Andermatt Verabschiedung der Kapuziner

Predigt von Bischof Vitus beim Gottesdienst vom 22. Oktober 2017 in Andermatt anlässlich der Verabschiedung der Kapuziner

Quelle

Brüder und Schwestern im Herrn,

“Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken” (1 Thess 1,2). Mit diesen Worten beginnt der Apostel Paulus zusammen mit seinen Begleitern Silvanus und Timotheus sein Schreiben an die Gläubigen von Thessalonich. Wofür dankt er? Er dankt für das Werk des Glaubens. Er dankt Gott dafür, dass die Leute von Thessalonich den Glauben angenommen haben und dem Glauben gemäss leben. Denn durch den Glauben ist ihnen das Heil zuteil geworden (vgl. 1 Thess 2,16). Durch den Glauben sind sie Erwählte Gottes geworden. Etwas Höheres, etwas Vorzüglicheres gibt es nicht. Deshalb der Dank des Völkerapostels. Er dankt Gott für die Gabe des Glau­bens, welche durch die Glau­bensboten nun in den Herzen der Menschen lebt.

Dieser Dank weitet sich heute aus für das Volk in diesem Tal, für die Gläubigen im Urserntal. Im Dank des Apostels ist der Dank auch für Euch alle enthalten, der Dank, dass der Glaube in Euch lebt; der Dank, dass Gottes Gnade bis hierher gewirkt hat; dass wir hier ein gläubiges, christliches Volk vorfinden.
Doch die­ser Dank geht heute auch an alle jene Personen, welche Euch den Glauben gebracht, Euren Glauben aufgebaut, und das Werk des Apostels fortgeführt haben. In diesem Sinn gilt der Dank auch dem Wirken der Brüder des Kapuzinerordens in diesem Teil des Bistums Chur.

Im Zusammenhang damit möch­te ich an sieben Daten erinnern: 1210, 1528, 1581, 1605, 1621, 1622 und 1688. Dies sind Daten, welche für den Orden der Kapuziner Bedeutung haben, Daten auch, welche für das Wirken des Ordens in unserem ganzen Bistum unbedingt zu nennen sind.

1210: Papst Innozens III. (1198-1216) bestätigt mündlich die Lebensweise der so genannten fratres minores. Sie hatten sich um Franz von Assisi (1182-1226, 1228 heiliggesprochen) gesammelt, um nach dessen Anordnungen zur Erneuerung der Kirche ein Leben in evan­gelischer Armut zu führen. Von diesem Augenblick an bekommt die franziskanische Bewegung eine kirchliche Tragweite, auch wenn die endgültige Anerkennung später erfolgte, nämlich 1223.

1528: Die franziskanische Familie wächst zusehends und bringt­ verschiedene Zweige hervor, zunächst die so genannten Konventualen und Observanten. Von Observanten ausgehend, bildet sich in der Mark Ancona (im heutigen Italien) der Zweig des Kapuzinerordens, einer Gemein­schaft, welche sich mehr und mehr auf die Seelsorge ausrichtet. Papst Clemens VII. (1523-1534) erlau­bt im genannten Jahre die Bildung dieser neuen Gemeinschaft. Sie sollte einige Jahre später, in der Zeit der dringenden kirchlichen Erneuerung nach den Wirren der Reformation, segensreich wirken.

1581: In dieses Jahr fällt die Gründung des ersten Kapuzinerklosters nördlich der Alpen, das Kapuzinerkloster in Altdorf. Dieses erste Kloster wurde somit nicht im Bistum Chur, sondern im Bistum Konstanz gegründet. Der Kanton Uri gehörte in dieser Zeit, mit Ausnahme des Urserntals, zum Bistum Konstanz. Das Bistum selber wird 1821 aufgelöst. Doch bereits 1819 werden in einer ersten Neuordnung beinahe alle schweizerischen Gebiete der Diözese Konstanz dem Bistum Chur angegliedert.

1605: Die Kapuziner kommen nach Feldkirch. Das ist nun die erste Gründung eines Kapuzinerklosters im alten Bistum Chur. Die Kirche wird vom damaligen Bischof Johannes V. Flugi eingeweiht. Das ist insofern einzigartig, als der Bischof  ehemals Stadt­pfarrer von Feldkirch war. Es folgen alsdann im Bistum Chur die Gründungen der Klöster von Bludenz, Meran, Schlan­ders und Mels­.

1621: Die Lage der Kirche im Bistum Chur, vor allem in Graubünden – im alten Freistaat Rätien – wird mit der Einführung der Reformation äusserst schwierig. Der Bischof weiss nicht, wie weiter. D­ieser Situation wirkt­ Papst Paul V. (1605-1621) entgegen. Durch ein Dekret errichtet er die sogenannte Missione apostolica dei Cappucini in Rezia. Das Wiederaufleben des katholischen Glau­bens im bünd­nerischen Teil des Bistums verdanken wir der Kapuzinermission. Von Italien her kommend, beginnt sie ihr Wirken in Chur und im Vinsch­gau, damals eben noch Teil des Bistums Chur, und weitet ihre Arbeit nach und nach in den Regionen Graubündens aus.

1622: Es ist das Jahr des gewaltsamen Todes von Fidelis von Sigmaringen (1577-1622). Von Feldkirch aus, im Sinne und Auftrag der Rätischen Mission, will er den katholischen Glauben in den protestantischen Gebieten Grau­bündens erneuern. Dabei wird er in Seewis umge­bracht. 1746 heiliggesprochen, ist er der Erstlingsmärtyrer der Kapuziner. Seine Gebei­ne befinden sich in der Kathedrale Chur und in der Kapuzinerkirche von Feld­kirch.

1688: Endlich! Die Rätische Mission kommt, durch den Tal-Ammann veranlasst, nach Andermatt. Andermatt und das ganze Urserntal sind kirch­lich ­dem Bischof von Chur anvertraut. Der Bischof übergibt 1688 die Verantwortung für die Pfarrei Ursern der Schwei­zer Kapuzinerprovinz. Von da an wirkt der Orden bis ins Jahr 2017 in dieser Region (verzeichnet werden 50 Pfarrherren). Die Kapuziner haben das Ver­dienst, dass der Glau­be jetzt – jetzt noch – in Euch, den Gläu­bigen dieses Tals, wirksam ist (vgl. 1 Thess 2,13). Dafür möchte ich dem Orden und seinen hier anwesenden Vertretern (dem scheidenden Pfarrer Marzell Camenzind und dem verantwortlichen Provinzial Pater Agos­tino Del Pietro) herzlich danken, danken für die beinahe 330 Jahre dauernde Arbeit im Weinberg des Herrn in diesem Teil unseres Bistums. Die Umstände lassen eine Fortsetzung nicht zu, und so bin ich als Bischof gezwungen, den Auftrag zurückzunehmen und ihn anderen Seelsorgern anzuvertrauen. Das Bistum wird dafür sorgen­, dass dieses Werk des Glaubens mit einem oder zwei Priestern weitergeführt wird.­

Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken (1 Thess 1,2). Wie der Apostel wollen auch wir dem Herrn für das Wirken seiner Diener danken.

Amen.

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