Solidarisch mit den Armeniern

Österreichs Kirche ist dem christlichen Volk im Kaukasus auf vielfältige Weise verbunden

Quelle
Armenien
International – Genozid an Armeniern: Alles, was Sie wissen müssen – News – SRF
Libanon – Raphaël Bedros XXI Minassian ist neuer armenischer Patriarch von Kiliken – Agenzia Fides

17.05.2024

Stephan Baier

Die mit Rom unierte armenisch-katholische Kirche ist nur eine kleine, vergleichsweise arme Minderheit im Kaukasusland Armenien, doch ihre 1995 gegründete Caritas bietet mittlerweile ein effizientes Netzwerk an Hilfen, die der Mehrheitsgesellschaft zugutekommen. Da sind etwa Menschen im nördlichen Gjumri, dem Hauptsitz der armenischen Katholiken, die seit dem tragischen Erdbeben von 1988 in provisorischen Wohnungen und Häusern leben, vielfach mit Behinderungen, ohne staatliche Unterstützung und auf Hilfe angewiesen. Da sind auch die zahlreichen Kinder, die in Waisenhäusern leben, weil ihre Eltern sie aus materiellen Gründen abgeben oder ein Leben in der Herkunftsfamilie sozial nicht zumutbar ist. Da ist die medikamentöse und psychologische Hilfe für Alte, die beim Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 ohne Alterssicherung blieben.

Armenier vor Migrationsfragen

Dazu kommen nicht erst seit der Vertreibung der gesamten armenischen Bevölkerung von Berg-Karabach (Arzach) im September 2023 die vielfältigen Migrations- und Integrations-Fragen. Denn obgleich Armenien – abgesehen von einer gut geschützten jesidischen Minderheit – ethnisch homogen wirkt, hat es seine eigenen Dimensionen der Migration. Zu den mittlerweile rund 130.000, vielfach traumatisierten armenischen Heimatvertriebenen aus Berg-Karabach kommen gut 10.000 armenische Syrer, die seit dem Beginn des Syrien-Kriegs 2011 hier Zuflucht suchten, und bald wohl auch libanesische Armenier. Aber auch armenische Migranten, die aus Europa oder aus Russland zurückkehrten und ihr Leben völlig neu aufbauen müssen. Da gebe es trotz gleicher Volkszugehörigkeit durchaus “Probleme der Integration, wegen unterschiedlicher Dialekte, Traditionen und Mentalitäten”, meint Anahit Gevorgyan, eine führende Caritas-Mitarbeiterin in Gjumri.

Präsident der “Caritas Armenien” ist offiziell noch immer der armenisch-katholische Patriarch Raphael Minassian, obgleich der nicht im Lande, sondern in der libanesischen Hauptstadt Beirut residiert. Tatsächlich ist es ein beeindruckend harmonisches Team dynamischer Frauen, das die armenische Caritas zu einem humanitären Faktor im Land gemacht hat.

Kooperiert wird dabei auch mit Priestern der armenisch-apostolischen Kirche, wenngleich es erst des Besuchs des Innsbrucker Diözesanbischofs Hermann Glettler beim Obersten Patriarchen und Katholikos der Armenier, Karekin II., am vergangenen Sonntag bedurfte, um deren Kirchenleitung in diese Zusammenarbeit einzubinden. Vor Ort ist so manchem Priester wie auch vielen Politikern längst bewusst, welche Betreuungs- und Integrationsleistung die Caritas in Waisenhäusern, Kindergärten und Schulen, aber auch in der Aus- und Fortbildung erbringt. Da ist etwa der 22-jährige Arzach-Vertriebene Narek in Massis, der dank Caritas-Ausbildung und -Starthilfe nun selbst Jugendlichen IT-Skills vermittelt. Oder die etwa gleichaltrige Maria, die von der Caritas einen Ofen bekam und nun mit ihrem Gebäck neben dem Ehemann und dem gemeinsamen Kind auch seine Eltern, den dementen Großvater und einen Bruder mit Behinderung ernährt.

Der Tiroler Bischof Hermann Glettler nutzte seine Audienz beim Katholikos der armenisch-apostolischen Kirche im Etschmiadzin, dem “Vatikan der Armenier”, dazu, die Verbundenheit Österreichs mit der armenischen Caritas zu erläutern. Glettler besuchte während seiner sechstägigen Rundreise selbst zahlreiche von der Caritas geförderte Einrichtungen; die Caritas seiner Diözese Innsbruck ist seit zwei Jahrzehnten in Armenien aktiv.

Die internationale Politik soll Unrecht benennen

Die österreichische Solidarität mit ihrem Land ist den Armeniern nicht verborgen geblieben: Lusine Stepanyan von der Caritas in Jerewan erinnert daran, dass Kuwait und Österreich die ersten Länder weltweit waren, die Armenien nach dem 44-Tage-Krieg im Jahr 2020 unterstützten. Abgewickelt wurde die österreichische Hilfe über das Rote Kreuz und die Caritas.

Vor Bischof Glettler war im April der steirische Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl mit einer Delegation der von Kardinal Franz König einst gegründeten ökumenischen Stiftung „Pro Oriente“ in den Krisenherd Armenien gereist. Bischof Krautwaschl erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, dass das Christentum im damaligen Königreich Armenien bereits zu Beginn des 4. Jahrhunderts zur Staatsreligion erklärt wurde. “Seither ist das armenische Volk immer wieder Verfolgungen ausgesetzt, mit dem Genozid im Osmanischen Reich vor mehr als 100 Jahren als traurigem Höhepunkt und zuletzt der Fortsetzung in Berg-Karabach“, so der Grazer Bischof.

Hier müsse die internationale Politik hinschauen und Unrecht klar benennen. Ähnlich hatte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, die Aggressionen Aserbaidschans gegen Armenien und die Vernichtung des christlichen Kulturgutes der Armenier in Berg-Karabach deutlich verurteilt.

Die Tatsache, dass Karekin II. selbst einst in Wien studierte, mag zur österreichisch-armenischen Verbundenheit beigetragen haben. Und wohl auch, dass der in Wien residierende armenisch-apostolische Bischof für Mitteleuropa und Skandinavien, Tiran Petrosyan, ein talentierter ökumenischer Netzwerker ist. Nach der Tragödie von Arzach luden ihn die katholischen Bischöfe Österreichs ein, vor der Bischofskonferenz zu sprechen. Der armenische Bischof ist derzeit auch Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich.

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