Synodaler Weg – Warnruf aus Polen

Erzbischof Stanisław Gądecki kritisiert den deutschen “Synodalen Weg” und die römische “Weltsynode” – wer wird sein Nachfolger?

Quelle
Persönlicher Brief: Papst verurteilt Synodalen Ausschuss | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Kirchenrechtler Anuth: Ungehorsam der Bischöfe wiegt schwer | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Stanisław Gądecki

24.11.2023, 09:00 Uhr

Stefan Meetschen

Vor einer Woche hat Erzbischof Stanisław Gądecki, der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, noch einmal für Aufsehen gesorgt. Polnische Medien berichteten, dass der Hüne an der Spitze des polnischen Episkopats zu Beginn der Weltsynode in Rom Anfang Oktober einen Brief an Papst Franziskus übergeben habe, in dem er das deutsche Projekt eines “Synodalen Weges” kritisiert habe.

Inhaltlich war das keine große Überraschung. Bereits 2022 hatte Gądecki in einem öffentlichen Brief Bischof Georg Bätzing, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz ermahnt, aufgrund des “Synodalen Weges” nicht die Treue zur Tradition aufzugeben. Was jetzt überraschte, war der Umstand, dass die Übergabe und der Inhalt des Briefes an den Papst durch die Medien zirkulierte. Jemand muss ihn geleaked haben. Doch wer?

Wieder zurück in Polen ging Gądeckis Kommunikations-Offensive munter weiter. Im Rahmen einer Pressekonferenz äußerte er sich kritisch zur “Weltsynode”. In einem Bericht Gądeckis, der von der Katholischen Nachrichtenagentur Polens (KAI) veröffentlicht wurde, heißt es: “Die katholische Kirche ist eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die alle mit der menschlichen Zerbrechlichkeit angesichts der Wechselfälle der menschlichen Existenz zu kämpfen haben. Aber diese Gemeinschaft von Jüngern hat auch vom Herrn selbst Wahrheiten empfangen, die nicht von Diskussionsgruppen bestätigt oder geleugnet werden können.” Dazu zitierte Gądecki die Bibel: “Lasst euch nicht von verschiedenen und fremden Lehren verführen.” (Hebräer 13,  9)

Die extremsten Standpunkte in Deutschland

Damit nicht genug. Ein paar Tage später formulierte Erzbischof Stanisław Gądecki Kritik am deutschen “Synodalen Weg” und der römischen “Weltsynode” in der kompakten Form. Im Interview mit dem “Catholic World Report” äußerte er: “Der von Papst Franziskus eingeleitete Konsultationsprozess auf Gemeinde-, Diözesan-, nationaler und schließlich kontinentaler Ebene war eine neue und interessante Erfahrung. Jeder war eingeladen, sich zu beteiligen, unabhängig von seiner Einstellung zum Glauben und zur katholischen Kirche. Als Ergebnis dieses Ansatzes war manchmal die ‘nicht-katholische’ Stimme hörbarer als die ‘katholische’. Doch darum geht es bei der Suche nach dem Willen Gottes nicht. Wir sahen eine große Vielfalt von Standpunkten, wobei die extremsten in Deutschland artikuliert wurden, wo der Synodale Weg parallel zum synodalen Prozess verlief.”

Scharfe Worte. Doch Gądecki, der – wie man aus seiner Diözese hört – als Hirte stets mit freundlicher, moderater Distanz Geistliche und Laien führt, ist in dogmatischen Fragen noch nie ein Diplomat gewesen. International bekannt wurde er bei der Bischofssynode zu Ehe und Familie (2016), als er sich am Rande der Synode deutlich gegen die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion aussprach. Nun, da sein Ende an der Spitze der Bischofskonferenz in Sichtweite rückt – im Frühjahr 2024 wird ein neuer Vorsitzender gewählt – scheint Erzbischof Stanisław Gądecki sein Vermächtnis sichern zu wollen. “Non possumus” – bei ihm sind damit, wie einst bei Kardinal Stefan Wyszyński (1901–1981) nicht die kommunistischen Machthaber gemeint, sondern die katholischen Hierarchien jenseits der Oder und des Tibers.

Dabei hat das Spekulieren und Drängeln um die Nachfolge Gądeckis längst begonnen. So gab der Journalist und Wanda Półtawska-Biograph Tomasz Krzyżak auf der Plattform www.catolico.stacja7.pl einen Überblick der aus seiner Sicht sieben chancenreichsten Kandidaten: Allen voran steht nach Einschätzung Krzyżaks der Primas von Polen, Erzbischof Wojciech Polak. Er ist qua Amt schon jetzt der eigentliche Kopf der Kirche in Polen, während Gądecki ihr nur ein “Gesicht” verlieh. Polak, der die Diözese Gnesen (Gniezno) anführt, ist Krzyżak zufolge der älteste leitende Bischof der Sieben. “In der Öffentlichkeit gilt er als Kämpfer gegen die Pädophilie in der Kirche.” Was ihm allerdings etwas fehlt, ist Charisma.

Wer wird Gądeckis Nachfolger?

Darüber verfügt in fast schon überbordendem Maße Kardinal Grzegorz Ryś, der an der Spitze der Diözese Lodz steht. Doch: “Vielen seiner Mitbrüder im Episkopat missfällt seine Zusammenarbeit mit Tygodnik Powszechny oder der Monatszeitschrift Znak”, wie Tomasz Krzyżak meint. Ein weiterer Pluspunkt dürfte aber auch sein: “Er engagiert sich für die Neuevangelisierung.” Erzbischof Jozef Guzdek, Metropolitanbischof von Bialystok, dagegen “gilt als effizienter Organisator und als Mann, der schnell schwierige Entscheidungen treffen kann”. Bei Plenarsitzungen der Bischofskonferenz ergreife er jedoch nur selten das Wort. Doch wer sagt, dass der Anführer am meisten reden muss?

“Erzbischof Józef Kupny war sieben Jahre lang Weihbischof von Kattowitz, bevor er 2013 Metropolitanbischof von Wrocław wurde.” In der polnischen Bischofskonferenz, so Krzyżak, “leitete er den Rat für soziale Angelegenheiten, der Dokumente wie ‘In der Sorge um den Menschen und das Gemeinwohl’ (2012) und ‘Die christliche Form des Patriotismus’ (2017)” zu verantworten hat. Wichtige Themen, zweifellos, doch ob das für den Platz des Vorsitzenden reicht? Ferner nennt Krzyżak Erzbischof Józef Górzyński, der 2016 die Ermland-Metropole übernahm und dem Ständigen Rat der Bischofskonferenz durch Wahl angehört. “Er gilt als effizienter Organisator” und genieße die Unterstützung von Kardinal Kazimierz Nycz, dem Warschauer Metropoliten, der allerdings auch Kardinal Ryś protegiert.

Bleiben die zwei Pallottiner-Bischöfe Erzbischof Tadeusz Wojda (Danzig) und Erzbischof Adrian Galbas (Kattowitz plus als Administrator Sosnowiec). Wojda gilt als gut vernetzt im Vatikan und umgänglich. Galbas “leitete den synodalen Prozess in der polnischen Kirche und wurde von den Bischöfen auch als Delegierter zur Synode gewählt”. Er gilt als “geradliniger, aufgeschlossener Mann, der eine Sprache spricht, die die Gläubigen verstehen, und der die Zukunft der Kirche in den Laien sieht, mit denen er sich nicht scheut, zusammenzuarbeiten”.

Wen immer die Wahl auch treffen mag, an Selbstvertrauen, Geschicklichkeit und Resilienz sollte es dem Gądecki-Nachfolger nicht mangeln. Nicht nur, weil der Umgangston mit kirchlichen Repräsentanten in den säkularen polnischen Medien inzwischen den rauen westeuropäischen Klimapegel erreicht hat, sondern auch in der Weltkirche selbst, wie nicht zuletzt die “Weltsynode” zeigt, stehen sich die Lager monolithisch gegenüber. Es wird wohl auch in der Polnischen Bischofskonferenz bald verstärkt darum gehen, die Kegel des Glaubens dynamisch in der Luft zu halten, ohne dass sie herunterfallen. Eine Kunst, die man in der Kirche in Deutschland schon kennt.

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