Papst: Müdes Europa soll sich auf seine Gründerväter besinnen

Franziskus hat die Bischöfe Europas vor falschen Sicherheiten gewarnt. Die Christen des Kontinents seien versucht, es sich “in unseren Strukturen, in unseren Häusern und in unseren Kirchen bequem zu machen”, sagte der Papst am Donnerstagabend bei einem Gottesdienst mit Vertretern des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) im Petersdom

Quelle
Die Marienweihe als Heilsweg

Mario Galgano – Vatikanstadt

Angesichts eines Europas, das “an Müdigkeit erkrankt” sei und die “weitsichtige” Vision seiner Gründerväter aus den Augen verloren habe; angesichts einer Kirche, die sich auf Debatten und Strategien konzentriere und deren Türen oft verschlossen und die Schlösser ausgewechselt seien, ruft Papst Franziskus zum “Wiederaufbau” auf. Und er erinnert an das Beispiel der grossen europäischen Heiligen Martin, Franziskus, Dominikus, Pius sowie der Schutzheiligen Benedikt, Kyrill und Methodius, Brigitte, Katharina und Teresa, die, ohne sich von Widrigkeiten aufhalten zu lassen, “den Menschen und Ländern ihre Seelen zurückgegeben haben”.

Jede Christin und jeder Christ sei in seiner “Kleinheit” und “Schwäche” dazu aufgerufen, den europäischen Kontinent “wieder aufzubauen”, so der Papst in der Messe zum 50. Jahrestag der Gründung des CCEE, des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen. Die Mitglieder und Verantwortlichen (mit Ausnahme des Präsidenten, Kardinal Angelo Bagnasco, der an Covid erkrankt ist, wie er selbst erklärte) sind derzeit in Rom zur Vollversammlung anwesend, um die Anfänge und die Entwicklung dieses 1971 gegründeten und von Papst Paul VI. anerkannten kirchlichen Organs zu feiern.

Blosses Festhalten an Traditionen geht nicht

Die “Befriedigung eines gewissen Konsenses” reiche aber nicht aus, da sich “um uns herum die Gotteshäuser leeren und Jesus immer mehr vergessen wird”, führte Franziskus in seiner Predigt weiter aus. Franziskus wandte sich beim Eröffnungsgottesdienst gegen ein blosses Festhalten an Traditionen. Das “an Müdigkeit erkrankte Europa” benötige vielmehr Menschen, “die Appetit auf den Glauben machen”. “Es ist leicht, über diejenigen zu urteilen, die nicht glauben”, sagte der Papst. Das Wort Gottes veranlasse jedoch dazu, “über uns selbst nachzudenken”.

Er sehe das Problem, “dass wir uns auf die verschiedenen Positionen in der Kirche konzentrieren, auf Debatten, Agenden und Strategien”, mahnte der Papst. Dabei laufe man Gefahr, das eigentliche Programm, das des Evangeliums, aus den Augen zu verlieren: “den Elan der Nächstenliebe, den Eifer der Unentgeltlichkeit”. Wenn die Freude des Evangeliums durch “abgenutzte, intellektualistische und moralistische religiöse Schemata” überdeckt werde, sähen die Menschen den Guten Hirten nicht.

Sich nicht mit einer “ruhigen Gegenwart” zufriedengeben

“Um die Kirche schön und gastlich zu gestalten, müssen wir gemeinsam in die Zukunft blicken und nicht die Vergangenheit wiederherstellen.”

Franziskus forderte die Bischöfe auf, sich beim Bau des gemeinsamen europäischen Hauses nicht mit einer “ruhigen Gegenwart” zufriedenzugeben. Stattdessen sollten sie das unmittelbar Nützliche hinter sich lassen und zur “prophetischen und gemeinschaftlichen” Vision der Gründerväter zurückkehren. Das gelte auch für die Kirche. “Um sie schön und gastlich zu gestalten, müssen wir gemeinsam in die Zukunft blicken und nicht die Vergangenheit wiederherstellen”, so der Papst. Bei diesem Unterfangen müsse allerdings “bei den Fundamenten” begonnen werden, nicht bei den jeweils eigenen Vorlieben. Denn trotz aller unterschiedlichen Visionen müsse die Einheit stets gewahrt bleiben.

Das Motto des Treffens der europäischen Bischöfe lautet “CCEE, 50 Jahre im Dienst Europas, Erinnerung und Perspektiven im Kontext von ‘Fratelli tutti’“. Die im Oktober 2020 veröffentlichte Papst-Enzyklika Fratelli tutti soll demnach im Mittelpunkt der Gespräche stehen. Ziel ist “eine Analyse der Lage Europas”, speziell mit Blick auf das kirchlich-gesellschaftliche Zusammenleben. Aus Deutschland nimmt der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck teil. Neben wichtigen Personalentscheidungen steht auch ein Besuch im Quirinalspalast, dem Dienstsitz des italienischen Präsidenten, auf dem Programm.

Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen mit Sitz in Sankt Gallen/Schweiz (lat. Consilium Conferentiarum Episcoporum Europae) will die Zusammenarbeit der katholischen Bischöfe auf dem Kontinent fördern. Dem 1971 gegründeten Gremium gehören derzeit 39 Mitglieder an. Gemeinsam repräsentieren sie die katholische Kirche in 45 europäischen Ländern. CCEE-Präsident ist seit 2016 der italienische Kardinal Angelo Bagnasco.

kna/vatican news, 24. September 2021

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