolaus’ Teilnahme am Konzil von Nizäa im Jahr 325 eine zwar historisch unsichere, aber seiner Person und seinem Wirken durchaus angemessene Begebenheit. Denn diese beruhen, kurz gesagt, auf der Wahrheit der Menschwerdung Gottes. Nur ein Gott, der die Armut und Begrenztheit des Menschenlebens aus eigener Anschauung kennt, kann den Menschen zu Werken selbstloser Liebe verpflichten, wie sie Nikolaus vielfach zugeschrieben werden. Und wer wie Jesus von Nazaret mit dem Anspruch auftritt, das Reich Gottes zu den Menschen zu bringen, der muss selber ohne Einschränkung in dieser Wirklichkeit Gottes leben, ja, sie selber verkörpern und sein. Weniger als Theologe, vielmehr als ein Mann der Verkündigung und des gelebten Glaubens hat Nikolaus das Bekenntnis von Nizäa unterstützt, dass Jesus Christus “eines Wesens mit dem Vater” ist, dass man in ihm Gott selbst begegnet, aber eben dem aus Liebe klein und arm gewordenen Gott. In der ältesten Lebensbeschreibung des Heiligen, der sogenannten “Vita per Michaelem” aus dem 9. Jahrhundert, wird ausdrücklich “betont, dass Nikolaus sich zu Jesus Christus als dem wesensgleichen Sohn Gottes des Vaters bekannte” (Schumacher).
Am 6. Dezember 343 starb Nikolaus hoch geachtet in seiner Bischofsstadt. Schon bald wurde sein Grab in Myra zu einem Magneten für Pilger, die den Reliquien Wunderkraft zusprachen. Eine ganze Reihe von Gebetserhörungen sind bezeugt, das Wiederfinden von vermissten Kindern, die Rettung von Seefahrern aus einem schweren Sturm und anderes mehr. Manche dieser Erhörungen wurden in Nikolaus’ Lebenszeit zurückprojiziert, weil die Antike eben ein anderes Verständnis von Wahrheit und Geschichtlichkeit hatte als die aufgeklärte Neuzeit.
Die Verehrung des heiligen Nikolaus verbreitete sich zuerst in der byzantinischen Tradition und in den slawischen Ländern. Im 8. Jahrhundert wurde sie in Rom bekannt und gelangte von dort auch nach Mittel- und Südeuropa. Als das erste dem heiligen Nikolaus geweihte Gotteshaus in Deutschland gilt die ehemalige Abteikirche in Brauweiler bei Köln (eingeweiht 1028). Etwa um diese Zeit entstand auch der Brauch, dass der Heilige die Kinder beschenkt.
“Heiliger der ungeteilten Christenheit”
Während die Verehrung in der Ostkirche besonders die göttlichen Tugenden und Wundertaten von Nikolaus hervorhob, gestaltete man den frommen Bischof in der westlichen Kirche immer mehr zu einer Art Erzieher, der die Kinder dabei unterstützen soll, ihr Gewissen zu bilden und den Wert zu entdecken, den das Gute in sich trägt. So kann man in ihm einen “Heiligen der ungeteilten Christenheit” (Lothar Heiser) sehen, einen wahren Brückenbauer zwischen Ost und West, Himmel und Erde, Orthodoxie und Orthopraxie.
Sehr treffend fasst das Wesen des Bischofs Nikolaus von Myra das Troparion vom 6. Dezember aus der Liturgie der Ostkirche zusammen: “Als Richtschnur des Glaubens und Bild der Sanftmut, als Lehrer der Enthaltsamkeit hat dich die Wahrheit aller Dinge deiner Herde erwiesen. So hast du in Demut das Höchste erworben, in Armut den Reichtum, heiliger Bischof Nikolaus. Bitte Christus, unseren Gott, unsere Seelen zu retten.”
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