Total verklemmt – oder was?

Die Geschichte einer Begegnung mit der kirchlichen Sexuallehre
Ich las, “dass meine Sexualität von Gott geschaffen, also gottgewollt und gut ist” – Von Margarita Seiwald

Wien kath.net, 18. Dezember 2010

Als pubertierende 16-jährige war ich fest der Meinung, dass die katholische Kirche und an ihrer vordersten Front der Papst in Fragen der menschlichen Sexualmoral total verklemmt seien. Damals hatte ich auch absolut keine Scheu, diese meine Meinung sogar lauthals bei Diskussionen von mir zu geben. So kam es, dass ich bei einem katholischen Jugendtreffen der Bewegung „Youth 2000“ in Walsingham im Rahmen eines Workshops zum Thema „True love waits“ (Wahre Liebe wartet) wieder einmal die Haltung der Kirche zum Thema Verhütung, Keuschheit und so weiter aus voller Überzeugung als vollkommen „hinterwäldlerisch“ hinstellte. Der junge Pater der franziskanischen Erneuerungsbewegung der „Franciscan Friars of the Renewal“, der den Workshop leitete, stellte mir nach meinen Ausführungen schließlich ganz liebevoll die Frage, woher ich denn mein ganzes Wissen zu diesem Thema bezogen hätte. Bei meiner Antwort, ich hätte mich mit diversen Zeitungsartikeln informiert, wurde mir selber schlagartig bewußt, daß ich mich bis dato mit keinem einzigen Originaldokument der Kirche auseinandergesetzt hatte.

In der Diskussion mit diesem jungen Franziskaner erkannte ich, daß es zwar gut ist, kritisch zu sein, aber daß man erst über Dinge urteilen sollte, mit denen man sich wirklich auseinandergesetzt hat. So verließ ich diesen Workshop tief beschämt und entschloß mich, Jesus und Seine Kirche zunächst einmal im Rahmen einer guten Beichte für meine präpotente, besserwisserische Haltung um Verzeihung zu bitten.

Gleich nach meiner Rückkehr aus England kaufte ich mir die zwei Enzykliken „Evangelium Vitae“ und „Humanae vitae“. Zusätzlich besorgte ich mir den „Katechismus der katholischen Kirche“. Schon nachdem ich die ersten Absätze gelesen hatte, war ich total baff. Was ich da über die Schönheit und Kostbarkeit der menschlichen Sexualität zu lesen bekam, ergriff mich zutiefst. Plötzlich wurde mir klar, daß die Kirche nicht mit erhobenem Zeigefinger und gerümpfter Nase unsere Sexualität als niederen Instinkt, den es möglichst zu verdrängen und bekämpfen gilt, darstellt.

Nein, ganz im Gegenteil: Mit zunehmender Wißbegier las ich, daß meine Sexualität von Gott geschaffen, also gottgewollt und gut ist. Sie ist mir geschenkt, um mich zu schenken. Auf körperlicher Ebene ermöglicht sie mir einen unglaublich tiefen Bund mit einem anderen Menschen. Körperlich gesehen, kann ich mich einem anderen Menschen nicht tiefer hingeben. Meine Sexualität ist also unglaublich kostbar. Sie ist aber auch der Ort, an dem ich sehr verletzbar bin, weswegen mich die Kirche bittet, mit diesem Geschenk sehr vorsichtig umzugehen.

Wie schnell kann man mit einem anderen Menschen körperlich eins werden und wie lange dauert es, bis man des anderen Herz kennenlernt? Nun endlich begriff ich, daß „rein in die Ehe zu gehen“ nicht bedeutet, daß das Miteinanderschlafen etwas Schmutziges ist, sondern daß man sich nicht körperlich aneinander binden soll, bevor man überhaupt weiß, ob man von „Herz zu Herz“ zu einander paßt.

Von da an wurde mir die Haltung der Kirche zur menschlichen Sexualität immer einleuchtender, und so begann ich die Beziehungen rund um mich genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich erlebte viele Liebespärchen in meinem Bekanntenkreis, die in ihrer großen Verliebtheit sofort miteinander ins Bett gingen und sich monatelang durch diese große körperliche Nähe eine innere Nähe vorgaukelten, die sie bei Weitem noch nicht erreicht hatten. Häufig kam es nach einiger Zeit dazu, daß sie plötzlich erkannten, daß sie absolut nicht zueinander passten. Die daraufhin folgende Trennung war unglaublich schmerzhaft – manche Freundin vertraute mir an, sie glaube, nie wieder richtig tief lieben zu können.

Mit meinem neu gewonnen Entschluß, dem Rat der Kirche zu folgen, und diesen körperlichen tiefen Bund erst dann einzugehen, wenn ich mich mit Haut und Haaren, Hirn und Herz für einen Mann entschieden habe – also am Tag der Hochzeit – mit diesem neu gewonnenen Entschluß also, erntete ich zunächst sehr viel Häme. Nicht selten wurde ich als frigid hingestellt und mußte mich öfters für meine Meinung zu diesem Thema auslachen lassen. Auch in meinen Liebesbeziehungen war die Umsetzung dieser Entscheidung für die voreheliche sexuelle Enthaltsamkeit oft sehr schwer, denn einige meiner Freunde waren nicht gläubig und mehrere Male beendete ich schweren Herzens eine Beziehung, weil mich mein Freund ständig zu mehr überreden oder verführen wollte.

Hinzu kam, daß ich mich sehr leicht verliebte und oft nach nur kurzer Zeit feststellen mußte, daß mein Bild von dem Geliebten überhaupt nichts mit seinem realen Charakter zu tun hatte. Immer besser verstand ich also, die Haltung der Kirche in dieser Frage. Ich erkannte, daß die Liebe neben dem unglaublich tollen Gefühl des Verliebt-Seins zuallererst eine Entscheidung meines Willens ist. Daß die Verliebtheit zwar ein wunderschönes Zusatzgeschenk ist, daß aber die Liebe zwischen Mann und Frau nicht von diesem tollen Gefühl abhängig sein soll. Das Geschenk meiner körperlichen Hingabe soll Ausdruck davon sein, daß ich den anderen lieben will – in guten und in schlechten Tagen – egal ob dieses wunderbare Gefühl da oder vielleicht auch einmal für einige Zeit weg ist.

Nun bin ich seit fünf Jahren sehr glücklich mit meinem Mann Franz verheiratet und danke Jesus oft für die gute Vorbereitung auf unsere Ehe, die uns geschenkt worden ist. Wir beide haben uns sehr gut kennengelernt, ohne uns in dieser Vorbereitungszeit über unsere Unterschiedlichkeit „hinweg zu schmusen“. Oft hatten wir eine unglaublich große Sehnsucht danach, körperlich eins zu werden, aber wir wußten beide, daß wir uns in der Tiefe unseres Herzens noch nicht im Klaren darüber waren, ob wir wirklich ganz Ja sagen konnten zueinander. Sehr hilfreich war in dieser Zeit ein Satz aus dem Buch „Der kleine Prinz“, in dem es heißt: „Du bist ein Leben lang verantwortlich für das, was du dir vertraut gemacht hast“.

Durch den Kampf, den wir beide in dieser Vorbereitungszeit gekämpft haben, wurde uns immer mehr bewußt, wie sehr wir den anderen achten und daß es uns in unserer Liebe nicht zuerst um unser eigenes Glück, die eigene Befriedigung geht, sondern um das Glück des anderen. So wie Gott Mose aus dem brennenden Dornbusch zurief: „Zieh´ Deine Schuhe aus, der Boden auf dem Du stehst ist heilig“, so erlebte und erlebe ich, wie meine Sexualität, mit ihr meine Fruchtbarkeit und meine Berufung zur Mutterschaft tief eingebettet ist, in unsere echte Herzensentscheidung füreinander, die nicht auf reine Verliebtheit und körperlicher Anziehung, sondern auf tiefen Respekt vor der unglaublich großen Würde des anderen beruht.

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