Medjugorje als religiös “fruchtbarer Boden”

Bosnien: Medjugorje als religiös “fruchtbarer Boden”

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Medjugorje ist ein Ort, an dem Pilger jenen Glauben vorfinden, der in ihren Herkunftsländern oft schon erloschen ist: Das sagt der polnische Erzbischof Henryk Hoser, der seit einer Woche als Papst-Gesandter die seelsorgliche Lage im bosnischen Wallfahrtsort begutachtet. Am Mittwoch stellte er sich Fragen von Journalisten. Religiös sei Medjugorje ein „sehr fruchtbarer Boden“, sagte der Erzbischof von Warschau-Praga: Bereits 610 Priester hätten ihre Berufung auf Medjugorje zurückgeführt, die meisten davon aus Italien, den USA und Deutschland.

Die im Süden von Bosnien-Herzegowina gelegene Kleinstadt Medjugorje wird jährlich von 2,5 Millionen Pilgern besucht und zählt damit zu den grössten Wallfahrtsorten überhaupt. Bekannt ist sie durch Marienerscheinungen, für die es jedoch bisher keine kirchliche Anerkennung gibt. Papst Benedikt XVI. richtete 2010 eine Kommission ein, die das Phänomen untersuchte. Eine offizielle Entscheidung steht noch aus. Im Februar hatte Papst Franziskus Hoser damit beauftragt, die Seelsorgesituation in Medjugorje zu untersuchen und Richtlinien für die künftige Pilgerbetreuung zu erstellen.

Als Beginn der mutmasslichen Erscheinungen wird der 24. Juni 1981 angegeben, als sechs Kinder in dem Ort im Süden des heutigen Bosnien-Herzegowina behaupteten, die heilige Maria gesehen zu haben. Drei der „Seherkinder“, von denen laut Hoser manche mittlerweile bereits Grosseltern sind, haben seither laut eigenen Angaben allabendlich eine Marienerscheinung und erhalten dabei regelmässig Botschaften des Friedens, der Bekehrung und des Fastens. Hoser gab an, in Medjugorje nur oberflächlichen Kontakt mit den behaupteten Sehern gehabt zu haben. Auffällig sei jedoch, dass sie einen „gewöhnlichen“ Alltag lebten und Familie hätten.

Die Aussagen der „Seher“ sind innerkirchlich umstritten, wobei der zuständige Ortsbischof von Mostar-Duvno, Ratko Peric, zu den entschiedensten Kritikern zählt. Erst im Februar hatte er in einem Brief erklärt, es handle sich bei den Berichten nicht um „wahre Erscheinungen der seligsten Jungfrau Maria“. Bischof Peric begründete dies damit, dass das Verhalten der geschilderten weiblichen Figur – die mitunter lacht, verschwindet um gleich wieder zu erscheinen, sich berühren lässt und dort ist, wo dies die „Seher“ wollen – anders sei als die biblischen Darstellungen von Maria.

Komplexer als Kibeho

Hoser betonte, er könne sich nicht zur Frage nach der Echtheit der Erscheinungen von Medjugorje äussern. Parallelen und zugleich Unterschiede beobachtete er zu den vom Vatikan bereits approbierten Marienerscheinungen, die im Oktober 1981 in Kibeho (Ruanda) stattgefunden haben. Dabei habe die Jungfrau Maria vor dem dann 1994 tatsächlich eingetretenen Völkermord gewarnt. Die Botschaft von Kibeho sei ein ähnlicher Aufruf zur Bekehrung und eine „Einladung zum Frieden“ gewesen wie in Medjugorje, und auch dort habe es anfangs Zweifel gegeben über die Echtheit der Visionen.

Im Fall von Medjugorje sei Geduld nötig, denn „je komplexer ein Phänomen ist, desto länger dauert es, um zu gültigen Ergebnissen zu kommen“, betonte der polnische Erzbischof. Im Unterschied zu den meisten vom Vatikan bestätigten Orten von Marienerscheinungen habe es in Medjugorje in den Jahren seit 1981 eine sehr grosse Zahl von berichteten privaten Erscheinungen gegeben – manche Zählungen gehen laut Hoser von 47.000 aus.
Auch hätten die Erscheinungen anderswo stets an einem bestimmten Ort stattgefunden – in Lourdes etwa in einer Höhle, in Fatima über einer Eiche. Anders jedoch in Medjugorje: „Laut den Schilderungen der Seher folgen die Erscheinungen den Personen dorthin, wo sie sich gerade befinden – auch zu ihnen nach Hause, auf Reisen oder in eine Kirche“. All diese Besonderheiten würden eine endgültige, vom Papst zu treffende Entscheidung erheblich erschweren. Was Franziskus zu Medjugorje denke, wisse er nicht, betonte Hoser. „Er hat es mir nie gesagt.“

Kirche zu klein

Lob sprach Hoser für die momentane, vom Franziskanerorden geleistete Seelsorge in dem bosnischen Wallfahrtsort aus: Zentrale Elemente seien die Eucharistiefeier, das Wort Gottes, die Anbetung, der Rosenkranz, die Meditation der Glaubensgeheimnisse und der Kreuzweg. Besonders hervorzuheben sei zudem der aussergewöhnlich grosse Zulauf der Pilger zum Beichtsakrament. In vielen anderen Ländern sei dieses Sakrament in einer Krise. Da es in vielen Ländern auch eine „Berufungskrise“ gäbe, sei es ein „wichtiger Beitrag für die Kirche“, dass Medjugorje für derart viele Priesterberufungen verantwortlich sei.

Auffällig ist für Hoser die grosse Zahl an Pilgern: 36 Jahre nach Beginn des Phänomens würden heute bereits 2,5 Millionen Wallfahrer jährlich kommen, während zum Vergleich das französische Lourdes derzeit von sechs Millionen Pilgern aufgesucht werde – jedoch 150 Jahre nach den dortigen Erscheinungen. Der Pilgeransturm stelle eine grosse Herausforderung für die in Medjugorje tätigen Priester dar, betonte Hoser. Die kirchliche Infrastruktur müsse vergrössert werden, um alle aufzunehmen. Eine Folge sei auch, dass viele Hotels, Restaurants und andere Beherbergungsbetriebe gebaut worden und manche Menschen in den Pilgerort umgezogen seien.

Zentrale Friedensbotschaft

Dass in Medjugorje Maria von Beginn an als „Königin des Friedens“ betitelt wird, sei besonders bemerkenswert in einer Zeit, die Papst Franziskus als „Dritter Weltkrieg in Stücken“ bezeichnet habe, schloss Hoser. Bemerkenswert sei dies auch angesichts des großen Leides, das der Zerfall Jugoslawiens und der Bürgerkrieg der 1990er-Jahre gebracht habe. „Dass man die Königin des Friedens, die Mutter Gottes anruft, ist die besondere Rolle von Medjugorje. Das ist das Wichtigste.“ Von Medjugorje gehe ein Licht aus; derartige Lichtflecken seien angesichts der heutigen „Dunkelheit“ nötig, so der Erzbischof.

kap 06.04.2017 sk

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