“Habt den Mut, gegen den Strom zu schwimmen!”
Die wichtigsten Ereignisse von Papst Franziskus im Jahr 2014
Rom, 31. Dezember 2014, zenit.org, Britta Dörre
Das Jahr 2014 war für Papst Franziskus ein an Reisen, Begegnungen und wichtigen Ereignissen reiches und bedeutendes Jahr.
“Wir Christen haben den beständigen Auftrag, Brücken der Beziehung zu errichten, einen Dialog um die Fragen des Lebens mit den anderen zu führen und dabei vor allem die Sorgen der Randgebiete – seien es die der Gesellschaft, seien es die der Religion oder der menschlichen Beziehungen – nicht ausser Acht zu lassen.” Mit diesen Worten richtete sich Papst Franziskus in seiner Botschaft vom 23. Mai an die Teilnehmer des 99. Katholikentags in Regensburg.
Papst Franziskus war in diesem Jahr selbst viele Male, oft in Konfliktgebieten, als Brückenbauer tätig. Seine apostolischen Reisen in das Heilige Land (24.-26. Mai 2014), nach Korea (13.-18. August 2014), Albanien (21. September 2014) und in die Türkei (28.-30- November 2014) standen ganz im Zeichen des Friedens, des interreligiösen Dialogs und brüderlichen Miteinanders der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionszugehörigkeit.
Um die ganze Welt gingen die Fotos des Friedensgebets, zu dem Papst Franziskus den Präsidenten des Staates Israel, Schimon Peres, und den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas am 8. Juni dieses Jahres in die Vatikanischen Gärten gebeten hatte.
“Herr, Gott des Friedens, erhöre unser Flehen! …Flösse uns den Mut ein, konkrete Taten zu vollbringen, um den Frieden aufzubauen. … Und mögen diese Worte – Spaltung, Hass, Krieg – aus dem Herzen jedes Menschen verbannt werden! Herr, entwaffne die Zunge und die Hände, erneuere Herzen und Geist, damit das Wort, das uns einander begegnen lässt, immer ‘Bruder‘ laute und unser Leben seinen Ausdruck finde in ‘Shalom, Frieden, Salam‘! Amen.” (Ansprache von Papst Franziskus).
Papst Franziskus weiss die Menschen für seine Botschaft zu interessieren und zu begeistern. Er sucht ihre Nähe und nimmt sich bei seinen öffentlichen Auftritten Zeit für die Gläubigen. Oft hält er einen Moment inne, steigt aus dem Fahrzeug oder bittet den Fahrer anzuhalten, um mit den Menschen ein paar Worte wechseln zu können. Papst Franziskus erkennt, was die Menschen bewegt und wie er sie erreichen kann. Er ist ein emsiger Nutzer von Twitter und kann weltweit die meisten Follower auf Facebook verzeichnen. Auch den Medien blieben die “populären“ Qualitäten von Papst Franziskus nicht verborgen: Im Januar zierte das Portrait des Oberhaupts der katholischen Kirche das Titelblatt der amerikanischen Zeitschrift “Rolling Stone“.
Papst Franziskus wirkt menschlich, unkonventionell und hat keine Angst vor der Nähe der Menschen, die bei seinen öffentlichen Auftritten in Scharen zu ihm strömen und die Sicherheitsleute jedes Mal in Aufregung versetzen.
Papst Franziskus war es, der die Kirche dazu aufforderte, zu den in der Peripherie lebenden Menschen zu gehen und sich der von der Gesellschaft Vergessenen, der Armen und Kranken anzunehmen. Er selbst besuchte auch in diesem Jahr mehrere Gemeinden in Rom und Italien, die unter grossen wirtschaftlichen und sozialen Problemen leiden, und gab damit dem Klerus eine Handlungsvorgabe.
Schutz und Wahrung der Würde des Menschen ist eines der Zentralthemen von Papst Franziskus. Dieses Anliegen brachte er auch beim Besuch des Europaparlaments in Strassburg am 25. November 2014 zum Ausdruck. Der Papst ist ein aufmerksamer Beobachter des Weltgeschehens, der Krisen, der wirtschaftlichen Nöte und Sorgen der Menschen. Deshalb stellte er den Abgeordneten des Europaparlaments die Frage:
“Wie kann man also der Zukunft wieder Hoffnung verleihen, so dass – angefangen bei den jungen Generationen – das Vertrauen wiedergewonnen wird, das grosse Ideal eines vereinten und friedvollen, kreativen und unternehmungsfreudigen Europas zu verfolgen, das die Rechte achtet und sich der eigenen Pflichten bewusst ist?” Papst Franziskus ermutigte und wünschte sich: “Das Europa, das den Himmel betrachtet und Ideale verfolgt; das Europa, das auf den Menschen schaut, ihn verteidigt und schützt; das Europa, das auf sicherem, festem Boden voranschreitet, ein kostbarer Bezugspunkt für die gesamte Menschheit!“
Papst Franziskus tritt für die Rechte der Schwachen und Armen, für die Opfer der Wirtschaftskrise ein. Bei seiner Ansprache an die Mitglieder der päpstlichen Stiftung “Centesimus Annus“ am 10. Mai 2014 mahnte er angesichts der Krise und damit verbundenen Probleme: “Im derzeitigen Wirtschaftssystem – und in der Mentalität, die dieses hervorbringt – ist das Wort ‘Solidarität‘ unbequem, ja fast schon lästig geworden. … Die Krise, die wir in diesen Jahren erleben und die tiefe Ursachen ethischer Art hat, hat diese ‘Allergie‘ gegen Worte wie Solidarität, gerechte Verteilung der Güter, Priorität der Arbeit noch verstärkt…
Ganz besonders der christliche Unternehmer ist gerufen, das Evangelium stets der Realität gegenüberzustellen, in der er arbeitet; und das Evangelium drängt ihn, an die erste Stelle die menschliche Person und das Gemeinwohl zu stellen, das Seine zu tun, damit es Arbeit gibt, würdevolle Arbeit.“
Die Bedeutung des solidarischen Handelns für das Funktionieren unserer Gesellschaft wiederholte und verdeutlichte der Papst auch bei seinem Besuch der FAO am 20. November: “Unsere Gesellschaften zeichnen sich durch einen wachsenden Individualismus und durch Spaltung aus; dies geht so weit, dass die Schwächsten eines würdigen Lebens beraubt werden und Unruhen gegen die Institutionen ausbrechen. Wenn in einem Land die Solidarität fehlt, dann bekommt das die ganze Welt zu spüren. Tatsächlich ist Solidarität die Haltung, die die Menschen dazu befähigt, auf den anderen zuzugehen, ihre gegenseitigen Beziehungen auf dieses Gefühl der Brüderlichkeit zu bauen, das die Unterschiede und Grenzen übersteigt, und die dazu bewegt, zusammen das Gemeinwohl zu suchen.“
In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag vom 10. Dezember stellte er noch einmal auf das relationale Wesen des Menschen und die Achtung der Menschenwürde ab: “Da der Mensch ein relationales Wesen ist, dazu bestimmt, sich im Zusammenhang zwischenmenschlicher Beziehungen zu verwirklichen, die auf Gerechtigkeit und Liebe ausgerichtet sind, ist es für seine Entwicklung grundlegend, dass seine Würde, seine Freiheit und seine Autonomie anerkannt und geachtet werden. Leider verletzt das immer noch verbreitete Übel der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen in schwerwiegender Weise das gemeinschaftliche Leben und die Berufung, von Achtung, Gerechtigkeit und Liebe geprägte zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen.“
Ein besonderes Anliegen ist Papst Franziskus die Zukunft der Jugend, ein eng mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen verknüpftes Problem. In seinen Ansprachen und Begegnungen appelliert der Papst deshalb immer wieder – wie auch in seiner Botschaft vom 21. Januar 2014 zum XXIX. Weltjugendtag – an den Mut der Jugendlichen, ihre Fähigkeiten in die Gestaltung einer besseren Gesellschaft einzubringen: “Habt den Mut, gegen den Strom zu schwimmen! Habt den Mut zum wahren Glück! Sagt ‘Nein‘ zur Kultur des Provisorischen, der Oberflächlichkeit und der Aussonderung – eine Kultur, die euch für unfähig hält, Verantwortung zu übernehmen und die grossen Herausforderungen des Lebens anzugehen!“
Papst Franziskus erinnert die Jugendlichen an ihre Verantwortung, die ihnen für die Lösung aktueller sozialer Probleme, die Gestaltung ihrer Zukunft und einer solidarischen Gesellschaft zukommt: “Euch Jugendlichen übertrage ich in besonderer Weise die Aufgabe, ins Zentrum der menschlichen Kultur wieder die Solidarität zu setzen. Gegenüber alten und neuen Formen der Armut – Arbeitslosigkeit, Auswanderung, viele Abhängigkeiten verschiedener Art – haben wir die Pflicht, wachsam und informiert zu sein und die Versuchung zur Gleichgültigkeit zu überwinden. Denken wir auch an diejenigen, die sich nicht geliebt fühlen, die keine Zukunftshoffnung haben, die es aufgeben, sich im Leben zu engagieren, weil sie entmutigt, enttäuscht und verängstigt sind. Wir müssen lernen, den Armen nahe zu sein. Nehmen wir den Mund nicht voll mit schönen Worten über die Armen! Gehen wir auf sie zu, sehen wir ihnen in die Augen, hören wir ihnen zu! Die Armen sind für uns eine konkrete Gelegenheit, Christus selbst zu begegnen, seinen leidenden Leib zu berühren.“
Mit dem Themenkreis Jugend beschäftigte sich auch die Familiensynode, die vom 5. bis zu, 19. Oktober 2014 im Vatikan stattfand und mit zu den wichtigsten Ereignissen des Jahres 2014 zählt. Alle Teilnehmer zeigten sich erfreut über den offenen und freundschaftlichen Dialog miteinander zum Themenkreis Familie. Papst Franziskus betonte: “Die Familie ist die Gemeinschaft der Liebe, wo jeder Mensch lernt, mit den anderen und mit der Welt eine Beziehung aufzubauen.“ (Tweet vom 9. Dezember).
Zwei weitere bedeutende Ereignisse zeichneten das Jahr 2014. Die Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. am 27. April und die Seligsprechung von Paul VI. am 19. Oktober 2014.
Vatikanintern setzte Papst Franziskus seinen Reformkurs im IOR und der Römischen Kurie fort. Noch kurz vor Weihnachten rief er den Vatikanmitarbeitern und Klerikern in Erinnerung, im Dienst des Herrn und der Kirche zu stehen. Ihre Sorge müsse dem Nächsten gelten. Eitelkeit und Eigennutz waren nur einige der negativen Verhaltensweisen, die der Papst in seiner Ansprache vor der Kurie heftig kritisierte und als “Krankheiten” bezeichnete.
Zum Jahresabschluss setzte Papst Franziskus noch ein wichtiges Zeichen im ökumenischen Dialog. In seiner Ansprache an die Delegation der evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands, die den Papst bei einer Audienz am 18. Dezember begegnete, schaute Papst Franziskus hoffnungsvoll in die Zukunft: “Ungeachtet der theologischen Differenzen, die in verschiedenen Glaubensfragen noch bestehen, ist das Leben unserer Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die heute einen gemeinsamen ökumenischen Weg beschreiten, von Zusammenarbeit und geschwisterlichem Miteinander gekennzeichnet. […] Trotz dieser noch offenen Fragen dürfen wir nicht aufgeben, sondern müssen uns vielmehr auf den nächsten möglichen Schritt konzentrieren. Vergessen wir nicht, dass wir gemeinsam einen Weg der Freundschaft, der gegenseitigen Achtung und der theologischen Forschung gehen, einen Weg, der uns hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt.“
Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende zu. Schon im Januar des neuen Jahres begibt sich Papst Franziskus wieder auf Reisen. Seine Reiseziele Sri Lanka und die Philippinen (12.-19. Januar) lassen auf neue, schöne Momente hoffen.
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