Anliegen Romeros sind Anliegen der Kirche
Seligsprechung: Anliegen Romeros sind Anliegen der Kirche
Vigilfeier am Freitagabend in San Salvador, zur Vorbereitung auf die Seligsprechung
Über zweihundert Bischöfe werden an diesem Samstag in San Salvador unter den 300.000 Gläubigen zur Seligsprechung von Oscar Arnulfo Romero erwartet – es ist Zeichen für die Bedeutung, die dieser neue Selige über ein Land und eine spezifische Situation hinaus hat: Romero ist Beispiel, Zeuge und Symbolfigur eines Kampfes, der fast ganz Lateinamerika jahrzehntelang geprägt hat. Aber für El Salvador ist der Fall Romero dennoch etwas Besonderes: Die Ermordung des Erzbischofs stand am Beginn eines grausamen Bürgerkrieges, sein Einsatz für Gerechtigkeit und für die Armen ist bis heute nicht vergessen.
Und dass es nicht nur um eine Person, sondern auch um seine Botschaften gehe, das sei in den Straßen der Hauptstadt San Salvador unübersehbar, berichtet Prälat Bernd Klaschka, Hauptgeschäftsführer des deutschen Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat. Auch er ist zur Seligsprechung vor Ort. „Zum Beispiel ‚mein Wort wird Same für die Freiheit und Gerechtigkeit des salvadorianischen Volkes sein’. Diese Worte findet man auf den Straßen, findet man auf Plakaten mit dem Abbild von Romero. Das wäre vor zwanzig oder dreißig Jahren so nicht möglich gewesen.“ In ihrer Botschaft zur Seligsprechung hätten die Bischöfe des Landes Romero zum Beispiel als Mann der Kirche und als Märtyrer aus Liebe zu den Armen bezeichnet, „das ist die gemeinsame Haltung der Bischöfe, das ist schon ein großer Fortschritt“, urteilt Klaschka. „Man muss aber auch sagen, dass nicht alle der Seligsprechung positiv gegenüber stehen, es gibt auch Priester, die zurückhaltend sind, aber ich kann nicht behaupten, dass das Volk gespalten ist. Es gibt durch die Seligsprechung einen Prozess bei den Menschen, der das Volk vereinen kann und im Volk selbst viele Hoffnungen wecken kann.“ Die Seligsprechung schaffe also zusätzliche Einheit im Land.
Romero sei der Heilige aller Armen, sagt Jesuitenpater Martin Maier, der ebenfalls zur Seligsprechung nach El Salvador gereist ist. Er war vor Jahrzehnten als Pfarrer dort tätig und kehrt seitdem regelmäßig zu pastoraler Arbeit und Lehrtätigkeit nach San Salvador zurück. Er ist der Meinung, dass das Land noch nicht einheitlich denkt und fühlt. „El Salvador ist nach wie vor ein polarisiertes Land und das hängt mit den sozialen Gegensätzen zusammen. Es gibt immer noch eine sehr kleine, sehr reiche Oberschicht. Und die große Mehrheit der Bevölkerung lebt in Armut und Elend. Vor fünfunddreißig Jahren haben Mitglieder der Oberschicht die Ermordung Erzbischof Romeros mit Champagner gefeiert. Aus dieser Generation leben natürlich auch noch Leute. Denen wird es auch heute schwer fallen, einen seligen Erzbischof Romero zu begrüßen. Aber ich sage es noch einmal, er ist der Selige der großen Bevölkerungsmehrheit, der Armen.“
Die Kirche mache sich durch die Seligsprechung die Anliegen Romeros zu eigen, so Prälat Bernd Klaschka, der Einsatz für mehr Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden sei ein über die Jahre hin ein kirchliches Anliegen geworden. Das sei die große Bedeutung über das Land hinaus. „Damit sagt die Kirche in El Salvador, dass sie sich dem Wirken Romeros verpflichtet fühlt, selbst einzutreten für die Armen, selbst offen die Probleme im Land anzusprechen. Das ist ein wichtiger Prozess, den die Kirche in El Salvador zurückgelegt hat.“ Aber auch außerhalb der Kirche habe Romero Wirkung gezeigt, die demokratischen Prozesse hätten sich stabilisiert. Die letzten drei Präsidenten zum Beispiel hätten nicht den früher herrschenden Gruppen angehört. „Was noch geschehen muss, ist die Umsetzung der besonderen Option für die Armen“, so Klaschka, „also dass die Armen Zugang haben zu Bildung, zum Gesundheitswesen, so dass sie ihr Leben selber in die Hand nehmen können.”
Diese Anliegen seien in der Vergangenheit immer wieder parteipolitisch instrumentalisiert worden, Grund für die Verzögerung der Seligsprechung, wie ein Bekannter Romeros, der deutsche emeritierte Weihbischof Leo Schwarz vermutet hatte. Diese Vereinnahmung gebe es heute so nicht mehr, sagt Jesuitenpater Martin Maier. „Natürlich verbinden sich Interessen mit Erzbischof Romero, das ist derzeit in den Zeitungen zu sehen, wo Banken und Industrieunternehmen jetzt ihre Anzeigen mit dem Foto des Seligen Oscar Romero versehen und zum Ausdruckbringen, auch sie seien mit dabei. Aber das wichtige dieser Seligsprechung ist, dass er als der Selige und Heilige des salvadorianischen Volkes, der einfachen Leute, anerkannt wird.“
Überhaupt sei die Frage nach Armut und Gerechtigkeit weniger politisiert, meint Pater Maier. „Das Engagement für Glaube und Gerechtigkeit, das Erzbischof Romero charakterisiert hat – das kommt aus seinem Glauben und aus seinem Gebet, und ich denke die kirchengeschichtliche Bedeutung dieser Seligsprechung ist genau die, dass anerkannt wird, dass zwischen Glaubensverkündigung und Einsatz und Kampf für Gerechtigkeit und Menschenrechte nicht getrennt werden kann.“
rv 23.05.2015 ord
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