In Erinnerung an Papst Paul VI.
“Credo des Gottesvolkes”
Heute möchte ich an einen der grossen und bedeutenden Päpste des 20. Jahrhunderts erinnern, an Papst Paul VI. Am Sonntag, den 6. August 1978, heute vor 28 Jahren, starb er. Unseren jetzigen Papst Benedikt XVI. hat er zum Erzbischof von München und Freising und zum Kardinal ernannt. Paul VI. war seit 1963 Papst, in einer sehr bewegten Zeit für Kirche und Welt. Das II.Vatikanische Konzil hat er zuendegeführt und wichtige Zeichen gesetzt. Er war der erste, der als Papst grosse Reisen in alle Erdteile der Welt unternahm und auch das Heilige Land besuchte. Paul VI. ist manchen in Deutschland als Papst der Enzyklika “Humanae vitae” in Erinnerung, in der er sich mit der Würde der menschlichen Liebe und des Lebens sowie besonders mit dessen Weitergabe auseinandersetzte. Er hat damals kräftigen Zuspruch, aber auch viel Widerspruch geerntet. Bis heute ist er damit eine bleibende Mahnung an uns, die Würde des Menschen von allem Anfang bis zum Ende des Lebens unbedingt zu schützen und zu achten.
Papst Paul VI. war es ein beständiges Anliegen, den Glauben der Kirche in unser heutiges Leben zu übersetzen. Er wollte das, was und wem wir Christen glauben, so sagen, dass es möglichst alle Menschen erreichen kann. Im Sommer 1968 schrieb er ein Glaubensbekenntnis, das so genannte “Credo des Gottesvolkes”. In diesem Credo erklärte er alle wichtigen Inhalte des Glaubensbekenntnisses der Kirche. Als interessant bleibt festzuhalten, dass zur gleichen Zeit, im Sommer 1968, Professor Joseph Ratzinger, unser heutiger Papst Benedikt XVI., in Tübingen eines seiner bedeutendsten und bekanntesten Bücher veröffentlichte, die “Einführung in das Christentum”. Auch Joseph Ratzinger wählte das “Credo”, das Glaubensbekenntnis, als sein grosses Thema aus. Es ist ihm, wie er schreibt, “Ausdruck der Struktur des Glaubens” und “Ergebnis eines Dialogs”, also Zeichen von “Hören, Empfangen und Antworten” (Ratzinger, Joseph, Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis, München 41980, S. 52.) des Menschen, der in der Kirche vor Gott steht. Damals wie heute beschäftigt es viele Menschen, zu sagen und auszudrücken, was der christliche Glaube bedeutet. Papst Paul VI. formuliert in seinem “Credo des Gottesvolkes”: “Wir glauben an den einen Gott: Vater, Sohn und Heiligen Geist, Schöpfer der sichtbaren Dinge, …, Schöpfer der unsichtbaren Dinge, …, und Schöpfer der unsterblichen Geistseele eines jeden Menschen.” (Papst Paul VI., Credo des Gottesvolkes, Wien 1971., S. 4.)
Der Papst sagt zu Beginn, um wen es beim Credo geht: um Gott, der für uns Christen der eine und der dreifaltige Gott ist. Dieser Gott ist der Schöpfer des Universums, der Welt, des Menschen. Wenn wir im Glaubensbekenntnis Gott als Schöpfer bekennen, so der Text, dann wissen wir um unser flüchtiges Leben, aber zugleich auch um unsere Würde, weil der Mensch als Abbild Gottes geschaffen ist und einen unverletzlichen Kern hat. Paul VI. nennt dies die “unsterbliche Geistseele eines jeden Menschen” und erinnert damit an unsere unzerstörbare Verbindung mit Gott. Gott will, dass wir Menschen sind und bleiben. Was für ein Zuspruch, gerade angesichts der Erfahrung vieler Menschen, nicht gewollt und nicht erwünscht zu sein.
Und dann fährt Paul VI. fort: “Wir glauben, dass dieser einzige Gott …absolut einer ist, unendlich heilig. … Er ist der, der da ist, wie Er es Moses geoffenbart hat; Er ist Liebe, wie der Apostel Johannes es uns lehrt.”
Klar und eindeutig sagt er damit, dass der Gott, an den wir glauben, immer schon da ist und als Liebe bei uns ist. Die beiden Worte: “Da sein” und “Liebe” zeigen den Gott an, der sich Moses am Berg Sinai offenbart und sich selbst uns Menschen in Jesus Christus mitteilt. Und wir können Gott erkennen, denn er will, dass wir an seinem Leben teilhaben. Dabei weiss Paul VI. sensibel darauf hinzuweisen, dass Gott “Geheimnis” ist und wir Menschen unendlich weit davon entfernt sind, ihn zu begreifen.
Immer wieder brauchen wir Zeugen für Gott, Menschen also, die von ihm ergriffen sind. So ist es bis heute: Die Wirklichkeit und Gegenwart Gottes bezeugen von Gott ergriffene und in seinen Dienst genommene Menschen. Dabei kommen wir mit unserer Vernunft weit, aber nicht bis zur Vollendung. Denn Gott ist Liebe (vgl. 1 Joh 4,8.16), die er in seinem Sohn Jesus Christus gezeigt hat. Papst Paul VI. weiss, dass es viele Menschen gibt, die nicht glauben können und die sagen: Wir wollen nicht glauben, was wir nicht sehen und nicht verstehen können. Wie Gott auf uns Menschen zukommt, das zeigt er darum im nächsten Schritt.
“Wir glauben an unseren Herrn Jesus Christus, der der Sohn Gottes ist. … Er hat unter uns gewohnt. … Er verkündete das Reich Gottes und richtete es wieder auf und liess uns den Vater durch sich erkennen. … Er lehrte uns den Weg der Seligkeiten des Evangeliuns. … Er ist für uns am Kreuze gestorben und rettete uns … Er ist begraben worden und am dritten Tage … wiederauferstanden. Durch seine Auferstehung berief Er uns zur Teilnahme am göttlichen Leben … Und Seines Reiches wird kein Ende sein.
Nur der fängt an Gott zu verstehen, der einen Zugang zu Jesus Christus findet. Paul VI. weiss, dass ein glaubender Mensch zutiefst mit Jesus Christus verbunden ist und in dessen Leben, Tod und Auferstehung die Mitte seiner eigenen Existenz sieht. Wer menschliches Leid und den Tod ernst nimmt, wer die Sehnsucht des Menschen kennt, am biologischen Ende nicht endgültig tot zu sein, sondern auf neue Weise leben zu dürfen, der kann sich in Jesus Christus festmachen. Jesus Christus zeigt uns in seinen Worten und Taten wie wir leben sollen und zu welchem Ziel wir unterwegs sind. Es bleibt eine der ganz grossen Herausforderungen der Kirche und aller Christen, aber auch unserer heutigen Kultur, diesen inneren Kern des Glaubens, neu und glaubwürdig zu bezeugen. Paul VI. ist sich dieser Aufgabe sehr bewusst, aber er sieht auch das Drama des menschlichen Lebens, das dort anfängt, wo der Mensch so lebt, als ob es Gott und Jesus Christus nicht gäbe.
Im Credo des Gottesvolkes von Papst Paul VI. heisst es weiter: “Wir glauben an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender. … Der Heilige Geist erleuchtet, belebt, beschützt und führt die Kirche.”
Die Lebendigkeit Gottes, die Gegenwart des auferstandenen Jesus Christus erfahren wir durch die Kraft des Heiligen Geistes. An seinen Wirkungen erkennen wir, wer der Heilige Geist ist: Liebe und Kraft aus Gott selbst. Sie verbindet uns mit ihm und befähigt uns zum Zeugnis für ihn. Der Heilige Geist erleuchtet und belebt uns, er beschützt uns und die Kirche auf dem Weg durch die Zeit. Wer das Wirken des Heiligen Geistes erkennen will, braucht viel Sensibilität. Wo das geschieht, ist es wie beim ersten Pfingstfest: Die Menschen verstehen einander und verkünden in verschiedenen Sprachen Gottes grosse Taten.
Das ist die Geburtsstunde der Kirche, von der Paul VI. bekennt: “Wir glauben an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die von Jesus Christus auf dem Felsen gegründet wurde, der Petrus ist. … Sie ist … das pilgernde Gottesvolk … der Same und keimhafte Anfang des Reiches Gottes, … das seine Vollendung finden wird … in der ewigen Herrlichkeit.” , so setzt Paul VI. das Credo des Gottesvolkes fort.
Der Papst war tief in seinem Innern ein Mann der Kirche. Für seine erste Enzyklika wählte er dieses Thema.. Die Kirche ist für ihn das “pilgernde Gottesvolk” . Aus diesem Bild ergibt sich der Auftrag der Kirche. Sie ist der Anfang des Reiches Gottes. In ihr empfangen Menschen die Taufe und das Leben mit Gott. So wie Papst Johannes Paul II. im Heiligen Jahr 2000 an die Verfehlungen der Kirche erinnert und um Vergebung gebeten hat, so betont Paul VI. 1968, dass die Kirche für die Verfehlungen ihrer Gläubigen “büsst und leidet” .
Die Kirche hat aber vor allem den Auftrag, für die Wahrheit einzutreten. Diese Wahrheit ist Jesus Christus selbst. Ihn dürfen alle Glaubenden im Sakrament der Eucharistie empfangen. In diesem Sakrament verwandeln sich auf geheimnisvolle Weise Brot und Wein in Leib und Blut Christi. In der Hostie beten wir Christus an . Ein besonders schwieriger und ernster Auftrag besteht für die Kirche darin, für die Einheit aller Christen zu beten und zu arbeiten. Das Bekenntnis dieses Papstes zur Kirche liest sich wie ein leidenschaftliches Plädoyer: Christus ist gegenwärtig in seiner Kirche und will, dass alle zu ihr gehören.
Paul VI. zeigt Schritt für Schritt, dass die Kirche nicht eine zufällige, verzichtbare Organisation der Christen ist, um das Evangelium weiterzusagen. Vielmehr besteht die Kirche, so schreibt er, “aus dem einen Grund, … um immer tiefer den unergründlichen Reichtum Christi zu erkennen, immer zuversichtlicher … zu hoffen, immer besser der Liebe Gottes zu antworten” . Darum muss die Kirche auch alles tun, um die Gerechtigkeit und den Frieden unter den Menschen zu fördern.
“Wir glauben an das ewige Leben. … Wir glauben, dass die grosse Schar derer, die mit Jesus und Maria im Paradies vereinigt sind, … in ewiger Glückseligkeit Gott (schauen), so wie Er ist.”
Das Credo Pauls VI. endet also mit seinem Bekenntnis zum ewigen Leben und dem sehnsuchtsvollen Blick auf die Gemeinschaft aller am Ende der Zeit. Mit Glaube und Hoffnung erwartet er die “Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt”. Für Christen gehört das zur Substanz ihres Glaubens, dass der Tod nicht Ende, sondern Durchgang und Übergang in das ewige Leben bei Gott ist. Wir fallen nicht in das Nichts, sondern in die Hände Gottes. Das ist die entscheidende Botschaft, das ist unser Glaube.
Heute, am Todestag Papst Paul VI. feiern wir das Fest der “Verklärung des Herrn”. Die Frohe Botschaft erzählt, dass die Jünger den verklärten, leuchtenden Christus sehen, der mit Moses und Elija spricht. Es ist der offene Himmel, das Ziel der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Wir dürfen begründet darauf hoffen, dass wir dorthin unterwegs sind. Das drückt Paul VI. am Schluss des Glaubensbekenntnisses schlicht und einfach aus: “Gepriesen sei der dreimal heilige Gott! Amen.”
Text: Franz-Josef Overbeck, August 2006
Quelle
Credo.des.Gottesvolkes
Englische Fassung: Vatikan
Bewundert und verhöhnt
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