Verheissung und Anspruch der dienenden Liebe Christi
31. Sonntag im Jahreskreis A (05.11.2017)
L1: Mal 1,14b-2,2b.8-10; L2: 1 Thess 2,7b-9.13; Ev: Mt 23,1-12
Quelle
Josef Spindelböck
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Als unser Herr Jesus Christus hier auf Erden lebte, hat er sich nicht gescheut, ganz offen Zeugnis zu geben für die Botschaft von der rettenden Liebe des himmlischen Vaters. Er hat dies getan mit aller Demut, da er als Mensch unter uns Menschen lebte; zugleich hat ihn eine einzigartige Autorität ausgezeichnet, denn er ist der menschgewordene Sohn Gottes.
Jesus sah sich vor die Situation gestellt, dass sich die religiösen und politischen Anführer im Volk Israel auf vielfache Weise seiner Botschaft entgegenstellten. Was Jesus im Evangelium nach Matthäus den Schriftgelehrten und den Pharisäern vorwirft, sind keine Kleinigkeiten: Sie lehren zwar in der Autorität des Mose, da sie sich auf seinen Lehrstuhl gesetzt haben, aber sie leben nicht danach. Ihnen geht es nur um das eigene Ansehen und Wohlergehen, nicht um den Willen Gottes. So legen sie den Leuten schwere Lasten auf, ohne selber auch nur einen Finger zu rühren.
Was rät Jesus also den Leuten, die angewiesen sind auf die geistliche Leitung dieser Schriftgelehrten? Sollen sie künftig eigene Wege gehen und diese Autoritäten einfach links liegen lassen? Sollen sie sagen: Diese religiösen Anführer sind unglaubwürdig, da sie selber nicht das leben, was sie verkünden? Wir würden einen solchen Standpunkt verstehen und vielleicht sogar gutheissen!
Doch Jesus geht es um die Wahrheit Gottes. Und so sagt er zu seinen Zuhörern: „Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach ihren Taten; denn sie reden nur, tun es aber nicht.“ (Mt 23,3)
Mit anderen Worten: Das, was sie sagen, ist wahr, denn sie verkünden tatsächlich das Wort Gottes und legen das Gesetz des Mose aus. Wer in gutem Glauben danach handelt, wird das Heil erlangen. Zugleich ist es wichtig, dass sich die Zuhörer nicht von der inneren Haltung der Pharisäer anstecken lassen, sozusagen von ihrem „Sauerteig“ (vgl. Mt 16,6). Diese Haltung besteht in Heuchelei und Doppelzüngigkeit, Ehrsucht und Machtstreben auf Kosten jener Menschen, die sie zum Heil führen sollen.
Jesus Christus, der Herr, setzt sich bewusst ab von einer solchen Haltung. Er ist ja gekommen, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld hinzugeben für viele (vgl. Mk 10,45). Jede herrscherliche Anmassung liegt ihm fern, und dasselbe erwartet er auch von seinen Jüngern. Diese sollen sich daher im Unterschied zu den Pharisäern nicht auf Ehrentitel festlegen lassen wie „Rabbi“, also „Meister“, oder „Vater“. Nur einer ist unser Vater: der im Himmel; nur einer ist unser Lehrer: Christus. Die Worte Jesu an seine Jünger sind anspruchsvoll: „Der Grösste von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Mt 23,12)
Die Worte Jesu waren und sind für die Gläubigen aller Zeiten und für die Kirche insgesamt immer wieder eine Herausforderung, ja sogar eine heilsame Provokation. Die grossen Heiligen der Kirchengeschichte haben das zu leben versucht, was Jesus seinen Jüngern aufgetragen hat. Sie haben ihr Leben zu einer Gabe der Liebe für andere gemacht. Ob sie nun in Ehe und Familie gelebt haben, ob sie ein weltliches oder kirchliches Amt innehatten: Immer gilt es, auf Jesus Christus zu schauen und ihm nachzufolgen. Dies ist auch für unsere Zeit aktuell. Was für uns selber, aber auch für die Kirche insgesamt zählt, ist die dienende Liebe im Blick auf Gott, den Herrn. Wahrhaft zu lieben bedeutet Gutes zu tun und nicht nur salbungsvoll zu reden. „So sagte der heilige Ignatius von Loyola: ‚Die Liebe muss mehr in die Werke als in die Worte gelegt werden.‘ Auf diese Weise kann sie ihre ganze Fruchtbarkeit zeigen und ermöglicht uns, das Glück zu erfahren, das im Geben liegt, den Edelmut und die Grösse einer überreichlichen Selbsthingabe, ohne abzuwägen, ohne Entlohnung zu erwarten, einzig aus dem Wunsch, zu geben und zu dienen.“ (Papst Franziskus, Amoris laetitia, Nr. 94).
Gerade für das eheliche und familiäre Leben und sicher auch für das Miteinander der Christen in einer Pfarre gilt die Logik der christlichen Liebe, welche eine Haltung der Demut pflegt, wo wir füreinander da sein und einander helfen sollen. Jenen Menschen gegenüber, die sich in einer schwierigen Situation befinden, sollten wir in ihren Nöten beistehen und nicht hart urteilend gleichsam Steine auf sie werfen (vgl. AL 49).
Wir alle brauchen gegenseitige Ermutigung im Guten. Dies bedeutet nicht, dass die Kirche auf die Klarheit ihrer Lehre verzichten darf oder dass wir die Gebote Gottes relativieren sollten. Vielmehr ist es nötig, all dies als Ausdruck jener Liebe zu verkünden und auch zu leben, die von Gott kommt und uns alle in seinem Sohn Jesus Christus erreichen will. Im „Jahr der Barmherzigkeit“ hat Papst Franziskus mit Berufung auf die Worte und Taten Jesu daran erinnert, „dass Barmherzigkeit nicht nur eine Eigenschaft des Handelns Gottes ist. Sie wird vielmehr auch zum Kriterium, an dem man erkennt, wer wirklich seine Kinder sind. Wir sind also gerufen, Barmherzigkeit zu üben, weil uns selbst bereits Barmherzigkeit erwiesen wurde.“ (Misericordiae vultus, Nr. 9).
Gerade die Hirten der Kirche sind aufgerufen, den guten Hirten Jesus Christus gegenwärtig zu machen. Selbstkritisch wurde von Papst Franziskus angemerkt: „Häufig verhalten wir uns wie Kontrolleure der Gnade und nicht wie ihre Förderer. Doch die Kirche ist keine Zollstation, sie ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben.“ (Evangelii gaudium, Nr. 47).
In der Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher spricht dieser davon, dass ihn mit den Adressaten seiner Botschaft sehr viel verbindet: Paulus wollte die Gläubigen „nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern an“ seinem „eigenen Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden.“ (1 Thess 2,8). Ja, darauf kommt es an: dass der Liebe Christi allezeit Raum gegeben wird und sie ihre Wirkmacht entfalten kann!
Lassen wir uns also aufs Neue ein auf die Gnade Gottes, die uns bereits erreicht hat und die wir weitergeben dürfen an unsere Brüder und Schwestern, die Christus noch nicht kennen oder die vielleicht die lebendige Beziehung zu ihm verloren haben! Wir alle bedürfen der Kraft, des Lichtes und des Trostes der Freundschaft mit Jesus Christus, dem Herrn. Das ist der Weg, der zum Heil führt und uns ewiges Leben bei Gott verheisst!
Amen.
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