Die Formel der Heiligkeit
Heiligsprechung von Frassati und Acutis – Mit einem frohen Glaubensfest hat Leo XIV. am Sonntag Pier Giorgio Frassati und Carlo Acutis zur Ehre der Altäre erhoben. Den Jugendlichen sagte der Papst: Beide Heilige seien ein Modell, um das eigene Leben nicht abseits der Pläne Gottes zu verschwenden
Quelle
Warum wird Carlo Acutis als Heiliger verehrt? (mit Antonia Salzano Acutis)
08.09.2025
Der Petersplatz am Sonntag. Es ist 9.39 Uhr und überraschend erscheint Leo XIV. auf der Altarinsel vor der Basilika – ganz schlicht, ohne Mozetta oder Messgewand, nur im weißen Talar. Auf dem Platz selber haben sich schon etwa 100.000 meist junge Gläubige eingefunden. Der Papst will sie begrüßen, bevor die eigentliche Messfeier beginnt. Der Gottesdienst gleich sei eine feierliche Liturgie, ruft er den Menschen zu, aber “das wird ein wunderschönes Fest für ganz Italien, die ganze Kirche und die ganze Welt”.
Hoch oben an der Fassade des Petersdoms hängen schon die Porträts der beiden Seligen. Darunter sitzen 300 Kardinäle und Bischöfe sowie etwa 1.700 Priester – und die Familien der beiden neuen Heiligen sowie Vertreter von Politik, Gesellschaft und Diplomatie. Staatspräsident Giorgio Mattarella hatte Papst Leo schon in der Petersbasilika begrüßt. Jetzt heißt er die Menschen zu einem “Tag der Freude” willkommen, die seit den frühen Morgenstunden auf den Platz drängen.
Petersplatz voll mit jungen Menschen
Carlo Acutis und Pier Giorgio Frassati seien zwei neue Heilige, die, so Papst Leo, daran erinnern, dass wir alle zur Heiligkeit berufen seien. Dann erst folgt die Prozession der Geistlichen auf den Sagrato, die mit Papst Leo die Messe zur Heiligsprechung feiern werden. Neben Leo XIV. werden am Altar Kardinal Roberto Repole stehen, der Erzbischof von Turin, der Heimatdiözese von Pier Giorgio Frassati, und Erzbischof Mario Delpini von Mailand, der Stadt, in der Carlo Acutis groß geworden ist.
Dafür, dass es schon die dritte Großveranstaltung in diesem Jahr war, die vor allem junge Menschen ansprach – nach dem Jubiläum der Teenager, die dann das Requiem für Papst Franziskus mitfeierten, und dem Jubiläum der Jugend Anfang August – war der Petersplatz wieder einmal gesteckt voll, vor allem junge Menschen warteten auf den Beginn der Messe.
Auch wenn alle möglichen Nationalfahnen zu sehen waren – neben der südkoreanischen oder kroatischen auch fünf bayerische –, waren es vor allem italienische Diözesen, aus denen die Teilnehmer angereist waren. Schon kurz nach 7 Uhr begannen Diözesan- und Pfarrgruppen der “Katholischen Aktion”, der “Azione Cattolica Italiana”, in der auch Pier Giorgio Frassati aktiv gewesen war, in langen Schlangen die doppelten Sicherheitsschleusen zu passieren. Deren Banner mit dem von einem Strahlenkranz umgebenen Kreuz war überall zu sehen, wie auch die grünen T-Shirts mit der Aufschrift “Pilger der Hoffnung”, die darauf hindeuteten, dass der Träger schon an einer anderen Feier zum Heiligen Jahr teilgenommen hatte. Der Ausspruch von Benedikt XVI., dass “die Kirche jung ist und lebt”, erhält in diesen Monaten laufend seine Bestätigung.
Rührender Moment: Carlos Mutter Antonia bei der Heiligsprechung
Der formale Akt zur Heiligsprechung von Carlo Acutis und Pier Giorgio Frassati fand direkt zu Beginn des auf Latein gefeierten Gottesdienstes statt. Nach der Anrufung des Heiligen Geistes im gregorianischen Hymnus “Veni Creator Spiritus” stellte Kardinal Marcello Semeraro, der Präfekt des Dikasteriums für die Selig- und Heiligsprechungen, die beiden Heiligen mit Kurzbiografien vor und bat den Papst, beide zur Ehre der Altäre zu erheben. Es folgten das “Kyrie eleison” und die Heiligenlitanei, dann sprach Leo XIV. die Formel: “Zur Ehre der Heiligsten Dreifaltigkeit (…) sprechen wir die Seligen Pier Giorgio Frassati und Carlo Acutis heilig und schreiben sie dem Verzeichnis der Heiligen ein, indem wir verfügen, dass sie in der ganzen Kirche ehrfürchtig mit den Heiligen verehrt werden.” Der Chor sang drei Mal “Amen” und die Menge spendete starken Applaus. Dann kam ein rührender Moment. Auf den großen Videowänden war plötzlich das Gesicht von Carlos Mutter Antonia zu sehen. Ihr Blick drückte so etwas wie demütiges Staunen aus. Nochmals applaudierten die Menschen.
Seitdem zu den Kameras, die Bilder von der Messfeier auf die Videowände neben der Altarinsel werfen, auch solche gehören, die mit Drohnen durch die Luft fliegen, lenken einen ganz ungewohnte Bilder vom eigentlichen Geschehen vor der Basilika ab: der Petersplatz aus großer Höhe, Bildsequenzen von den Giebeln der Kolonnaden aus oder Menschen, die auf den Terrassen des Apostolischen Palasts stehen. Lautes Gejohle, wenn eine Kamera eine Gruppe von Teilnehmern heranzoomt und diese auf den Bildschirmen erscheint.
Im Anschluss an die Messe verband Papst Leo das Gebet des Angelus trotz der frohen Feier wieder mit einem ernsten Appell an die Welt: “Der Fürsprache der Heiligen und der Jungfrau Maria vertrauen wir unser unablässiges Gebet für den Frieden an, insbesondere im Heiligen Land und in der Ukraine sowie in allen anderen vom Krieg heimgesuchten Ländern”, sagte der Papst und wandte sich insbesondere an die politisch Verantwortlichen: “Den Regierenden sage ich erneut: Hört auf die Stimme eures Gewissens! Die scheinbaren Siege, die mit Waffen errungen werden und Tod und Zerstörung säen, sind in Wirklichkeit Niederlagen und bringen niemals Frieden und Sicherheit! Gott will keinen Krieg, er will Frieden, und er unterstützt diejenigen, die sich bemühen, aus der Spirale des Hasses auszubrechen und den Weg des Dialogs zu beschreiten.”
Die Liebe zu Gott mit einfachen Mitteln gepflegt
Seine Predigt aber hatte Leo XIV. ganz den beiden neuen Heiligen gewidmet und sie den Jugendlichen als Lehrer eines Lebens der Hingabe ans Herz gelegt. So wie die Lesung aus dem Alten Testament von König Salomo gesprochen habe, der Gott um die Weisheit bat, sich treu an dessen Pläne zu halten, so stünden auch viele junge Menschen an einem Scheideweg. Denn das größte Risiko im Leben bestehe darin, es abseits von Gottes Plan zu verschwenden. “In diesem Zusammenhang blicken wir heute auf den heiligen Pier Giorgio Frassati und den heiligen Carlo Acutis: ein junger Mann des frühen 20. Jahrhunderts und ein Teenager unserer Zeit, beide voller Liebe zu Jesus und bereit, alles für ihn zu geben.” Sowohl Pier Giorgio als auch Carlo hätten ihre Liebe zu Gott und ihren Brüdern und Schwestern mit einfachen Mitteln gepflegt, die allen zugänglich seien: die tägliche heilige Messe, das Gebet und insbesondere die eucharistische Anbetung. Carlo habe einmal gesagt: “In der Sonne wird man braun. Vor der Eucharistie wird man heilig”.
Für beide sei die häufige Beichte wichtig gewesen. Papst Leo zitierte Carlo Acutis mit den Worten: “Das Einzige, was wir wirklich fürchten sollten, ist die Sünde.” Und der Junge habe sich gewundert, dass sich die Menschen “so sehr um die Schönheit ihrer Körper sorgen und sich nicht um die Schönheit ihrer Seelen kümmern”. Beide, sagte der Papst weiter, hätten eine große Verehrung für die Heiligen und die Jungfrau Maria gehabt und die Nächstenliebe großzügig geübt. “Selbst als sie von Krankheiten heimgesucht wurden”, meinte Papst Leo weiter, “die ihrem jungen Leben ein jähes Ende bereiteten, hielt sie das nicht davon ab, Gott zu lieben, sich ihm darzubringen, ihn zu loben und für sich selbst und für alle zu beten. Eines Tages sagte Pier Giorgio: ‘Der Tag, an dem ich sterbe, wird der schönste Tag meines Lebens sein’, und auf sein letztes Foto, das ihn beim Erklimmen eines Berges im Lanzo-Tal zeigt, hatte er geschrieben: ‘Auf dem Weg nach oben’.”
Papst Leo zeigt sich sportlich
Die Heiligen Pier Giorgio Frassati und Carlo Acutis, schloss der Papst seine Predigt, “sind eine Einladung an uns alle, vor allem an die jungen Menschen, das Leben nicht zu vergeuden, sondern es nach oben hin auszurichten und es zu einem Meisterwerk zu machen. Sie ermutigen uns mit ihren Worten: ‘Nicht ich, sondern Gott’, sagte Carlo. Und Pier Giorgio: ‘Wenn Gott im Zentrum deines Handelns steht, dann wirst du das Ziel erreichen’. Dies ist die einfache, aber erfolgreiche Formel ihrer Heiligkeit. Folgen auch wir ihrem Zeugnis, damit wir das Leben in seiner ganzen Fülle genießen und dem Herrn beim Fest im Himmel entgegengehen können.”
Nach der Messe fuhr Leo XIV. im offenen Gefährt durch die Reihen der Menschen – und gab sich sportlich. Die zusammengeknüllten Banner, Fahnen oder Schals, die ihm die jungen Leute zuwarfen, fing er auf und warf sie zurück. Wenn die Kirche jung ist und lebt, muss auch ein Papst jugendlich bleiben.
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